Jetzt steht fest, wer sich künftig um die „Baustelle" Immobilienwirtschaft kümmern wird: Klara Geywitz, die künftige Bauministerin, wurde bundesweit bekannt, als die SPD vor drei Jahren neue Parteivorsitzende suchte. Die ostdeutsche Politikerin, 1976 in Potsdam geboren, gehörte viele Jahre dem Landtag in Brandenburg an. Gemeinsam mit Olaf Scholz bewarb sie sich 2019 um den Parteivorsitz, kam mit ihm zusammen in die Stichwahl. In der Mitgliederbefragung landet das Duo auf Platz zwei. Sie wurde in der Folge zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Gleichstellung und Parität wurden zu ihren großen Themen.
Im künftigen neuen Bauministerium erwarten sie große Aufgaben, die im Koalitionsvertrag formuliert sind. Dabei geht es vor allem darum, bundespolitische Ziele in Landespolitik und Kommunalpolitik zu übersetzen. Die Zusatzkosten der Klimaziele allein den Immobilieneigentümern aufzubürden kann nicht die Lösung sein. Ohne deren Investitionsbereitschaft wären die Neubau-Pläne der Ampel schnell Makulatur. Der Koalitionsvertrag enthält einige Passagen, die für private Investoren Alarmzeichen sein werden, wenngleich im Vertrag steht: Nach Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit soll mit staatlichen Maßnahmen die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzt werden, „ohne diese zu benachteiligen".
Geywitz arbeitete unter anderem als Referentin für SPD-Landtagsabgeordnete, bevor sie 2004 selbst Abgeordnete wurde und dreimal nacheinander ihren Wahlkreis Potsdam 1 gewann. Seit 1998 war sie außerdem Mitglied des Stadtparlaments in Potsdam, gab das Mandat mit Verweis auf ihre Pflichten als Landtagsabgeordnete später ab.
2.1 Wohnen
„Wohnen ist ein Grundbedürfnis“, heißt es zu Beginn der Passage zu Geywitz‘ künftigem Bereich Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik im Koalitionsvertrag. „Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten. Dabei haben wir die Vielfalt der Rahmenbedingungen und Wohnformen und individuellen Bedürfnisse der Menschen in ländlichen und urbanen Räumen im Blick.“
Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Dafür soll die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung mit erhöhten Mitteln fortgeführt werden.
Ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ soll alle wichtige Akteuren einschließen. Eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen ist zeitnah angekündigt. Neue Dynamik beim Bau und dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums stehen im Vertrag der Koalition. Nach Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit soll die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzt werden, ohne diese zu benachteiligen.
Ein Bund-Länderprogramm soll es für studentisches Wohnen, für junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende geben. Neben der langfristigen Planungsperspektive für die Bau- und Immobilienwirtschaft soll es auch mehr Sicherheit für Mieter geben.
Angekündigt ist – ohne weitere Details dazu - ein „Bau-, Wohnkosten und Klimacheck“. Kommunen sollen dabei unterstützt werden, Potenzialflächenregister einzuführen.
Die Arbeit der Baukostensenkungskommission soll im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum" fortgeführt werden.
Alle nicht bahnnotwendigen Immobilien des Bundeseisenbahnvermögens werden in die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) eingegliedert, die BImA wird neu auf bau-, wohnungs-, stadtentwicklungspolitische und ökologischen Ziele ausgerichtet. Dabei soll die BImA mehr Freiheiten haben, auch bei der Aufnahme von Krediten. Die BImA soll künftig selbst investieren und bauen sowie weiterhin kommunales Bauen unterstützen können. Deshalb wird die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb der Bundesbauten und Bundesliegenschaften bei der BImA konzentriert. Für verschiedene Zwecke – wie etwa altersgerechtes Wohnen - werden die Mittel für das KfW Programm aufgestockt. Dazu wird das KfW Programm zum Kauf von Genossenschaftsanteilen gestärkt.
2.2 Digitalisierung und Vereinfachung
Serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung sollen die Kosten für den Wohnungsbau senken. Die Koalition will modulares und serielles Bauen und Sanieren durch Typengenehmigungen beschleunigen. Prozesse der Normung und Standardisierung sollen so angepasst werden, dass Bauen günstiger wird.
Bau- und Immobilienwirtschaft sowie alle Ebenen der Verwaltung sollen bei der Digitalisierung begleitet werden, um Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen. Der Bundesbau soll Vorbild werden bei der Digitalisierung.
Eine Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) hat das Ziel, dessen Instrumente besser anwenden zu können. Klimaschutz und -anpassung, Gemeinwohlorientierung, mehr Bauflächen und mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren sind angestrebt. Regelungen im Baulandmobilisierungsgesetz zu dem Komplex werden entfristet und rechtliche Grundlagen für eine vollständige Digitalisierung der Bauleitplanverfahren geschaffen.
Überprüft wird, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.
2.3 Klimaschutz im Gebäudebereich
Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms führt die Koalition 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau ein, das die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche fokussiert, Geändert wird das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wie folgt: Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen. Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der THG-Emissionsreduzierung folgende Maßnahmen eingesetzt werden.
