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    24.07.2019

    Abführungspflicht von Aufsichtsratstantiemen für Gewerkschaftsmitglieder


    Mit Urteil vom 12.12.2018 (Az.: 4 U 86/18) hat das OLG Frankfurt entschieden, dass die in der Satzung der IG Metall für ihre Mitglieder geregelte Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen auch dann besteht, wenn das Mitglied nicht über eine Liste der Gewerkschaft gewählt oder von dieser bei der Kandidatur unterstützt wurde.

     

    Sachverhalt

     

    Die IG Metall als Klägerin nahm den Beklagten auf die Abführung von Aufsichtsratsvergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung in Anspruch. Grundlage der Forderung war § 3 Ziff. 11 der Satzung der Klägerin, die Mitglieder der Gewerkschaft dazu verpflichtet, Einkünfte aus Mitbestimmungsfunktionen teilweise abzuführen. Die Höhe des abzuführenden Betrags ergibt sich nicht aus der Satzung selbst, sondern aus einer Richtlinie des Vorstands, der die Höhe der Abführungsverpflichtung konkretisiert. Diese Richtlinie beruht wiederum auf den Regelungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Begünstigte der Abführungspflicht ist die Hans-Böckler-Stiftung als Förderungswerk des DGB.

    Der Beklagte wurde während seiner Mitgliedschaft bei der Klägerin in den Aufsichtsrat einer GmbH gewählt. Er kandidierte eigenständig ohne Unterstützung der klagenden Gewerkschaft. Er führte aus, Mitglieder der Klägerin hätten seine Kandidatur verhindern wollen und sich rassistisch und beleidigend über ihn geäußert. In diesem Verhalten sah er eine Verletzung seines Grundrechts auf individuelle Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG, da seine Listengründung verhindert werden sollte. Das Verlangen der Klägerin zur Abführung von Aufsichtsratstantiemen sei eine Sanktion für die Wahrnehmung seines Grundrechts. Er führte zudem aus, dass die Abführungspflicht in Hinblick auf die durch den Vorstand zu konkretisierende Höhe des Abführungsbetrags unwirksam sei.  Das LG Frankfurt gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

     

    Entscheidung

     

    Der Beklagte sei aufgrund der Satzungsregelung zur anteiligen Abführung seiner Aufsichtsratstantieme verpflichtet.

    Die Abführungspflicht stelle keine synallagmatische Gegenleistung für die Unterstützung bei der Wahl dar. Diese solle vielmehr verhindern, dass sich Kandidaten aufgrund der Vergütung bewerben und gleichzeitig die Mitbestimmung unterstützen, deren Förderung sich die begünstigte Hans Böckler-Stiftung widmet. Darüber hinaus sollen Fehlanreize verhindert werden, da Gewerkschaftsmitglieder, die nicht auf der Liste der Gewerkschaft kandidieren, deutlich besser gestellt wären. Es sei zudem aus Gründen der Gleichbehandlung geboten die Mitglieder der Klägerin bezüglich ihrer Abführungsverpflichtungen gleich zu behandeln.

     

    Etwaiges Fehlverhalten einzelner Gewerkschaftsmitglieder gegenüber dem Beklagten könne der Klägerin nicht zugerechnet werden und nicht zu einer Verwirkung des Anspruchs führen. Die Satzung verstoße auch nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG, da es sich bei der Liste des Beklagten nicht um eine Koalition im Sinne der Norm handele.

     

    Praxishinweis

     

    Bereits im Jahr 2015 hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit den Regelungen der Gewerkschaften zur Abführung der Aufsichtsratstantiemen auseinanderzusetzen und hat diese für rechtmäßig erklärt (BAG, Urt. v. 21.05.2015 - 8 AZR 956/13, NZA 2015, 1319).

     

    Durch das Urteil des OLG Frankfurt, das die Abführungspflicht für Gewerkschaftsmitglieder auch bei unabhängiger Kandidatur bejaht, wird die dualistische Gesellschaftsstruktur weiter geschwächt. Um als Aufsichtsrat seiner Aufgabe, der Überwachung der Geschäftsführung, gerecht zu werden, muss dieser mit Personen besetzt werden, die über entsprechende Qualifikationen verfügen. Während die Gesellschaft die angemessene Vergütung ihrer Aufsichtsratsmitglieder festlegt, wird deren Angemessenheit im Innenverhältnis durch die Gewerkschaften verzerrt. Dadurch entsteht einerseits eine Abschreckung für eine Kandidatur hochqualifizierter Gewerkschaftsmitglieder. Gewerkschaftsmitglieder mit der Absicht, für einen Aufsichtsrat zu kandidieren, müssen sich deshalb eingehend mit der Frage auseinandersetzen, ob sich Aufwand und Nutzen einer solchen Kandidatur verhältnismäßig gegenüberstehen. Durch die Einbeziehung unabhängiger Kandidaturen wird ein solches Missverhältnis noch verstärkt.

     

    Fragen dazu beantwortet Ihnen Oliver Köster gerne.