Ihre
Suche

    18.09.2023

    Nicht unerwartet, aber wichtig! BGH-Urteil zu Aufklärungspflichten stärkt Rechte von Immobilien-Erwerbern


    Wie weit gehen die Aufklärungspflichten von Verkäufern bei Immobiliendeals? Dazu hat der BGH jetzt ein Urteil gefällt.

     

    Immobilienverkäufer müssen potenzielle Käufer proaktiv über relevante Fakten informieren und gezielt etwa auf anstehende Sanierungskosten hinweisen. Das gilt auch für Fälle, in denen Unterlagen in einem digitalen Datenraum hinterlegt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Die Karlsruher Richterinnen und Richter des fünften Zivilsenats mit der Vorsitzenden Richterin Bettina Brückner verschärften damit die Aufklärungspflichten der Verkäufer und stärkten die Rechte der Käufer (Urteil vom 15. September 2023, Az. V ZR 77/22).

     

    Die Karlsruher Richter haben damit der bislang üblichen Praxis einiger Verkäufer, sich allein durch eine - bisweilen sehr kurzfristig vor Beurkundung des Kaufvertrags - digitale Offenlegung von Unterlagen von jeglicher Haftung zu befreien, einen Riegel vorgeschoben. Dies könnte über Immobilienverkäufe hinausreichen – auch bei Unternehmenstransaktionen sollten Verkäufer prüfen, welche wesentlichen Umstände und Informationen für die Kaufentscheidung frühzeitig, umfassend und mit explizitem Hinweis zur Verfügung gestellt werden müssen.

     

    Im konkreten Fall hatte die Käuferin mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex - dem Ihme-Zentrum in Hannover - für mehr als 1,5 Millionen Euro erworben. Die Käuferin fühlte sich arglistig getäuscht, weil sie zu spät erfahren habe, dass hohe Kosten für die Sanierung des Gemeinschaftseigentums auf sie zukommen könnten. Die Verkäuferin hatte das maßgebliche Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung erst drei Tage vor Beurkundung des Kaufvertrags in einen digitalen Datenraum gestellt, an einem Freitag, dem letzten Arbeitstag vor der geplanten Beurkundung und ohne weiteren Hinweis etwa per E-Mail. Für die Umlage zur Sanierung am Gemeinschaftseigentum waren bis zu 50 Millionen Euro – also ein Vielfaches des Kaufpreises – angesetzt worden.

     

    Die Käuferin zog vor Gericht. Sowohl vor dem Landgericht Hildesheim als auch dem Oberlandesgericht Celle blieb die Klage ohne Erfolg. Beide Gerichte befanden, dass die Käuferin das Protokoll im Datenraum gelesen und den Erhalt des Protokolls der maßgeblichen Eigentümerversammlung bestätigt habe.

     

    Nicht so der BGH. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter entschieden zu Gunsten der Käuferin, hoben das Urteil weitgehend auf und verwiesen es zur neuen Verhandlung zurück. Die Verkäuferin hätte ungefragt über den Kostenumfang einer Sanierung aufklären müssen, der bei 50 Millionen Euro „zweifelsohne von erheblicher Bedeutung“ sei, so der BGH. Es genüge nicht, das Protokoll kurz vor Beurkundung des Kaufvertrags in den Datenraum einzustellen. Vielmehr hätte die Käuferin darüber hinaus einen ausdrücklichen Hinweis auf die hohen Sanierungskosten erwarten dürfen.

     

    Datenraum allein reicht nicht bei offenbarungspflichtigen Umständen

     

    Die Pflicht zur Aufklärung über offenbarungspflichtige Umstände könne zum Beispiel dann entfallen, wenn bei einer Besichtigung dem Käufer Mängel ins Auge springen oder im Zusammenhang mit Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht werde, so die Vorsitzende Richterin. Dagegen könne ein Verkäufer nicht ohne weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen oder einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen werde.

     

    Der Umstand allein, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und den Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, lässt also nicht stets den Schluss zu, dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird. Vielmehr kommt es im Einzelfall darauf an, wie der Datenraum und der Zugriff auf diesen Bereich strukturiert und organisiert werden.

     

    Kommen Sie bei Fragen auf das ADVANT Beiten Real Estate Team zu.

     

    Dr. Jochen Reuter

    Klaus Beine

     

    Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

    Kein Mieterhöhungsrecht durch Inflation: G…
    LG München: Beschluss vom 17.7.2024 (Az.: 14 S 3692/24)
    Weiterlesen
    ADVANT Beiten berät Gesellschafter von „Fl…
    Frankfurt, 9. September 2024 – Die internationale Wirtschaftskanzlei ADVANT Beit…
    Weiterlesen
    ADVANT Beiten berät Interhyp bei Abschluss…
    München/Frankfurt, 20. August 2024 – Die internationale Wirtschaftskanzlei ADVAN…
    Weiterlesen
    Keine Anpassung der Gewerbemiete wegen wir…
    Mietrecht. Ein Mieter ist nicht zur Anpassung der Gewerbemiete aufgrund von Umsa…
    Weiterlesen
    ADVANT Beiten berät Aesculap bei Veräußerung der TETEC AG an kanadische Octane-Gruppe
    Düsseldorf, 26. Juni 2024 – Die internationale Wirtschaftskanzlei ADVANT Beiten hat die Aesculap AG, ein Tochterunternehmen des B. Braun Konzerns mit Sitz in Melsungen, bei der Veräußerung ihrer Beteiligun…
    Weiterlesen
    Best Lawyers 2025: 76 Juristinnen und Juristen von ADVANT Beiten als beste Anwältinnen und Anwälte für Deutschla…
    Oliver Korte erhält „Lawyer of the Year Award“.Alexander Braun, Christian Burmeister, Moritz Jenne, Tassilo Klesen, Markus Schönherr und Max Stanko als „Ones to watch“ gelistet. Die besten Juristinnen und…
    Weiterlesen
    Verschiedene Nutzungsmodelle für Photovoltaik-Strom auf Mehrfamilienhäusern
    Den Eigentümern von Mehrfamilienhäusern stehen diverse Möglichkeiten zur gewinnbringenden Nutzung von erzeugtem Strom aus Aufdach-Photovoltaikanlagen mit 100 kWp (PV-Strom und PV-Anlagen) zur Verfügung. Wi…
    Weiterlesen
    Bei Doppeltätigkeit muss der Makler umfassend informieren
    BGH, Urteil vom 21.03.2024 – I ZR 185/22 Umfassende Informationspflichten für Makler – wenn beim Verkauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses an einen Verbraucher der Makler für beide Kaufvertragspa…
    Weiterlesen
    Solarpaket I - Weitere Verbesserungen für Solaranlagen
    Wir berichteten zu den wichtigsten Neuerungen des Solarpakets I aus dem Blickwinkel der dezentralen Stromversorgung. Aber auch im Bereich der Projektierung von weiteren Solaranlagen sieht das Solarpaket I …
    Weiterlesen