Fußballwettbewerbe sind ein Milliardengeschäft. Und sie werden immer größer: In der laufenden Saison 2024/2025 wird die Champions League mit mehr Spielen als je zuvor in einem neuen Format ausgetragen. Zusätzlich steht in diesem Jahr erstmals die stark vergrößerte Klub-Weltmeisterschaft an. Bei den Welt- und Europameisterschaften wurden bzw. werden die Turniere ebenfalls vergrößert. Es ist daher nicht erstaunlich, dass auch andere mit Fußballwettbewerben Geld verdienen wollen. Daher wird aktuell ein neuer Anlauf unternommen, die sog. Super League zu gründen.
Dies ist der erste Beitrag einer Reihe von Blogbeiträgen zum Thema Fußball und Recht. Die Beitragsreihe nimmt aktuelle Entwicklungen im Fußball zum Anlass, rechtliche Themen zu beleuchten. In diesem ersten Beitrag untersuchen wir die Frage, wer Wettbewerbe im Fußball ausrichten darf und wieso dies Gerichte beschäftigt. Der Beitrag zeigt auf, wie Gerichtsverfahren (Litigation) das Recht des Fußballs weiterentwickelt haben und weiterhin prägen werden.
Zur Erinnerung: Als am 19. April 2021 12 Fußballvereinen ihren Plan zur Gründung eines neuen europäischen Vereinswettbewerbs veröffentlichten, entfachte dies so viel Widerstand, dass sie das Vorhaben innerhalb von wenigen Tagen wieder aufgaben. Jetzt ist die Super League wieder zurück: Am 17. Dezember startete die A22 Sports Management S.L. einen neuen Versuch, um für den neuen Wettbewerb (in modifizierter Form und mit neuem Namen „Unify League“), die offizielle Anerkennung bei der UEFA und der FIFA zu erhalten (vgl. die Berichte der FAZ und The Guardian). Das Vorhaben hat mit Real Madrid und dem FC Barcelona prominente Unterstützer.
Wer darf Fußballwettbewerbe genehmigen? Die Frage ist wirtschaftlich und rechtlich spannend. Denn es gibt kein spezielles staatliches „Fußballgesetz“ oder eine europäische „Sport-Verordnung“. Das Recht des Fußballs ist vielmehr selbstgesetztes (Binnen-)Recht der Vereine. Was hindert also ein privates Unternehmen, wie die Initiatorin der Super League, einen eigenen Fußballwettbewerb zu betreiben? Die Antwort: Es ist die Sanktionsgewalt der Verbände, insbesondere der FIFA und der UEFA. Der Fußballsport ist verbandsmäßig in Form einer Pyramide organisiert. Die einzelnen Fußballvereine unterstehen Regional- und Landesverbänden und in Deutschland dem DFB als oberstem Dachverband. Darüber steht in Europa die „Union of European Football Associations“ (UEFA). Die UEFA ist wiederum eine der sechs der kontinentalen Konföderationen der FIFA, des Weltfußballverbandes. Dabei gilt, dass die oberen Verbände jeweils Sanktionsgewalt über die nachgeordneten Verbände ausüben.
Ein Verein könnte sich zwar dazu entscheiden, an einem von der UEFA nicht genehmigten Konkurrenzwettbewerb wie der Super League teilzunehmen, müsste dann aber mit Sanktionen der Verbände rechnen und könnte etwa vom Spielbetrieb der Bundesliga ausgeschlossen werden. Die Fußballverbände können die Teilnahme an Konkurrenzwettbewerben mit heftigen Sanktionen de facto unmöglich machen. Sie fungieren so als „Gatekeeper“ für den Markt der Fußballwettbewerbe.
Die traditionelle Verfassung des Fußballs wird aber zunehmend in Frage gestellt. Dazu haben insbesondere neue Gerichtsentscheidungen beigetragen, indem sie die Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Fußball fortentwickelt haben. Ausgangspunkt der Änderungen war ein Handelsgericht in Madrid, das den EuGH mit einem Vorabentscheidungsverfahren anrief. Der EuGH hat daraufhin entschieden, dass das Wettbewerbsrecht der EU auch für den Fußball gilt und die Monopolstellung der FIFA und der UEFA gegen das Europarecht verstößt. Entscheidend für die Frage, ob die Fußballverbände Konkurrenzwettbewerbe verhindern dürfen, ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser regelt den europäischen Binnenmarkt, insbesondere den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen. Da Fußballwettbewerbe eine wirtschaftliche Aktivität darstellen, gelten für sie die Regeln des europäischen Wettbewerbsrechts. Im Fall der Super League hat der EuGH entschieden, dass die angedrohten Sanktionen der Fußballverbände eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Die UEFA nutze ihre beherrschende Marktstellung in unzulässiger Weise aus. Sie müsse vielmehr transparente und diskriminierungsfreie Kriterien für die Zulassung neuer Wettbewerbe aufstellen. Im Mai 2024 hat das Madrider Handelsgericht schließlich geurteilt (vgl. die Berichte der Sportschau und BBC Sport), dass die UEFA und die FIFA ihre Marktmacht missbraucht haben, indem sie sich die Befugnis angemaßt haben, die Teilnahme an fremden Wettbewerben zu verbieten.
Die besondere Stellung der UEFA und der FIFA wurde aber nicht gänzlich aufgehoben. Vielmehr hat der EuGH die Rolle der Fußballverbände in gewisser Hinsicht sogar gestärkt. Er hat anerkannt, dass dem Fußball eine besondere soziale und kulturelle Bedeutung zukommt. Diese besondere Rolle und die Vielzahl nationaler und internationaler Wettbewerbe rechtfertigten es, dass der Fußball durch einheitliche Verbände vereinheitlicht und koordiniert werden. Dass die dazu erforderlichen Regeln eingehalten werden, dürften die Verbände überwachen und notfalls sanktionieren, ohne dass darin notwendigerweise eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung liege. Die Besonderheiten des Profifußballs bedeuten aber nicht, dass die UEFA und die FIFA jeden Wettbewerber am Zugang zum Markt hindern dürfen. Auf der anderen Seite müssen die Verbände auch nicht jeden Konkurrenten zulassen. Sie seien aber verpflichtet, für die Zulassung transparente und diskriminierungsfreie Regeln aufzustellen. Die Entscheidungen des EUGH und des Madrider Handelsgerichts bedeuten also noch nicht, dass neue Wettbewerbe nicht doch von den Fußballverbänden untersagt werden können. Der EuGH hat das kommerzielle Monopol der FIFA und UEFA nicht grundsätzlich aufgehoben; es unterliegt aber einer strengeren Kontrolle.
Ob die neuen Regeln der UEFA den rechtlichen Kriterien des EuGH entsprechen, ist aber bereits umstritten. Es ist daher zu erwarten, dass in der Zukunft weiter vor den Gerichten über Fußballwettbewerbe gestritten werden wird. Allein wegen der wirtschaftlichen Bedeutung sind auch künftig noch weitere Verfahren zu erwarten. Zu Recht kann man daher von „Super League = Super Litigation“ sprechen (wie Jan Zglinski in seinem lesenswerten Aufsatz „Who Owns Football“). Ob die neue Super League (bzw. Unify League) irgendwann gespielt wird, steht in den Sternen. Dass darüber aber weitere Gerichtsprozesse geführt werden, ist hingegen mehr als wahrscheinlich.
Philipp Sahm
Chiara-Lucia Peterhammer