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    21.06.2023

    Bundesgerichtshof zur Formerfordernis beim elektronischen Vollstreckungsanträgen in Justizbeitreibungssachen


    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 6. April 2023 – I ZB 84/22 über eine Rechtsbeschwerde entschieden, welche insbesondere das Formerfordernis von Vollstreckungsanträgen in Justizbeitreibungssachen zum Gegenstand hat. Dem Rechtstreit liegt die Zwangsvollstreckung wegen Gerichtskostenforderungen zugrunde.

     

    Der Gläubiger, eine zentrale Vollstreckungsstelle, betreibt die Zwangsvollstreckung wegen Gerichtskostenforderungen. Den Antrag des Gläubigers dem Schuldner eine Vermögensauskunft abzunehmen, lehnte der Gerichtsvollzieher ab. Es fehle eine qualifizierte elektronische Signatur und das Vollstreckungsersuchen hätte zusätzlich mit Unterschrift und Dienstsiegel in Papierform eingereicht werden müssen. Der Antrag des Gläubigers schließt mit einem Namen und einem maschinell aufgedruckten Siegel des Gläubigers. Er wurde über ein elektronisches Behördenpostfach an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts zur Weiterleitung an den zuständigen Gerichtsvollzieher übermittelt.

     

    Die Erinnerung des Gläubigers gegen die Ablehnung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Gläubiger sofortige Beschwerde. Diese war vor dem Landgericht ebenfalls nicht erfolgreich. Das Landgericht nahm an, dass zwar die Vorgaben von § 130a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO erfüllt seien und der Gläubiger den Vollstreckungsantrag ordnungsgemäß elektronisch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht habe, aber weiter materielle Anforderungen nicht erfüllt seien. Insbesondere müsse erkennbar sein, welche identifizierbare Einzelperson Verantwortung für den Vollstreckungsauftrag übernehme. Ohne qualifizierte Signatur sei eine solche spezifische Zuordnung nicht möglich.

     

    Der BGH wies in seinem Beschluss auch auf rechtliche Einschätzungen hinsichtlich der Form der Antragsstellung hin. Für die Einreichung von Anträgen und Erklärungen beim Gerichtsvollzieher sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 4 Satz 1, 2 ZPO die elektronische Form des § 130a ZPO ausreichend. Zudem seien Behörden nach § 753 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 130d Satz 1 ZPO schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronische Dokumente zu übermitteln.

     

    Nach der Rechtsprechung des ersten Senats des Bundesgerichtshofs vor Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs müsse ein Antrag zur Beitreibung von Gerichtskosten, welcher einen schriftlichen Schuldtitel ersetze, schriftlich gestellt werden. Der BGH stellte nun fest, dass diese Anforderungen auf einen elektronisch eingereichten Vollstreckungsantrag nicht übertragbar seien. Die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens der verantworteten Person genüge. Das Beschwerdegericht müsse nun feststellen, ob die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO erfolgte. Dafür maßgeblich sei die Bestätigung der berechtigten Person durch einen vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis.

     

    Die formellen Anforderungen an einen den Schuldtitel ersetzenden Vollstreckungsantrag nach dem Justizbeitreibungsgesetz seinen in § 130a ZPO in Verbindung mit § 753 Abs. 4 Satz 2 ZPO abschließend geregelt. Zudem bedürfe es keiner zusätzlichen Einreichung in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel. Dies würde ansonsten die Pflicht zur elektronischen Einreichung nach § 753 Abs. 5, § 130d ZPO unterlaufen. Dies entspreche auch dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung durch die Einführung der elektronischen Einreichung der Vollstreckungsanträge durch die Vollstreckungsbehörden.

     

    Es genüge eine einfache Signatur. Eine qualifiziert elektronische Signatur sei nicht notwendig. Dies folge aus der Gleichstellung der einfachen Signatur mit sicherem Übermittlungsweg und der qualifizierten Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der sichere Übermittlungsweg garantiere, dass keine nicht zur Behörde gehörenden Personen fingierte Vollstreckungsanträge einreichen. Die damit verbundene Unmöglichkeit der zweifelsfreien Zuordnung einer versandten Mitteilung aus einem nicht personalisierten Behördenpostfach stehe der Gleichstellung nicht entgegen. Insoweit reichten die Regelungen zum Zugang durch natürliche Personen und die dementsprechende Dokumentation der Zugangsberechtigten nach § 8 Abs. 2, 4 ERVV aus, um eine Zuordnung nach außen und innerhalb der Behörde ausreichend zu gewährleisten.

     

    Eines aufgedruckten Dienstsiegels bedürfe es ebenfalls nicht. Insoweit verweise gerade § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG nicht auf die §§ 724, 725 ZPO. Diese Regelungen zu vollstreckbaren Ausfertigungen eines Urteils fänden keine Anwendung. Es müssten allein die Voraussetzungen von § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO erfüllt seien.

     

    Der erste Senat des Bundesgerichtshofs trägt mit dieser Entscheidung zur erweiterten Rechtssicherheit im elektronischen Rechtsverkehr bei. Besonders zu begrüßen ist, dass Verwaltungsverfahren beschleunigt und Ressourcen geschont werden.

     

    Tobias Pörnbacher

    Christina Weinzierl

     

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