Das Verantwortungseigentum (VE) bereits in der Gründungsphase oder in jungen Unternehmen zu verankern, ist in den vergangenen Jahren in Deutschland immer beliebter geworden. Dabei spielte einerseits die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen eine Rolle, aber auch das Wirken der 2019 gegründeten Stiftung Verantwortungseigentum (der u. a. die BMW-Stiftung angehört, aber auch Alnatura und Ecosia). Nicht zuletzt steht unsere Gesellschaft vor großen ökologischen und sozialen Herausforderungen, und es stellt sich die (rhetorische) Frage, ob nicht auch die Wirtschaft eine wichtigere Rolle in der Lösung dieser Herausforderungen spielen sollte.
Während es die Rechtslage in einigen Ländern bereits ermöglicht, vergleichsweise unkompliziert Verantwortungseigentum im frühen Stadium zu verankern (beispielsweise in der Niederlande durch Nutzung gering regulierter Stiftungen), erschwert das aktuell in Deutschland geltende Recht die Umsetzung dieses Gedanken. Aus diesem Grund legte ein Professoren-Arbeitskreis einen Gesetzesentwurf[1] vor, der eine Ergänzung des GmbH-Gesetzes vorsieht.
In diesem Beitrag folgen nach einer Darstellung der aktuellen Rechtslagen (1.) eine Erklärung des Gesetzesentwurfes nebst Kritik (2.) und ein Ausblick (3.).
1.1 Rechtslage
Das Verantwortungseigentum will die Prinzipien der Selbstbestimmung und der Vermögensbindung über Generationen im Unternehmen umsetzen.[2] Dazu sind im deutschen Recht im Wesentlichen aktuell drei Alternativen möglich: das Veto-Modell, das Einzelstiftungsmodell und das Doppelstiftungsmodell.
Während im Rahmen des Einzelstiftungsmodells die Stiftung alle Unternehmensanteile hält, erfolgt im Doppelstiftungsmodell eine Aufteilung der Anteile auf eine Stiftung und einen Treuhandeigentümer (der mitunter auch die Rechtsform einer Stiftung hat).
Das Einzelstiftungsmodell kontrolliert die Einhaltung der Prinzipien durch zwei Gremien der Stiftung. Das eine Gremium überwacht die stimmrechtslosen Anteile, das andere Gremium die Anteile mit Mehrstimmrechten und Ausschluss des Gewinnbezugsrechts.
Im Gegensatz dazu kontrolliert der Treuhandeigentümer im Doppelstiftungsmodell die Anteile mit Mehrstimmrechten und Ausschluss des Gewinnbezugsrechts. Stimmrechtslose Anteile mit Dividendenrechte hält die Stiftung.
Das Veto-Modell teilt die Inhaberschaft der Geschäftsanteile in zwei oder drei Gruppen auf. In der ersten Gruppe werden die Anteile mit Stimmrechten von in der Gesellschaft arbeitenden oder mit ihr eng verbundenen Personen gehalten. Die zweite Gruppe (sofern sie implementiert wurde) bildet sich aus Investoren, gemeinnützigen Organisationen, Mitarbeitern oder Gründern, welche Anteile mit Dividendenrechten ohne Stimmrechte halten. Das Mitglied der letzteren Gruppe hält Anteile, die mit einem Vetorecht für gegen das Verantwortungseigentum gerichtete Entscheidungen versehen sind.
1.2 Umsetzungsprobleme
Die aktuelle Rechtslage führt zu einigen Umsetzungsproblemen. Zunächst bieten sich Stiftungen aufgrund mangelnder den Rechtsverkehr schützender Normen unmittelbar nicht als Unternehmensträger an. Ferner lässt sich das Verbot der Selbstzweckstiftung zwar durch satzungsrechtliche Gestaltung vermeiden, hat aber hohe Beratungskosten zur Folge.
Das Veto-Modell garantiert keine hundertprozentige Sicherheit, da der Inhaber der Veto-Anteile, zwar unter Verstoß gegen bestimmte Regelungen, einer Satzungsänderung zur Beseitigung des verankerten Verantwortungseigentums letztlich zustimmen kann.
