Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Februar 2019 – V ZR 176/17
Eine Wohnungsbaugesellschaft hatte 1995 von einer Stadt ein Grundstück gekauft, das mit Sozialwohnungen bebaut werden sollte. Die Kommune gewährte hierfür im Rahmen des sogenannten dritten Förderwegs (vereinbarte Förderung) nach § 88d des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (2. WoBauG) der Gesellschaft ein zinsgünstiges Darlehen. Im Gegenzug hatte sich die Gesellschaft verpflichtet, der Stadt Belegungsrechte zu gewähren. In der Vereinbarung war vorgesehen, dass die Wohnungen mit einer „zeitlich unbefristeten Zweckbestimmung“ an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen zu vermieten sind. Zur Absicherung der Belegungsrechte wurde im Grundbuch zugunsten der Stadt eine unbefristete beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen. Die Wohnungen waren ab 1996 fertiggestellt. Die Immobilie wurde verkauft und der Erwerber übernahm die Verpflichtungen der Wohnungsbaugesellschaft gegenüber der Stadt.
Im Jahre 2016 reichte der Erwerber Klage ein und wollte feststellen lassen, dass die Wohnungen ab 2016 frei und ohne Beachtung von Belegungsrechten vermietet werden dürfe. Außerdem wollte er feststellen lassen, dass die Stadt die Löschung der Dienstbarkeit bewilligen müsse. Das Landgericht Hannover und das Oberlandesgericht Celle wiesen die Klage ab.
Der Bundesgerichtshof stellte zunächst in Übereinstimmung mit den vorherigen Instanzen fest, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur Sicherung von Belegungsrechten zeitlich unbefristet bestellt werden kann, jedenfalls dann, wenn sie zugunsten einer juristischen Person, hier der Kommune, bestellt worden sei. Gleichwohl hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichtes auf, weil es in einem wesentlichen Punkt nicht richtig sei:
Das OLG war der Ansicht, dass die schuldrechtliche Vereinbarung, die Grundlage der Dienstbarkeit war, ebenfalls wirksam sei und der Kläger von der Wohnungsbaugesellschaft eine zeitlich unbefristete Verpflichtung zur Einräumung von Belegungsrechten übernommen habe.
Demgegenüber ist der BGH der Ansicht, dass eine solche unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung gemäß § 134 BGB – Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot – unwirksam sei. Die gesetzlichen Bestimmungen des 2. WoBauG zur vereinbarten Förderung sähen keine zeitlich unbefristeten Belegungsrechte vor. Die Belegungsrechte sollten grundsätzlich nicht länger als für 15 Jahre vereinbart werden. In Ausnahmefällen lasse das Gesetz eine längere Bindung zu, was aber auch bedeute, dass eben keine unbefristete Bindung vereinbart werden dürfe. Insbesondere die Bereitstellung von Bauland durch eine Kommune könne eine längere Bindung als 15 Jahre rechtfertigen, aber eben keine unbefristete Bindung.
Der Bundesgerichtshof kam zu dem weiteren Ergebnis, dass die Unwirksamkeit der unbefristeten Wohnungsbindung nicht dazu führe, dass die gesamte Vereinbarung nichtig sei. Vielmehr sei nach dem Willen der Parteien davon auszugehen, dass die sonstigen Vereinbarungen weiter Bestand haben sollten. Die Stadt hätte aufgrund kommunalrechtlicher Vorgaben das Grundstück und das Darlehen nur gegen Einräumung von Belegungsrechten verkaufen und gewähren dürfen. Anhaltspunkte dafür, dass der damalige Käufer eine befristete Klausel nicht akzeptiert hätte, konnte der BGH nicht finden.
In der Sache selbst konnte der BGH nicht abschließend entscheiden, weil das OLG Celle bislang keine Feststellungen dazu getroffen hatte, welchen Zeitraum die Parteien denn vereinbart hätten, wenn das Gericht von der Unwirksamkeit der unbefristeten Belegungsbindung ausgegangen wäre. Der BGH verwies den Fall daher zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück.
Gleichwohl hat der BGH dem OLG für die weiteren Entscheidung Hinweise erteilt. Da nach Ansicht des BGH das geförderte Darlehen einen Ausgleich für den Verzicht auf eine profitable Vermietung zur Marktmiete darstelle, sei davon auszugehen, dass die Belegungsrechte solange gelten sollten, wie der vergünstigte Kredit lief. Im konkreten Fall sah der Darlehensvertrag vor, dass 35 Jahre lang überhaupt keine Zinsen erhoben werden. Nach 35 Jahren sollte der Zinssatz vier Prozent betragen. Nach Ansicht des BGH könne es durchaus so gewesen sein, dass die Parteien des Darlehensvertrages bei Abschluss davon ausgingen, dass auch noch ein Zinssatz von vier Prozent nach 35 Jahren als Subvention gedacht war. Denkbar sei danach auch eine Belegungsbindung von mehr als 35 Jahren.
Der BGH hat dann aber auch erkannt, dass aufgrund der aktuellen Zinsentwicklung inzwischen ein Zinssatz von vier Prozent ungünstig sein könne. Dies habe nach Ansicht des BGH zur Folge, dass die Kommune im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtet sein könne, der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Ablauf der zinslosen Phase von 35 Jahren zuzustimmen.
Bei geförderten Immobilien sind häufig in der zweiten Abteilung des Grundbuches Belegungsrechte zugunsten der öffentlichen Hand eingetragen. Diesen dinglichen Rechten liegen entsprechende vertragliche Vereinbarungen, meist Darlehensverträge und weitere Absprachen, zugrunde, die zwischen dem Fördergeber und dem Grundstückseigentümer getroffen wurden. Dinglich abgesicherte Belegungsrechte haben erheblichen Einfluss auf die Vermietbarkeit und den Wert der betreffenden Immobilie, insbesondere wenn diese verkauft werden soll. Diese Rechte müssen vom Käufer in der Regel übernommen werden, weil sie nur mit Zustimmung des Berechtigten gelöscht werden.
Die Entscheidung des BGH gibt Anlass, die Vereinbarungen zwischen dem Fördermittelgeber und dem damaligen Grundstückseigentümer / Bauherrn zu überprüfen. Sollten hier unbefristete Belegungsrechte vereinbart worden sein, empfiehlt es sich weiterhin zu überprüfen, ob der jetzige Eigentümer nicht einen Anspruch auf Löschung der Dienstbarkeit hat. Ein solcher Anspruch kann sich dann ergeben, wenn die genaue Überprüfung der schuldrechtlichen Vereinbarung ergibt, dass die damals gewährte Subvention „verbraucht“ ist, weil die Laufzeit bereits abgelaufen ist oder demnächst abläuft. Angesichts des derzeit geringen Zinsniveaus kann ein Anspruch gegen die Kommune auf Zustimmung zur vorzeitigen Rückführung bestehen, wenn die Laufzeit demnächst abläuft. In jedem Fall gilt: Wenn die für die gewährte Subvention vereinbarte Dauer abgelaufen ist, kann auch eine Löschung der Dienstbarkeit durchgesetzt werden, weil dann der Rechtsgrund für die Eintragung im Grundbuch entfällt und die Kommune daher dieses dingliche Recht freigeben muss.
Fragen zu diesem Thema beantwortet Ihnen Dr. Klaus Kemen gerne.