Ihre
Suche

    20.05.2025

    Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers im Bauvertrag


    Schon lange hadern die Bauwirtschaft und Teile der Lehre mit einer Besonderheit im Zusammenhang mit Bauverträgen, die aufgrund der Struktur des § 642 BGB als gesetzliche Regelung und der gefestigten Rechtsprechung des BGH zu dieser nicht ohne Weiteres zu ändern ist: Der Bauherr, der dem Auftragnehmer für die Erstellung seines Gewerks nicht rechtzeitig eine geeignete Grundlage zur Verfügung stellt (zumeist das mangelfreie Gewerk eines Vorunternehmers), verletzt keine Vertragspflicht, sondern bloß eine Obliegenheit. Die Konsequenz ist, dass der Auftragnehmer keinen Schadensersatz, sondern „nur“ eine Entschädigung nach § 642 BGB verlangen kann, die im Einzelfall nicht alle seine Mehraufwendungen wegen der Verzögerung erfasst.

    Auch der Ansatz, mittels des Instituts der Drittschadensliquidation eine Korrektur dieses als Ungerechtigkeit empfundenen Umstands zu erreichen1, schlägt nach diesseitiger Auffassung fehl.

    Ausgangspunkt ist der Folgende: Der AG als Bauherr realisiert ein Bauprojekt (hier ist vom Einfamilienhaus bis zur großen Industrieanlage alles denkbar, die Grundsätze sind stets dieselben). Er beauftragt einen Werkunternehmer (der Vorunternehmer = VU) mit bestimmten Bauleistungen, die dieser aber nicht rechtzeitig oder mangelhaft erbringt (was im Ergebnis oft das Gleiche ist). Die Folge: Der Auftragnehmer (AN), der mit seinen Leistungen auf dem Gewerk des VU aufsetzen soll, kann nicht loslegen. Er hat aber schon Material, Werkzeug und Personal auf der Baustelle. Jetzt muss er alles vorhalten, was natürlich Geld kostet
    (Pos. 1). Außerdem sind, wenn er dann endlich loslegen kann, möglicherweise die Beschaffungspreise gestiegen, eine ungünstigere Jahreszeit angebrochen oder andere kostentreibende Umstände eingetreten (Pos. 2).

    Für Pos. 1 ist die Rechtslage klar: Durch den Umstand, dass der VU nicht vertragsgemäß geleistet hat, konnte der AG dem AN das Grundstück bzw. seinen Arbeitsbereich nicht rechtzeitig in vertragsgemäßem Zustand zur Verfügung stellen. Ergo hat der AG gegenüber dem AN eine Mitwirkungs-pflicht verletzt und der AN hat hinsichtlich der Pos. 1 gegenüber dem AG einen Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 642 Abs. 1 BGB.

    Nicht erfasst vom Anspruch nach § 642 BGB ist aber Pos. 2, heißt: Mehrkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers anfallen, aber erst nach dessen Beendigung, nämlich dann, wenn der AN die Leistungen nachholt. So sagt es der BGH2.

    Karczewski weist zurecht darauf hin, dass es, um dem AN auch Ersatz für Pos. 2 zu verschaffen, wohl eines Schadensersatzanspruches bedürfe3. Ein solcher erfordert aber immer eine Vertragspflichtverletzung des Anspruchsgegners und hier liegt die Crux: Auch wenn in der Literatur zwar verschiedentlich Abweichendes vertreten wird, ordnet doch die ganz herrschende Meinung und im Übrigen auch die Rechtsprechung die Mitwirkungshandlungen des AG nicht als Vertragspflichten (weder als Haupt- noch als Nebenpflichten) ein, sondern als Obliegenheiten und das in einem ganz umfassenden Sinne:

    Die Einordnung als Obliegenheit soll gelten für die Pflicht des AG, ein baureifes Grundstück zur Verfügung zu stellen, erforderliche Genehmigungen beizubringen, taugliche Pläne zur Verfügung zu stellen, Gewerke zu koordinieren, Bemusterungen vorzunehmen und alle übrigen denkbaren Mitwirkungspflichten auch.

    Eine Obliegenheit sollte der Verpflichtete in seinem eigenen Interesse befolgen, um Nachteile für sich selbst zu vermeiden. Der Vertragspartner kann die Befolgung aber nicht einklagen und er hat im Falle der Nichtbefolgung insbesondere keinen Anspruch auf Schadensersatz.

    Der Streit um die Frage, ob die Mitwirkungspflichten als bloße Obliegenheit oder als echte Vertrags(neben-)pflicht einzuordnen sind, ist reich an Wendungen und Argumenten (oft semantischer Natur). Im Ergebnis spricht sich ein Großteil der Literatur für eine Einordnung als Obliegenheit aus, vor allem tut dies aber der BGH4.

    Der Befund, dass der AN seine Pos. 2 – Kosten nicht gegenüber dem AG geltend machen kann (und mangels vertraglicher Beziehung auch nicht gegenüber dem VU) und dass der AG (theoretisch) einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem VU hätte, selbst aber in Bezug auf die Pos. 2 – Kosten nicht durch eine Inanspruchnahme seitens des AN belastet ist, führt Karczewski zu der Überlegung, ob nicht ein (bislang nicht bekannter und anerkannter) Fall einer Drittschadensliquidation vorliegen könnte.

    Bei Betrachtung der Rechtsfolgen erscheint die Idee attraktiv: Die (gefühlte) Verkürzung der Rechtsposition des AN würde durch eine Abtretung eines geeigneten Schadensersatzanspruchs gegen den VU vom AG kompensiert.