Die mit der Wohnungswirtschaft begonnene Innovationspartnerschaft wird wieder aufgegriffen. Angehoben wird die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen, von zwei auf drei Prozent.
Um eine wirtschaftlich effiziente, sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele sicherzustellen, setzt die Koalition auf mehr als eine Maßnahme; es sind dies: die Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude sowie Quartierslösungen. Die Förderprogramme werden den Zielen und Bedarfen entsprechend weiterentwickelt bzw. umgeschichtet. Neue Grundlagen werden geschaffen, um den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können. Dazu führt die Koalition u. a. einen digitalen Gebäuderessourcenpass ein.
In den Verhandlungen über das EU-Programm „Fit for 55“ unterstützt die „Ampel“ die Vorschläge der EU-Kommission im Gebäudesektor. Geprüft wird ein schneller Umstieg auf die Teilwarmmiete – genannt wird dabei eine „faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits“.
Zum 1. Juni 2022 soll ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, würden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.
„Serielles Sanieren“ ist ein weiteres Ziel, dafür soll das Förderprogramm innerhalb der BEG ausgeweitet werden. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ werden serielles und modulares Bauen und Sanieren z. B. nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip weiterentwickelt. „Verbessern, vereinheitlichen und digitalisieren“, heißt mit Blick auf den Gebäudeenergieausweis.
Wie viele andere Punkte wird auch die Erstellung eines digitalen Gebäudeenergiekatasters geprüft.
2.4 Schutz der Mieterinnen und Mieter
Derzeit - solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden - verhindere die Wohnraumknappheit vor allem in Ballungsgebieten, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden könnten. Daher sollen geltende Mieterschutzregelungen verlängert werden. In angespannten Märkten wird die Kappungsgrenze auf elf Prozent in drei Jahren abgesenkt. Die Mietpreisbremse wird ausgedehnt bis zum Jahr 2029. Zur Berechnung der Mietspiegel sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden.
Für Gemeinden über 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern werden qualifizierte Mietspiegel verpflichtend.
2.5 Wohneigentum
Mehr Menschen in Deutschland sollen im selbstgenutzten Eigentum wohnen können. Die Hürden beim Eigentumserwerb sollen durch eigenkapitalersetzende Darlehen gesenkt werden, und Schwellenhaushalte sollen langfristig z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützt werden.
Für Länder soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z. B. durch einen Freibetrag möglich werden, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung wird das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen genannt (Share Deals).
Die illegale Finanzierung von Immobilien soll eingedämmt werden. Dazu gehört der Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland, bei jeglichem Immobilienerwerb in Deutschland, und ein Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld. Im Grundbuch wird eine ladungsfähige Anschrift bei Änderungen verpflichtend.
Der echte Sachkundenachweis für Makler, Miet- und WEG-Verwalter soll kommen.
2.6 Städtebau
Die Senkung der THG-Emissionen und Klimaanpassung sind zentrale Bestandteile der Städtebauförderung. Weitere Stichpunkte: Smart-City-Stufenplan weiterentwickeln, BIM Deutschland stärken, Smart-City-Kompetenzzentrum einrichten.
Die TA Lärm wird an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten angepasst.
Die Honorarordnung für Architekten (HOAI) soll reformiert werden.
Im Fokus stehen auch Prävention und Bewältigung von Starkregenereignissen und derAnpassung an den Klimawandel.
Das Nachhaltigkeitsziel der Bundesrepublik beim Flächenverbrauch wird mit konkreten
Maßnahmen hinterlegt. Die Regelung des § 13b BauGB wird nicht verlängert.
Die Ziele sind ambitioniert: Unter anderem 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, das bezahlbare Bauen und Wohnen und der Ausbau der Digitalisierung. Über allem stehen die Klimaschutzziele und die ESG-Kriterien, bei deren Erreichung der Gebäudesektor eine maßgebliche Rolle spielt.
Die Instrumente und Maßnahmen der Ampelkoalition mit der Schaffung eines eigenen
Bauministeriums zeigen: Baupolitik soll kein Anhängsel mehr sein. Viele Vorhaben sind überfällig: Darunter die Standardisierung von BIM-Verfahren, die beabsichtigte Entbürokratisierung, die Fortsetzung des Projektförderprogramms zur Zukunft der Innenstädte und dessen Integration in die Städtebauförderung sowie das serielle Bauen/Sanieren.
Doch nicht alle Pläne sind geeignet, um die Ziele zu erreichen. Die Verlängerung der Mietpreisbremse, die Senkung der Kappungsgrenze, der Sieben-Jahres-Mietspiegel und die Erhöhung der Neubaustandards zum 1. Januar 2025 auf EH40-Niveau, diese Maßnahmen sind abträglich im Sinne einer wirtschafts- und sozialverträglichen Wohnungs-, Bau- und Klimaschutzpolitik. Es entstehen neue Unsicherheiten, Fragen und hoher Beratungsbedarf für alle Marktteilnehmer, nicht zuletzt für Investoren, die mit Hinweisen im Koalitionsvertrag zu Share Deals und Geldwäsche pauschal in ein schlechtes Licht gerückt werden.