„A new Sheriff in town“ - so kündigte Binnenmarktkommissar Thierry Breton das Vorhaben zum „Digital Services Act“ (DSA) an. 20 Jahre ist es her, dass die EU einen grundlegenden Rechtsrahmen für die Regulierung des Internets mit der eCommerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 gelegt hat. Seitdem ist auf nationalstaatlicher Ebene der Mitgliedsstaaten mehr geschehen, um das Internet zu einem sicheren oder zumindest besseren Ort zu machen (z.B. in Deutschland mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz). Dies führte allerdings dazu, dass Regelungen hinsichtlich des Internets innerhalb der EU sehr uneinheitlich waren. Insbesondere aus Unternehmenssicht war zuweilen von einer Zersplitterung des „Europäischen Internets“ die Rede. Daher sollen nun durch das Gesetz über Digitale Dienste - das nun am 4. Oktober 2022 auch vom Rat der EU angenommen wurde - die Regulierungen im Internet auf EU-Ebene harmonisiert werden. Ein „Plattform-Grundgesetz“ (wie von manchen erhofft – von anderen befürchtet) ist der DSA nicht, vielmehr finden sich darin Grundregeln für die sogenannten Vermittlungsdienstleister. Grundprinzip des DSA ist dabei: „What is illegal offline, should be illegal online.“ Auf den ersten Blick klingt das wie eine Binsenweisheit und tatsächlich handelt es sich eher um eine Nachschärfung oder Vereinheitlichung von bereits in vielen Mitgliedsstaaten bestehenden Regelungen. Es sind aber doch sehr viele neue Verpflichtungen hinzugekommen. Wirklich neu sind die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Unternehmen (mit einem Bußgeldsystem, das der DSGVO nachempfunden ist).
Adressaten des DSA sind „intermediary services providers“ also Erbringer von Vermittlungsdiensten, die ihre Dienste in der EU anbieten. Davon erfasst sind zum Beispiel Internet-Provider, Clouddienste und Content-Sharing Plattformen, aber auch soziale Netzwerke, App Stores und Online-Marktplätze. Das Ausmaß der Regelungstiefe richtet sich dabei nach der jeweiligen Art der Vermittlungsdienstleistung. Unterschieden wird zwischen der reinen Übermittlung von Daten („mere conduit“), einer Übermittlung mit kurzzeitiger Zwischenspeicherung („caching“) und dem „hosting“, mit dem Spezialfall der Online-Plattformen. Die strengsten Regelungen gelten für „very large online platforms“ und „very large online search engines“.
Zunächst legt der DSA einen einheitlichen Rechtsrahmen für die bedingte Haftungsbefreiung der Vermittlungsdienstleister für die von ihnen übermittelten Daten bzw. Inhalte fest, die sich im wesentlichen Kern nach der Kenntnis der Vermittlungsdienstleister über die Illegalität der Inhalte richtet.
Weiterhin sind – zum Teil sehr ausführliche – Obliegenheitspflichten der Vermittlungsdienstleister aufgeführt.
Anbieter von Hosting-Diensten, welche also die übermittelten Daten für einen längeren Zeitraum speichern, müssen bestimmte Melde- und Aktionsmechanismen implementieren. Dazu gehört eine Meldefunktion für illegale Inhalte, die für Nutzer leicht zugänglich ist. Im Fall einer sogenannten „Moderation“ von Nutzerinhalten oder -verhalten muss eine klare und spezifische Begründung für die auferlegte Beschränkung an den jeweils betroffenen Nutzer des Dienstes erfolgen. Erhält ein Hosting-Anbieter Kenntnis von Informationen, die den Verdacht einer Straftat durch den Nutzer begründen, welche insbesondere eine Bedrohung für das Leben oder die Sicherheit einer Person darstellt, ist die zuständige Behörde zu informieren.
Online-Plattformen, wie z. B. soziale Netzwerke oder Online-Marktplätze, werden als Anbieter von Hosting-Diensten definiert, die nicht nur die Informationen speichern, sondern diese auch auf Wunsch des jeweiligen Nutzers an die Öffentlichkeit weitergeben. Für Online-Plattformen gelten daher noch weitergehende Verpflichtungen.
Für sehr große Online-Plattformen (ab durchschnittlich 45 Millionen EU-Nutzern im Monat) gilt eine noch umfassendere Transparenzpflicht. Sie müssen den Nutzern die Möglichkeit geben, Empfehlungen auf der Grundlage von Profiling abzulehnen. Sie müssen ein Risikomanagement einrichten und sich jährlichen unabhängigen Prüfungen unterziehen. Im Falle einer Krise (z. B. Krieg) können für sehr große Online-Plattformen weitere Verpflichtungen gelten. Diese Anforderungen gelten auch für sehr große Online-Suchmaschinen.
Die Nichteinhaltung des DSA kann mit hohen Geldbußen von bis zu sechs Prozent des Konzernjahresumsatzes geahndet werden. Zuständig für die Durchsetzung der Vorschriften und die Verhängung von Geldbußen ist grundsätzlich der Mitgliedsstaat (insbesondere die zuständige nationale Behörde), in dessen territoriale Zuständigkeit der Vermittlungsdienst fällt. Bei sehr großen Online-Plattformen/sehr großen Suchmaschinen liegt die Zuständigkeit hier bei der EU-Kommission.
Für Unternehmen ergeben sich nicht nur Verpflichtungen, sofern sie Erbringer von Vermittlungsdienstleistungen jedweder Art sind; sie erhalten nunmehr die Möglichkeit besser gegen illegale Inhalte oder illegale Produkte (zum Beispiel Produktfälschungen usw.) vorzugehen.
Die neuen Regelungen werden wahrscheinlich ab Februar 2024 gelten (für sehr große Onlineplattformen bereits früher). Es wird sich zeigen, ob und wie der „neue Sheriff“ für eine bessere Kontrolle und Sicherheit online sorgen wird.
Dr. Andreas Lober und Cathleen Laitenberger