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    10.09.2024

    Kein Mieterhöhungsrecht durch Inflation: Gericht setzt klare Grenzen für Stichtagszuschlag über Mietspiegel hinaus


    LG München: Beschluss vom 17.7.2024 (Az.: 14 S 3692/24)

    Leitsatz

    Vermieter können eine Mieterhöhung über die Werte des Mietspiegels hinaus nicht damit begründen, dass die Inflation angestiegen und somit ein sogenannter „Stichtagszuschlag“ angemessen ist.

    Der Fall

    Die Parteien streiten über die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Die (Berufungs-)Klägerin wollte die Miete erhöhen. Wegen der hohen Inflation forderte sie dabei einen Zuschlag zu den Mietwerten des Mietspiegels 2023, da ihrer Meinung nach eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete vorliege, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung des Mietspiegels und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingetreten sei. Sie vertrat insbesondere die Ansicht, in Zeiten hoher Inflation sei die Berücksichtigung einer sogenannten „Stichtagsdifferenz“ sachgerecht und forderte deshalb einen Zuschlag zu den Werten der Miete des Mietspiegels 2023. Mit einer „Stichtagsdifferenz“ ist ein Zuschlag auf die im Mietspiegel ausgewiesenen Mietwerte zu einem bestimmten Stichtag gemeint.

    Die Folgen

    Das Amtsgericht München hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht München I teilte die Auffassung des Erstgerichts. Es argumentierte, dass eine „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ über den Mietspiegel hinaus nicht mit dem Anstieg des Verbraucherpreisindex begründen lässt. Dem Verbraucherpreisindex könne für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und erst recht für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichs-miete keine belastbare Aussage entnommen werden. Denn beim Berechnen des Verbraucherpreisindex bzw. der Inflationsrate werde ein sogenannter Warenkorb verwendet, der rund 700 Güterarten umfasst und sämtliche von privaten Haushalten in Deutschland gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentiert.

    Zudem warnt das Gericht vor erheblichen Rechtsunsicherheiten, würde man im Mietrecht eine solche „Stichtagspraxis“ einführen. Gerade in angespannten Mietmärkten wie München wäre die Befriedungsfunktion des Mietspiegels gefährdet, da auch qualifizierte Mietspiegel stets und ausschließlich Daten enthalten werden, die in der Vergangenheit erhoben wurden.

    Ferner führt das LG aus, das gar keine „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ vorgelegen habe. Das AG München habe dies – zutreffend – auch damit begründet, dass ein Anstieg nach dem Index für Nettokaltmieten in Bayern von nur wenig mehr als drei Prozent keinen „außergewöhnlichen Mietanstieg“ bedeute.

    Nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2017 komme zwar den Gerichten bei der Beurteilung eines Mieterhöhungsverlangens in Fällen, in denen zwischen dem Erhebungsstichtag eines Mietspiegels und dem Zugang des Zustimmungsverlangens nachträglich „ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete“ festzustellen sind, ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Gericht auch grundsätzlich auch befugt sei, einen Stichtagszuschlag vorzunehmen, wenn dies dem Gericht zur Bildung einer sachgerechten Einzelvergleichsmiete angemessen erscheint. Dieser Beurteilungsspielraum wurde hier nach Auffassung des Gerichts eingehalten und eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete wurde zutreffend verneint.

    Auf den Hinweisbeschluss der 14. Zivilkammer gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, wonach die Entscheidung des Erstgerichts zutreffend ist, wurde die Berufung zurückgenommen.

    Was ist zu tun?

    Gerade in angespannten Mietmärkten wie München ist dieser Beschluss von großer Bedeutung. Das LG München hat mit dem vorliegenden Hinweisbeschluss dem aktuellen Thema „Stichtagszuschlag“ deutliche Grenzen gesetzt. Hierbei handelt sich weiterhin um Einzelfallentscheidungen und ein Richter kann zwar im Rahmen des ihm nach §§ 286 f. ZPO zustehenden weiten Beurteilungsspielraums bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete einen Stichtagszuschlag feststellen, wenn das Datenmaterial des verwendeten Mietspiegels nicht mehr aktuell ist und/oder ein starker Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete aus anderen Gründen festgestellt werden kann. Die Inflation an sich ist allerdings kein Argument für eine Mieterhöhung, die über die Werte eines Mietspiegels hinausgeht.

    Anja Fischer

    Der Text ist in gekürzter Fassung in der IZ Immobilien Zeitung erschienen.