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    21.03.2025

    BGH zum Ausschluss des AGB-Rechts in Schiedsvereinbarung - ein Weg zu mehr Vertragsfreiheit?


    Die meisten Verträge im Wirtschaftsleben sind rechtlich betrachtet Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), da ihre Klauseln meist vorformuliert und nicht individuell ausgehandelt sind. Damit unterliegen sie einer strengen Inhaltskontrolle (§ 307 BGB). Dies engt den Spielraum für die Vertragsgestaltung erheblich ein – ein Umstand, der in der Praxis oft als übermäßig streng kritisiert wird. Die Gerichte differenzieren bei der Inhaltskontrolle oft nur wenig zwischen B2C- und B2B-Verträgen. In Konsequenz ist es z.B. praktisch kaum möglich, eine Begrenzung der Haftung (z.B. auf das Dreifache des Vertragswertes oder TEUR 100) zu vereinbaren, selbst wenn beide Parteien das für sachgerecht halten. 

    Das provoziert Ausweichstrategien. Unternehmen versuchen z.B. mitunter, das AGB-Recht (§§ 305–310 BGB) auszuschließen. 

    Der BGH (Beschluss vom 09.01.2025 – I ZB 48/24) hatte nun mit einem Fall zu tun, in dem in dem von der einen Partei formulierten Vertrag vorgesehen war, dass deutsches Recht unter Ausschluss des AGB-Recht gelten solle („Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, auf die Berufung der Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten.“). Vereinbart war weiter, dass über etwaige Streitigkeiten das Schiedsgericht der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) zu entscheiden habe. 

    Zwischen den Parteien kam es zum Streit über Werklohnforderungen, Schadensersatz und Vertragsstrafen in Millionenhöhe. Nach Einleitung des Schiedsverfahrens bei der DIS machte eine der Parteien geltend, die im Vertrag enthaltene Vertragsstrafenregelung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in AGB als überhöht und daher unwirksam anzusehen. Vor dem Hintergrund der Klausel, wonach das Schiedsgericht keine AGB-Kontrolle vornehmen dürfe, bestehe die Gefahr, dass die Vertragsstrafe gleichwohl Anwendung finde, obwohl sie gegen AGB-Recht verstoße. Die Schiedsklausel sei daher unwirksam, weshalb das Verfahren vor den staatlichen Gerichten zu führen sei. Sie beantragte daher beim Kammergericht Berlin nach § 1032 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass das Schiedsverfahren aus diesem Grund unzulässig sei.

    Kammergericht und dann auch der BGH wiesen den Antrag zurück. Der BGH entschied: 

    Die Schiedsvereinbarung sei getrennt von der Wirksamkeit weiterer vertraglicher Vereinbarungen der Parteien zu betrachten. Eine etwaige Unwirksamkeit der Abrede über den Ausschluss des AGB-Rechts würde nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung als solcher führen. Das gelte unabhängig davon, ob die Abreden als AGB zu werten seien oder nicht.

    Im Übrigen sei es Aufgabe des Schiedsgerichts (man kann wohl hinzufügen: und zunächst einmal nicht der staatlichen Gerichte), die Rechtswahlregelungen rechtlich zu überprüfen und über deren Wirksamkeit zu entscheiden. 

    Steht damit fest, dass die Ausweichstrategie – Wahl deutschen Rechts bei Ausschluss des strengen deutschen AGB-Rechts – funktioniert? Und zwar gerichtsfest? Das ist (leider, möchte der Verfasser hinzufügen) nicht gesagt. Denn der BGH weist in dem Beschluss ergänzend noch darauf hin, dass ein erlassener Schiedsspruch ggf. noch ein Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren durchlaufen muss. Dabei überprüft das dafür zuständige Oberlandesgericht zwar nicht umfassend die inhaltliche Richtigkeit. Aber zu prüfen ist u.a. auch, ob die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Sollte, so der BGH, „die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs – aufgrund der Nichtanwendung der AGB-Vorschriften im schiedsgerichtlichen Verfahren – zu einem Ergebnis führen, das gegen den ordre public verstößt“, wären Anerkennung bzw. Vollstreckung zu versagen. Das, so der BGH weiter, komme zum Beispiel in Betracht, wenn „das Schiedsgericht eine vertragliche Regelung für wirksam hält, deren Zustandekommen sich nicht mehr als Ausdruck vertraglicher Selbstbestimmung begreifen lässt, oder eine vertragliche Regelung zu schlechthin nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen führt“. Insofern weist der BGH den staatlichen Gerichten also eine Ergebniskontrollkompetenz zu. Vielleicht kann man die Rechtslage so zusammenfassen bzw. – wohl eher, denn Klarheit besteht nach dem BGH-Beschluss nicht - interpretieren: Die Parteien mögen in Anwendung des durch § 1051 ZPO erweiterten Gestaltungsspielraums das AGB-Recht zunächst einmal ausschließen können. Die daraus resultierende Freiheit ist aber nicht grenzenlos und es gelten u.a. die §§ 138 (Unwirksamkeit sittenwidriger Regelungen), 242 BGB (Gebot von Treu und Glauben). Aus diesen Normen wurde übrigens das heutige AGB-Recht entwickelt. Durch diese Normen werden die Rechte des Klauselgegners (also des Vertragspartners der Partei, die die AGB formuliert hat) gewahrt, einschließlich seiner Vertragsfreiheit. Derjenige, der eine Vertragsklausel gestaltet, muss, wenn er sicher sein will, dass diese schlussendlich hält, die Interessen der Gegenseite mit bedenken und jedenfalls eine grobe Unangemessenheit vermeiden. Tut er das nicht, ist es Aufgabe des Schiedsgerichts, die sich ggf. ergebende Unwirksamkeit zu erkennen und daraus die richtigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Geschieht dies nicht und führt dies zu „nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen“, haben die dafür zuständigen ordentlichen Gerichte die Anerkennung bzw. Vollstreckung abzulehnen bzw. den Schiedsspruch auf entsprechenden Antrag aufzuheben.

    Oliver Korte

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