Die Zahl der Transaktionen auf dem Immobilienmarkt soll und wird wieder steigen. Zur Erholung des Marktes finden sich auch in der neuen 5 % Studie 2024 entsprechende Signale.
Umso wichtiger ist es, vor allem bei großvolumigen Transaktionen, die neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu Aufklärungspflichten des Immobilienverkäufers bei Einrichtung eines virtuellen Datenraums zu beachten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Aufklärungspflicht des Verkäufers in einer für den Immobilienmarkt bedeutenden Entscheidung zuletzt verschärft und Verkäufer stärker in die Pflicht genommen. (15. September 2023, Az. V ZR 77/22).
In der Praxis werden dem potenziellen Käufer Dokumente in der Regel über einen virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt, häufig eine Vielzahl von Dokumenten. In den nicht selten mit Hektik verbundenen Transaktionsphasen werden dabei auch – ggf. für die Kaufentscheidung bedeutende – Dokumente teilweise kurz vor dem Vertragsabschluss zur Verfügung gestellt. Der Verkäufer durfte bisher davon ausgehen, dass diese Dokumente dem Käufer dann als bekannt gelten und es dessen Verantwortung ist, diese auch eigenständig zu prüfen. Der BGH hat nun klargestellt, dass das bloße Einstellen der Dokumente in den virtuellen Datenraum nicht ausreicht, insbesondere bei wesentlichen Informationen wie anstehenden Sanierungskosten.
In einem konkreten Fall stellte der Verkäufer von mehreren Gewerbeimmobilien-Einheiten kurz vor dem Notar-Termin ein Protokoll in den Datenraum ein, in dem eine hohe Sonderumlage für Sanierungen angekündigt wurde. Der Käufer, der von diesen Kosten der Eigentümergemeinschaft nichts wusste bzw. das entsprechende Dokument nicht geprüft bzw. nicht zur Kenntnis genommen hatte, focht den Vertrag an und forderte Schadensersatz. Während die Vorinstanzen die Verantwortung beim Käufer sahen, entschied der BGH zugunsten des Käufers. Der Verkäufer hätte aktiv auf diese Information hinweisen müssen, da das bloße Einstellen der Dokumente im Datenraum nicht genügt.
Das Oberlandesgericht Celle sah zunächst die Verantwortung beim Käufer, alle relevanten Informationen selbst aus dem Datenraum zu beschaffen. Der BGH hingegen hob dieses Urteil auf. Wesentliche Informationen, die für die Kaufentscheidung von Bedeutung sind, müssen explizit hervorgehoben und dem Käufer mitgeteilt werden, insbesondere wenn diese Informationen erst kurz vor Beurkundung bereitgestellt werden.
Der BGH stellte klar, dass Verkäufer für versteckte Mängel, die nur aus den bereitgestellten Unterlagen hervorgehen, verantwortlich bleiben. Eine Ausnahme kann nur gemacht werden, wenn der Käufer eine umfassende Due Diligence durchführt und ausreichend Zeit hat, die Dokumente gründlich zu prüfen. Verkäufer sollten daher künftig darauf achten, wesentliche Informationen klar, geordnet und rechtzeitig zu kommunizieren - auch in Fällen kleinerer Transaktionen, in denen es nur Hausordner gibt -, um rechtliche Risiken zu minimieren. Bei Informationen, die kurz vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt werden, ist auf eine besondere Transparenz zu achten.
Das Urteil des BGH ist bei zukünftigen Immobilienverkäufen in das Prozedere einzubeziehen. Verkäufer sollten sich den verschärften Anforderungen bewusst sein und sicherstellen, dass der Käufer über alle wesentlichen Umstände des Kaufobjekts umfassend informiert wird, im Einzelfall kann ein gesonderter Hinweis erforderlich werden. Andernfalls könnten sich Verkäufer Schadensersatzforderungen ausgesetzt sehen.
Der Text ist als Gastbeitrag in der 5 % Studie 2024 von bulwiengesa erschienen.