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    02.05.2025

    Digital- und Medienpolitik im Koalitionsvertrag von Union und SPD


    Nachdem die SPD-Basis durch ihr Mitgliedervotum diese Woche den Weg für eine neue Regierungskoalition frei gemacht hat, möchten wir einen Überblick darüber geben, was sich die künftige Regierung für den Medien- und Digitalbereich vorgenommen hat.

    Weg zur „KI-Nation“ und Cloud-Infrastruktur

    Die Bundesregierung skizziert das ambitionierte Ziel, Deutschland zur führenden „KI-Nation“ Europas aufzubauen. Kern dieses Anspruchs sind umfangreiche Aufbauinvestitionen in eine leistungsfähige Cloud- und KI-Infrastruktur. Damit soll eine Basis für datenintensive Anwendungen geschaffen werden. Auch in die Verbindung von künstlicher Intelligenz und Robotik soll kräftig investiert werden. Leichtbau-Technologien und 3D-Druck werden als Schlüssel zur Modernisierung traditioneller Produktionsprozesse genannt. 

    Datenstrategie und Datenschutz

    Unter der Maxime „public money, public data“ soll der Grundsatz verankert werden, dass durch öffentliche Mittel generierte Daten grundsätzlich für staatliche und gesellschaftliche Zwecke offenstehen. Dazu plant die Koalition ein Datengesetzbuch, das Regelungen zusammenführen und einen Rechtsanspruch auf „Open Data“ bei staatlichen Einrichtungen schaffen soll. In Kombination mit der Stärkung von Datentreuhändern soll Vertrauen in die Qualität und Integrität solcher Datenbestände gewährleistet werden. 

    Die Datenschutzaufsicht soll neu organisiert werden. Dafür sollen Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten gebündelt werden. Sie soll dann Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit genannt werden. Die Datenschutzkonferenz (DSK) soll fest im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verankert werden, um fortwährend gemeinsame Standards für den Datenschutz zu erarbeiten. Bei staatlichen Serviceleistungen will die künftige Bundesregierung darauf hinwirken, dass erforderliche Einwilligungen durch „Widerspruchslösungen“ ersetzt werden. Auf europäischer Ebene soll veranlasst werden, dass Vereine, kleine und mittlere Unternehmen und risikoarme Datenverarbeitungen von dem Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen werden.

    Verwaltung 4.0 und E-Justice

    Ein zentrales Anliegen ist die Digitalisierung von Verwaltung und Justiz. Behördliche Abläufe sollen automatisiert und beschleunigt werden, wofür künstlicher Intelligenz eine Schlüsselrolle zugedacht ist. Gleichzeitig sollen Schriftformerfordernisse abgebaut werden, damit digitale Dokumente ohne Formhindernisse genutzt werden können. Außerdem ist der Aufbau einer bundesweiten „Justizcloud“ vorgesehen, in die Akten und Dokumente von Gerichten und Staatsanwaltschaften überführt werden sollen. Ergänzend soll ein nutzerfreundliches Justizportal eingeführt werden, das digitale Antragsverfahren, ein Vollstreckungsregister und zukünftig KI-gestützte Assistenzfunktionen bereitstellt. So sollen insbesondere Zivilverfahren deutlich verkürzt werden.

    Europäischer Rahmen und Plattformregulierung

    Die Koalition will EU-Digitalrecht in Deutschland innovationsfreundlich und kohärent umsetzen. Die nationale Umsetzung des AI-Acts soll durch eine zentrale Servicestelle begleitet werden, um bürokratische Hürden für Unternehmen zu minimieren. Zur Stärkung der digitalen Resilienz gegenüber Cyberbedrohungen soll die EuroStack-Initiative weiter unterstützt werden. Im Bereich Plattformregulierung steht die konsequente Anwendung des Digital Services Act (DSA) im Fokus. Anbieter sollen verpflichtet werden, strafbare Inhalte zeitnah zu entfernen und systemische Risiken wie Desinformation aktiv zu bekämpfen. Zudem wird die Prüfung einer verpflichtenden Bot-Identifizierung und eines Verbots manipulativer Designs („Dark Patterns“) angestoßen. Parallel dazu soll das Cyberstrafrecht modernisiert werden: Lücken bei der Strafbarkeit etwa von Deep Fakes oder bildbasierter sexualisierter Gewalt sollen geschlossen werden, und Plattformen werden schärferen Mitwirkungspflichten unterworfen. Mit dem geplanten „Digitalen Gewaltschutzgesetz“ soll zudem die Sperrung anonymer Hass-Accounts ermöglicht werden und eine Schnittstelle für Strafverfolgungsbehörden eingerichtet werden. In der Medienaufsicht sollen staatsferne Instanzen klare gesetzliche Vorgaben erhalten, um gegen Informationsmanipulation, Hass und Hetze auf digitalen Plattformen vorzugehen. Der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts soll verboten werden. Schließlich wird auch die Umsetzung der NIS-2-Richtline angekündigt, deren Umsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.

    Vertragsrecht und Verbraucherschutz

    Auch im Verbraucher- und Vertragsrecht soll es digitaler werden. Sogenannte „Smart Contracts“ sollen es ermöglichen, einfache Entschädigungs- und Erstattungsfälle beispielsweise bei Ticketkäufen weitgehend automatisiert über vorausgefüllte Online-Formulare abzuwickeln, sofern entsprechende Daten bereits vorliegen. Parallel dazu ist eine Reform des AGB-Rechts geplant. Großunternehmen sollen darauf vertrauen können, dass untereinander geschlossene allgemeine Geschäftsbedingungen in der Praxis verlässlich anerkannt werden. Womöglich soll also im B2B die Klauselkontrolle abgeschwächt werden. Für telefonisch abgeschlossene Dauerschuldverhältnisse soll eine allgemeine Bestätigungslösung eingeführt werden, um lästige Rückfragen zu vermeiden. Der Leitgedanke „by design“ und „by default“ soll Anbieter dazu verpflichten, digitale Angebote von vornherein verbraucherfreundlich zu gestalten.

    Urheber- und Medienrecht im Digitalzeitalter

    Laut Koalitionsvertrag will die Regierung einen fairen Ausgleich zwischen Kreativen, Wirtschaft und Nutzern schaffen. Besonders relevant ist die Regelung, Urheber für die Nutzung ihrer Werke in generativen KI-Systemen angemessen zu vergüten. Die Formulierung klingt nach einer Art Urheberrechtsabgabe. Im digitalen Musikmarkt soll Streamingplattformen eine transparente Beteiligung der Künstler an den Erlösen auferlegt werden. 

    Fazit

    Viele Themen werden nur sehr vage umschrieben, aber zum Teil enthält der Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD auch sehr konkrete Vorhaben. Ob und inwiefern diese umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist erklärtes Ziel, Prozesse zu digitalisieren, Bürokratie abzubauen und in den Digitalbereich kräftig zu investieren. Wir werden die Entwicklungen jedenfalls weiter beobachten.

    Fabian Eckstein

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