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    24.11.2021

    Änderungen im deutschen Kaufrecht – Anpassungsbedarf für AGB


    Zum 1. Januar 2022 treten umfangreiche Änderungen im deutschen Kaufrecht in Kraft. Diese Änderungen gehen zurück auf die Europäische Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771), deren Ziel es ist, einen funktionsfähigen digitalen Binnenmarkt und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Zeitgleich treten auch zahlreiche Änderungen aufgrund der Umsetzung der Richtlinie, (EU) 2019/770 in Kraft, die bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen neu regelt.

     

    Das Gesetz wirkt sich vorwiegend auf den Bereich der Verbraucherverträge aus, hat jedoch auch Auswirkungen auf den B2B-Bereich. In der Folge sind Verträge, AGB, und Prozesse an die neuen Regelungen anzupassen.

     

    Die wichtigsten Änderungen durch die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie fassen wir im Folgenden in Kürze zusammenfassen:

    1. Änderung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB

    Nach dem neu gefassten Begriff des Sachmangels gilt eine Sache dann als frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen (einschließlich Installierbarkeit) entspricht. Vertragliche Abweichungen durch Beschaffenheitsvereinbarungen sind weiterhin möglich. Beim Verbrauchsgüterkauf jedoch nur noch, wenn der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung explizit davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wird. Es reicht daher nicht aus, eine derartige Vereinbarung in die AGB aufzunehmen.

    2.Änderungen beim Nacherfüllungsanspruch und im Lieferantenregress

    Weitere Änderungen finden sich beim Nacherfüllungsanspruch, § 439 BGB. Unter anderem wird für den Fall der Nachlieferung eine Verpflichtung zur Rücknahme des mangelhaften Gegenstandes auf Kosten des Verkäufers aufgenommen.

    Parallel dazu wurden die Regelungen zum Lieferantenregress um die Erstattung dieser Rücknahmekosten erweitert. Des Weiteren wurde hier eine Ersatzpflicht des Lieferanten für Aufwendungen des Verkäufers wegen Verletzung einer Aktualisierungspflicht beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen neu eingefügt. Schließlich wurde die Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren seit Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer abgeschafft (§ 445 b Abs. 2 BGB).

    3.Änderungen beim Verbrauchsgüterkauf

    Zahlreiche Änderungen finden sich in den besonderen Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB). So kann ein Verbraucher beispielsweise künftig auch in den Fällen seine Gewährleistungsrechte geltend machen, in denen er den Mangel bereits bei Vertragsschluss kannte.

     

    • Kostentragung beim Rücktritt
      Darüber hinaus gibt es einige neue Regelungen für den Rücktritt beim Verbrauchsgüterkauf. So muss der Unternehmer bei einem Rücktritt des Kunden wegen eines Mangels die Kosten der Rückgabe der Kaufsache tragen. Dabei gilt der Nachweis des Verbrauchers über die Rücksendung bereits als Rückgewähr der Kaufsache. Zukünftig wird daher ein Unternehmer nicht nur die Kosten der Rücksendung tragen müssen, sondern den Kaufpreis bereits bei Nachweis der Rücksendung zurückerstatten haben.
    • Formelle Anforderungen
      Das neue Gesetz führt darüber hinaus in § 476 BGB spezielle formelle Pflichten des Verkäufers ein. So sind Voraussetzungen einer wirksamen Verkürzung der Verjährungsfrist bei gebrauchten Sachen zukünftig ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis und eine gesonderte Vereinbarung dazu mit dem Verbraucher. Gleiches gilt für negative Beschaffenheitsvereinbarungen.
      Für Garantieerklärungen gelten in Zukunft gem. § 479 Abs. 3 BGB n.F. erhöhte formelle Anforderungen. § 479 regelt nun detailliert, welchen Inhalt eine Garantieerklärung haben muss. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift berührt jedoch nicht die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung.
    • Beweislastumkehr
      Im neuen § 477 BGB findet sich eine Änderung der bisher geltenden sechsmonatigen Beweislastumkehr bei Mängeln. Diese wird nun zugunsten der Verbraucher auf ein Jahr verlängert. Es wird demnach in Zukunft ein Jahr nach Übergabe der Kaufsache vermutet, dass der aufgetretene Mangel bereits bei Übergabe der Kaufsache vorhanden war. Es ist zu erwarten, dass gerade diese Änderung zu einer erhöhten Anzahl an Gewährleistungsfällen in Zukunft führen wird.

    4.Neue Regelungen im Verbrauchsgüterkauf bei Waren mit digitalen Elementen und bei Verträgen über digitale Produkte

    Umfangreiche Neuregelungen finden sich auch im Bereich des Verkaufs von Produkten mit digitalen Elementen (§§ 475b ff. BGB) und bei Verbraucherverträgen über digitale Produkte (digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen) (§§ 327ff. BGB). Hier finden sich neue Pflichten zur Bereitstellung von Aktualisierungen und Information des Kunden über bereitstehende Updates.

    5.Handlungsempfehlung

    In den nächsten Wochen sollte jedes Unternehmen Verträge, AGBs und Prozesse überprüfen und ggf. an die neuen Regelungen anpassen. Dabei ist zunächst zu prüfen, welche Produkte vertrieben werden und an wen sie vertrieben werden. Im B2C-Bereich gelten zusätzlich die Regelungen der §§ 474ff. BGB, die beispielsweise besondere Hinweispflichten enthalten (§ 476 BGB). Sobald digitale Elemente vorhanden sind, gelten im B2C-Bereich darüber hinaus die Sonderregelungen der §§ 475b ff. BGB. Werden digitale Inhalte oder Dienstleistungen bereitgestellt, muss die Anwendbarkeit der neuen §§ 327ff BGB geprüft werden. Bei Überarbeitung von AGBs sollte ein besonderes Augenmerk auf die Anpassung von Regelungen zum Gewährleistungsrecht gelegt werden. Im Rahmen der Anpassung von Prozessen sind ferner die neuen Hinweispflichten des § 476 BGB zu beachten.

     

    Dr. Julia Offermanns

     

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