Denken Gründer eines jungen, innovativen Start-ups darüber nach, sich mit einem Wettbewerber zusammenzuschließen (mergers) oder diesen bei ausreichend Kapital gar aufzukaufen (acquisitions), mag das zunächst nach einem Widerspruch klingen. Schließlich bringt man dieses Thema doch viel eher mit größeren Unternehmen in Verbindung, die kleine Konkurrenten „schlucken" wollen. Aber ist dem wirklich so?
Viele Gründer kommen nach einiger Zeit (oft erst nach mehreren Jahren) an einen Punkt, an dem der zeitliche Aufwand für Bereiche ihres Unternehmens, mit denen sie sich eigentlich gar nicht vertieft auseinandersetzen wollen oder können, unverhältnismäßig hoch geworden ist. Themen wie HR oder Compliance erfordern bei steigernder Mitarbeiterzahl und wachsender Professionalisierung immer mehr Aufmerksamkeit. Ebenso verhält es sich mit der Buchhaltung, die insbesondere am Jahresende nicht mehr so einfach „nebenbei" erledigt werden kann oder der Planung und Ausgestaltung von Sales-Kampagnen. Eigenes Personal für diese Komplexe lohnt sich aber oft noch nicht.
Kommen dann noch fehlende Wachstumsaussichten dazu, z.B. weil der Markt für das eigene Produkt erschöpft scheint oder es an neuen Ideen mangelt, kann es nicht schaden, den Fokus einmal von der Entwicklung nur des eigenes Unternehmens zu lösen.
Da man in der Regel ohnehin die engere Konkurrenz im Blick hat, wird man dann möglicherweise feststellen, dass andere Start-ups oder sogar etablierte mittelständische Unternehmen ganz ähnliche Probleme haben. Kontakte, mit denen man sich über solche Themen austauschen kann, können sich auch auf anderem Wege ergeben, z.B. über spezielle Workshops für Gründer oder kleine bis mittelständische Unternehmen, über einen Inkubator oder über eine Hochschule.
Findet man dort einen Gleichgesinnten, kann die große Chance für beide heißen: Synergien nutzen!
Wie das im Detail aussieht, ist dann eine Sache des konkreten Einzelfalls. Hat ein Start-up z.B. ein System entwickelt, das sich mit vereinfachtem Vertrieb und Austausch von Arzneimitteln in und zwischen Krankenhäusern beschäftigt, gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, Synergien für sich zu nutzen, insbesondere der Zusammenschluss mit einem anderen Start-up, das:
Die Chancen, die sich daraus ergeben, sind zum großen Teil offensichtlich. Neben den Synergieeffekten sind das vor allem die Einbringung neuer Ideen und Persönlichkeiten sowie die Zusammenführung des jeweiligen Knowhows. Gleichzeitig kann der Aufwand für Human Resources, Buchhaltung sowie Sales und Marketing für die Gründer gemindert werden, wenn das neu zusammen entwickelte Unternehmen groß und professionell genug agiert, um für diese Bereiche Fachpersonal einzustellen zu können. Falls es dies bereits gibt, können hier Kosten gespart werden, ebenso wie z.B. bei der Miete der Büroräumlichkeiten, Lagern, etc.
Die Risiken sollten allerdings auch nicht aus dem Auge verloren werden. Zum einen besteht wie bei jeder Entscheidung mit einer solchen Tragweite ein großes wirtschaftliches Risiko für alle Beteiligten. Zum anderen können die Synergieeffekte auch Nachteile mit sich bringen, bspw. nimmt man dem eigenen Start-up die Möglichkeit, aus eigener Kraft ins Ausland zu expandieren, wenn man dort durch den Zusammenschluss bereits vertreten ist.
Auch auf persönlicher Ebene kann es problematisch werden. Unabhängig davon wie professionell die jeweiligen Akteure agieren. Wenn zwei Gründer, die sich jeweils mit dem Gedanken, die eigene Idee zu verwirklichen, zusammenschließen, müssen sie immer Kompromisse eingehen. Das kann im Einzelfall nicht nur anstrengend werden. Es kann dauerhaft für schlechte Stimmung im neuen Unternehmen sorgen und so zum Scheitern der gemeinsamen Anstrengung führen. Dies gilt insbesondere bei einem "gleichberechtigten" Zusammenschluss, weniger beim finanziell sehr aufwendigen Ankauf des anderen Unternehmens.
Entscheidet man sich trotz aller Risiken, sich mit einem anderen Unternehmen in irgendeiner Art zusammenzuschließen, können daraus ungeahnte Potentiale entstehen. Dies zeigten zuletzt nicht nur die bekannten Start-up-Größen Modomoto und Outfittery, die Ende 2019 fusioniert haben und dadurch ihren Umsatz enorm steigern wollen, während sie gleichzeitig viele Kosten, die derzeit doppelt anfallen, einsparen können.
Die Finanzierung dieses Prozesses muss dabei frühzeitig im Auge behalten werden. Selbstverständlich ist das beim „Ankauf" eines Wettbewerbers. Aber auch bei einer reinen Fusion spielt sie eine erhebliche Rolle. Die Kosten für Berater, Ummeldungen, das Abflauen des Tagesgeschäfts während der Transaktionsvorbereitung, etc. können oft nicht allein mit Eigenkapital getragen werden. In diesem Fall benötigt man zur Finanzierung eine Bank oder einen Investor, die beide Unternehmen vorher ausführlich wirtschaftlich überprüfen werden. Nach welchen Maßstäben der Wert der Wettbewerber festgesetzt wird, unterliegt keinen festgesetzten Regeln, was es für Einsteiger schwierig macht, diesen Prozess zu durchdringen. Eine einfache aber ungenaue Methode ist z.B. die Hochrechnung des Umsatzes eines Unternehmens auf mehrere Jahre.
In jedem Fall muss eine Art Ankaufspreis beider Unternehmen bestimmt werden, anhand dessen sich die Anteile der Gründer am späteren Unternehmen bestimmen. Oftmals muss aber auch bereits in diesem Stadium einer der Gründer ausbezahlt werden, wenn er sich von dem Projekt lösen will.
Zur sicheren Abwicklung, die elementarer Grundstein für den Erfolg ist, sollte deswegen einiges dringend beachtet werden:
Um die eingangs aufgeworfene Frage zu beantworten: Ein „logischer nächster Schritt" ist ein Zusammenschluss mehrerer Wettbewerber nicht immer, die Haltung, dies sei „nur für Große" aber noch viel weniger. M&A bietet für ein Start-up schlicht enormes Entwicklungspotential bei nicht zu unterschätzenden Risiken – ebenso wie die Gründung eines Start-ups selbst.
(Rechtsanwältin)