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    07.10.2021

    OLG Frankfurt stärkt Rechte von Vermietern: Gewerbemieter hat vollen Miet- und Pachtzins zu zahlen


    Das OLG Frankfurt am Main hat bereits mit seinem Urteil vom 19.03.2021, Az. 2 U 143/20 entschieden, dass Gewerbemieter auch bei coronabedingten Schließungen den vollen Mietzins zu entrichten haben. Die Entscheidung vom 19.03.2021 haben wir in unserem Beitrag vom 24. März 2021 dargestellt.

     

    Nunmehr erklärte das OLG Frankfurt am Main abermals in zwei Entscheidungen, dass die behördliche Anordnung zur Schließung von Gaststätten weder einen Mangel der Mietsache darstelle noch nach den Gesamtumständen des Einzelfalls ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar mache. Nach Auffassung des OLG sei es jedenfalls nicht Aufgabe der Vermieter bzw. Verpächter, einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten, die durch die COVID-19-Pandemie entstehen, zu tragen.

     

    1. OLG, Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 18/21

     

    a) Sachverhalt

    Die Klägerin ist Mieterin und Betreiberin eines Sushi-Restaurants in Frankfurt am Main. Aufgrund einer coronabedingten Schließungen konnte die Klägerin ihr Restaurant zeitweise von März 2020 bis Mai 2020 nicht betreiben und zahlte infolgedessen eine herabgesetzte Miete. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Feststellung, dass sie aufgrund der behördlichen Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie nur den herabgesetzten Mietzins schuldet. Das Landgericht wies ihre Klage bereits mit der Begründung ab, dass die behördlich angeordnete Schließung keinen Mangel der Mietsache darstelle. Zudem stellte es fest, dass die Voraussetzungen für eine Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorlägen. Lediglich in eng begrenzten Fällen - wie etwa krasser Unbilligkeit - sei es möglich, die Risikoverteilung zwischen den Parteien abzuändern. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, weshalb die vollen Mietzahlungspflichten der Klägerin weiterhin bestanden haben. Mit ihrer Berufung verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren in zweiter Instanz weiter. Jedoch ohne Erfolg, denn das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte das Urteil des Landgerichts.

     

    b) Rechtliche Würdigung

    Das OLG Frankfurt am Main führte aus, die behördliche Schließungsanordnung habe nicht zur Folge, dass die Tauglichkeit der Mieträume aufgehoben oder gemindert sei, so dass die Mietsache weder einen Mangel aufweise noch eine zugesicherte Eigenschaft fehle. Da der Betrieb bzw. die Nutzung betroffen sei, trage der Mieter das Verwendungsrisiko. Insofern seien Mietminderungsansprüche unbegründet.

     

    Die Klägerin könne auch nicht wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen, da es der Klägerin als Mieterin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht unzumutbar sei, weiterhin am unveränderten Mietvertrag festzuhalten.

    Zwar sei die Geschäftsgrundlage aufgrund der coronabedingten Schließungen, die beide Parteien bei Vertragsschluss nicht haben konkret vorhersehen können, schwerwiegend gestört. Allerdings bestünden Zweifel bezüglich der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag für die Klägerin. Erforderlich sei nämlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führe. Die Prüfung sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

     

    Hierbei handele es sich um eine in die Zukunft gerichtete Bewertung der Situation der Parteien. Die alleinige Betrachtung der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen erscheine dabei als unzureichend, da sie in die Vergangenheit gerichtet sei. Aufgrund dessen seien daneben die weiteren konkreten Umstände des jeweiligen Falles heranzuziehen. So hat das OLG betont, dass der jeweilige Mieter auch gehalten sei, mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um durch eine Änderung des bisherigen Geschäftskonzepts Verluste gering zu halten oder alternative Einnahmen zu erwirtschaften, beispielsweise durch Außerhausverkäufe. Auf der anderen Seite seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu berücksichtigen, um die beidseitigen Interessen zu wahren.

     

    Deutlich erklärte das Gericht, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine ganz außergewöhnliche allgemeine gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Notlage des gesamten Staates handele. Wirtschaftlich betrachtet beruhe es vielmehr auf Zufall, welcher Geschäftsbetrieb durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen sei und in welchem Maße. Es sei grundsätzlich Aufgabe der Allgemeinheit, diese spezifischen Lasten einzelner auszugleichen und damit die Lasten in der Gesamtbevölkerung soweit wirtschaftlich möglich anteilig zu tragen. Das Zivilrecht sei dagegen weder dazu berufen noch in der Lage, einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen. Dementsprechend sei es auch nicht ursprüngliche Aufgabe der Vermieter, spezifisch einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten der Pandemie zu tragen.

     

    Schließlich wies das OLG noch darauf hin, dass nicht ersichtlich sei, weshalb der Vermieter an den Folgen der Pandemie für den Mieter teilhaben solle, nicht aber andere Vertragspartner des Mieters. Insofern ist in jedem Fall eine Gesamtbewertung der Situation unter Zugrundelegung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

     

    3. OLG, Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 147/20

     

    Das OLG Frankfurt am Main hat auch in einem weiteren Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 147/20 die Rechte von Vermietern gestärkt. Eine Pächterin hatte ihre Gaststätte in Wiesbaden während der COVID-19-Pandemie geräumt, im März 2020 außerordentlich gekündigt und die Mietzahlungen eingestellt. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen, die Berufung der Verpächterin vor dem OLG Frankfurt am Main hatte allerdings Erfolg.

     

    Zur Begründung führte das OLG aus, dass die pandemiebedingten allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen wie etwa Schließungsmaßnahmen keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Ferner sei durch die Schließungsanordnungen nicht die Gebrauchsgewährungspflicht der Verpächter betroffen. Insofern trage der Pächter weiterhin das Verwendungsrisiko. Es bestehe auch kein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Durch den Eintritt der Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen habe sich diese zwar schwerwiegend verändert. Die Pächterin habe aber nicht dargelegt, dass die Zahlung der Pacht für sie unzumutbar sei.

     

    4. Zusammenfassung

     

    Die Entscheidungen des OLG bestätigen die bisherige (ganz weitgehend) übereinstimmende Rechtsprechung, dass die Anwendung des § 313 BGB zwar grundsätzlich in Betracht komme, der Mieter im Einzelfall aber ganz detailliert zu der Störung der Geschäftsgrundlage vortragen muss. Trägt der Mieter dagegen nicht ausreichend vor, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht zugemutet werden könne, ist davon auszugehen, dass der Mieter weiterhin die volle Miete zu zahlen hat. Denn der Mieter ist grundsätzlich gehalten, ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen und folglich etwa auf Rücklagen zurückzugreifen, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen oder Änderungen des bisherigen Geschäftskonzepts anzudenken.

     

    Besonders positiv für betroffene Vermieter bzw. Verpächter erscheinen die Ausführungen des OLG in seinem Urteil vom 17.09.2021 – 2 U 18/21, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine außergewöhnliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Notlage des gesamten Staates handele. Es sei grundsätzlich Aufgabe der Allgemeinheit, die Lasten der Pandemie auszugleichen und möglich anteilig zu tragen. Das Zivilrecht sei nicht dazu berufen und in der Lage, einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen. Auch sei es nicht Aufgabe der Vermieter bzw. Verpächter, einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten zu tragen. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof die Auffassung des OLG Frankfurt am Main bestätigt.

     

    Die erste Verhandlung des BGH soll im Dezember 2021 stattfinden. Eine rasche Entscheidung ist wünschenswert. Gerne informieren wir Sie über die weiteren Verfahren.

     

    Klaus Beine

    Dr. Angela Kogan