    Die Drittschadensliquidation setzt aber eine zufällige Schadenverlagerung voraus, eine vergleichbare Interessenlage wie in den anerkannten Fallgruppen der Drittschadensliquidation und die Vermeidung einer unbilligen Entlastung des Schädigers.

    Maßgeblich erscheint die Betrachtung von zwei Entscheidungen des BGH zu diesem Thema: Jener vom 27. Juni 19855 und jener vom 21. Oktober 19996. In der erstgenannten Entscheidung hatte der BGH noch geurteilt, dass das Zurverfügungstellen einer ordnungsgemäßen Vorunternehmerleistung weder vertragliche Pflicht noch Obliegenheit des AG gegenüber dem AN sei. Infolgedessen bestehe auch kein Raum für einen Anspruch aus § 642 BGB und es sei insbesondere auch für eine Drittschadensliquidation kein Raum, weil „der Nachfolgeunternehmer nicht Träger des durch den Vertrag zwischen Bauherrn und Vorunternehmer geschützten Interesses [sei]“7. Er trete nicht aufgrund besonderer Umstände als Geschädigter an die Stelle des Auftraggebers als eigentlichen Anspruchsberechtigten.

    Durch das Urteil vom 21. Oktober 1999 ist es zu einer teilweisen Abkehr von diesen Feststellungen gekommen. Der BGH erkennt in diesem Fall eine Obliegenheitsverletzung nach § 642 BGB für den Fall einer mangelhaften Vorunternehmerleistung an, lehnt eine echte Vertragspflichtverletzung des AG gegenüber dem AN aber weiterhin ausdrücklich ab8.

    Daraus folgt aber, dass die Argumentation des BGH in seinem Urteil vom 27. Juni 1985 insoweit weiterhin Bestand hat, als es um Schadenspositionen des AN geht, die über den Umfang der Ersatzpflicht für eine Obliegenheitsverletzung hinausgehen und eine echte vertragliche Pflichtverletzung erfordern. Demnach kann nach der Rechtsprechung des BGH in diesen Fällen (weiterhin) für eine Drittschadensliquidation kein Raum sein.

    Wollen die Parteien des Bauvertrags im Einzelfall ein anderes Ergebnis, müssen sie den Vertrag so gestalten, dass der AG für die ordnungsgemäßen Vorunternehmerleistungen einstehen will, was möglich ist, wie der BGH immer wieder betont hat. Ob für den AN hierdurch viel gewonnen ist, ist eine andere Frage: Die Geltendmachung erfordert in den allermeisten Fällen eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung zur schlüssigen Darstellung der erlittenen Schäden (worauf auch Karczewski zurecht hinweist). Die Hürden für die Geltendmachung und den Nachweis solcher Schäden sind sehr, sehr hoch. Ein Umstand, an dem es auch dringend etwas zu ändern gälte.

    Dr. Philipp Pröbsting

    [1] Karczewski, NZBau 2025, 154.
    [2] BGH, VU vom 26.10.2017, VII ZR 16/17, NZBau 2018, 25.
    [3] Karczewski, a.a.O.
    [4] BGH, Urteil vom 27.11.2008, VII ZR 206/06, NZBau 2009, 185.
    [5] BGH, Urteil vom 27.06.1985, VII ZR 23/84, NJW 1985, 2475.
    [6] BGH, Urteil vom 21.10.1999, VII ZR 185/98, NJW 2000, 1336.
    [7] BGH, Urteil vom 27.06.1985, a.a.O.
    [8] BGH, Urteil vom 21.10.1999, a.a.O.

    Vom Schriftformerfordernis zur Textform bei Gewerberaummietverträgen: (K)eine „Erleichterung“ für Transaktionsparteien?!
    Durch das Inkrafttreten des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) genüg…
    Weiterlesen
    Ersatzanspruch des Errichters eines Gebäudes bei Errichtung auf einem fremden Grundstück und damit einhergehender grundlegender Veränderung des Grundstücks
    Die Bedeutung der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Verwendung…
    Weiterlesen
    Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek
    Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 245/23 Sachverhalt/Pro…
    Weiterlesen
    Sicherheitsleistung des AN: Unwirksame Sicherungsabrede durch Verknüpfung mit Abnahmevoraussetzungen
    OLG Stuttgart, Urteil vom 25. April .2024 - 13 U 97/23; BGH, Beschluss vom 15. J…
    Weiterlesen
    Ersatzfähige Schäden bei Verzug mit der Mietsicherheit – Baufinanzierung nicht geschützt
    Oberlandesgericht Schleswig, Urteil vom 27.11.2024 – 12 U 34/23 Einleitung Ein…
    Weiterlesen
    Sondervermögen Infrastruktur: Chancen für den Schulbau, Herausforderungen für die öffentliche Hand
    Mit dem jüngst beschlossenen Sondervermögen stehen in den kommenden Jahren EUR 5…
    Weiterlesen
    Frühjahrsgutachten 2025: Herausforderungen und Perspektiven für die Immobilienwirtschaft
    Das vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) initiierte Frühjahrsgutachten ist s…
    Weiterlesen
    Real Estate Düsseldorf: ADVANT Beiten gewinnt vierköpfiges Team mit Partner Dr. Philipp Pröbsting von PWC Legal
    Düsseldorf, 19. Dezember 2024 – Die internationale Wirtschaftskanzlei ADVANT Bei…
    Weiterlesen
    Textform ersetzt Schriftform in Gewerberaummietverträgen – Änderungen durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz
    Einleitung Im Rahmen unseres Newsletters vom Februar 2024 informierten wir Sie …
    Weiterlesen