2.1 Änderungen
Der Entwurf des Professoren-Arbeitskreises knüpft an das GmbHG an. In einem neuen sechsten Abschnitt soll die VE-GmbH als Rechtsformvariante der GmbH wie der UG normiert werden mit teilweise zwingendem Charakter. Das GmbHG gilt im Wesentlichen weiter, sofern es nicht durch den neuen Abschnitt geändert wird.
Neben kleineren Änderungen sind vor allem zwei Leitgedanken hervorzuheben:
a) Dauerhafte Vermögensbindung
Der Entwurf bezeichnet die dauerhafte Vermögensbindung als „asset lock“. Gesellschafter haben keinen Anspruch auf die Gewinne und das Vermögen der Gesellschaft im Falle einer Auflösung oder Liquidation. Auch die im Falle eines Ausscheidens zu zahlende Abfindung beschränkt sich auf die Rückgewähr der geleisteten Einlage. Eine Regelung des Gesetzesentwurfes verbietet eine Aufhebung oder Abänderung des Prinzips der dauerhaften Vermögensbindung (Ewigkeitsklausel). Jedoch erfordert die VE-GmbH nicht die Verfolgung eines nachhaltigen oder gemeinwohlorientierten Zweckes. Die Firma hat allerdings „in Verantwortungseigentum“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung zu beinhalten.
b) Selbstständigkeit
Um die Selbständigkeit der Gesellschaft zu wahren, begrenzt der Entwurf den Kreis möglicher Gesellschafter auf natürliche Personen, andere Gesellschaften in Verantwortungseigentum oder einen Rechtsträger mit in gleicher Weise gesetzlich dauerhaft gebundenem Vermögen (letzteres soll es ausländischen Gesellschaften ermöglichen, sich an der VE-GmbH zu beteiligen). Die Selbstständigkeit schließt die Vererbung nicht aus, ist aber abhängig von der Zustimmung der Gesellschafter.
2.2 Vergleich zum Veto-Modell
Während das Veto-Modell eine Aufteilung der Anteile vorsieht, folgt der Entwurf mit der dauerhaften Vermögensbindung einem stiftungsähnlichen Ansatz. Anstatt einer Aufteilung der Anteile nach der zugrundeliegenden Gesellschafterfunktion, erfolgt der Schutz des Unternehmensprinzips durch die Ewigkeitsklausel. Die Gesellschafter haben die allgemeinen Stimm- und Teilhaberechte (mit Ausnahme von Gewinnausschüttungen und Liquidationserlös), sind aber an den festgelegten Zweck auf Dauer gebunden. Der neuen Struktur zur Folge ist eine Art Aufsicht über mögliche gegen das Verantwortungseigentum ergehende Entscheidungen nicht mehr notwendig.
2.3 Kritik
Neben Kritikpunkten wie der zwingenden Firmierung (also der Publizität des Verantwortungseigentums in der Firma), findet der „asset lock“ im Verhältnis zum Prinzip der Verbandssouveränität Beachtung. Der Streit rankt sich um die Frage, ob für die VE-GmbH partiell das Verbot der kollektiven Selbstentmachtung aufgrund der vorgesehenen Ewigkeitsklausel tatsächlich rechtlich wirksam abgeschafft werden kann, ohne eine (vollständig) eigenständige Rechtsform einzuführen.
Der Gesetzesentwurf für eine Ergänzung des GmbH-Gesetzes wird insbesondere von den Unterstützern des Verantwortungseigentums allgemein als gelungen erachtet. Abgesehen von den weiter zu betrachtenden Kritikpunkten, setzt er den ersten Aufschlag, um das Verantwortungseigentum in Deutschland weiter voranzubringen.
[1] Sanders, Dauner-Lieb, Kempny, Möslein, Veil, von Freeden, Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum, Stand 12.06.2020, S. 9, abrufbar unter: LINK (abgerufen am 28.09.2020); folgend bezeichnet als Entwurf oder Gesetzesentwurf.
[2] Siehe Beitrag von Klesen, Tassilo, Verantwortungseigentum für Start-ups, 12.08.2019, abrufbar unter: LINK