Im Zuge der weiterhin andauernden Covid-19-Pandemie besteht insbesondere für viele Mieter das Bedürfnis, laufende Mietverträge zu beenden. Wie der obige Beitrag in diesem Newsletter zeigt, ist es für Mieter häufig sehr schwierig rechtlich eine Anpassung der Miethöhe aufgrund von Nutzungshindernissen durch die Covid-19-Pandemie zu erwirken, selbst wenn der Mieter von konkreten Maßnahmen, wie z. B. Schließungsanordnungen in der Gastronomie oder im Einzelhandel, betroffen ist. Die rechtlichen Instrumente, insbesondere der Wegfall der Geschäftsgrundlage, helfen voraussichtlich nicht weiter, wenn ein Mieter von indirekten Umsatzausfällen außerhalb von Schließungsanordnungen betroffen ist. Auch Mieter von Büroräumlichkeiten haben ggf. das Bedürfnis, ihre Mietverträge anzupassen, insbesondere aufgrund der nunmehr beschleunigten Veränderungen der Arbeitswelt und im Hinblick auf eine höhere Akzeptanz des Homeoffices.
Kann auf einvernehmlichem Wege mit dem Vermieter keine Lösung gefunden werden ist ggf. eine Kündigung von Mietverhältnissen in Betracht zu ziehen. Hier steht häufig eine vereinbarte Festlaufzeit entgegen. Eine Verfehlung des Schriftformerfordernisses von Mietverträgen mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr gemäß §§ 578, 550 BGB könnte ein „Hebel“ sein, um sich von einem Mietvertrag vorzeitig zu lösen.
§ 550 BGB bestimmt, dass Mietverträge, die eine Festlaufzeit von mehr als einem Jahr aufweisen, der Schriftform bedürfen. Wird die Schriftform nicht eingehalten, ist der entsprechende Mietvertrag nicht etwa unwirksam, sondern der Mietvertrag ist unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsregelungen kündbar. Hierdurch könnte die Möglichkeit für Mietvertragsparteien entstehen, Mietverträge, an denen sie durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie kein Interesse mehr haben, zu beenden. Ggf. kann eine Kündigung auch ausgesprochen werden, um auf dieser Basis Neuverhandlungen zu erzwingen.
Die Einhaltung der Schriftform setzt voraus, dass die Parteien sämtliche vertragswesentlichen Regelungen in einer schriftlichen Urkunde bestimmbar festhalten. Insbesondere müssen sich somit aus dem schriftlichen Mietvertrag die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietvertragsparteien, Mietgegenstand, Miethöhe und Mietlaufzeit ergeben. Das Schriftformerfordernis erstreckt sich auch auf Änderungsvereinbarungen zwischen den Mietvertragsparteien. Eine nachträgliche, nicht der Schriftform entsprechende, Vereinbarung hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbedingungen, sei es mündlich oder lediglich durch E-Mail-Wechsel, führt demnach dazu, dass der Vertrag, auch wenn er ursprünglich in Schriftform gemäßer Form geschlossen wurde, vorzeitig kündbar wird.
Unerheblich für die Frage, ob sich eine Partei auf die fehlende Schriftform berufen kann, ist ein Verschulden der jeweiligen Partei an dem Entstehen des Schriftformmangels. Der BGH hat auch einer pauschalen Berufung auf dem Grundsatz von Treu und Glauben bereits eine Absage erteilt. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die nicht schriftformgemäße Regelung, auf die sich die Partei beruft, sich zu Gunsten oder zu Ungunsten der jeweiligen Partei auswirkt. Die in Mietverträgen häufig enthaltenen sogenannten Schriftformheilungsklauseln sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam, da sie den durch das Schriftformerfordernis geschützten Grundstückserwerber unangemessen benachteiligen.
In welchen Fällen eine Berufung auf die fehlende Schriftform in Betracht kommt, möchten wir anhand der nachfolgenden aktuellen obergerichtlichen Entscheidungen aus dem Jahr 2020 noch einmal verdeutlichen:
Die Parteien schlossen einen auf 25 Jahre fest abgeschlossenen Mietvertrag im Jahr 2003. Im Jahr 2015 kündigte der Mieter das Mietverhältnis aufgrund einer Vielzahl von Wassereintritten im Mietobjekt außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die ordentliche Kündigung begründete der Mieter damit, dass die Parteien durch wechselseitige Schreiben im Jahr 2014 eine Reduzierung der ursprünglich vertraglich vereinbarten Betriebskostenvorauszahlung von EUR 200,00 auf EUR 50,00 vorgenommen haben.
Aufgrund einer fehlenden Abmahnung sah das OLG Brandenburg die außerordentliche Kündigung nicht als wirksam an. Es kam demnach entscheidungserheblich auf die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung an, der die vereinbarte Festlaufzeit von 25 Jahren entgegengestanden hätte.
Die ordentliche Kündigung wurde als wirksam angesehen. Der Schriftwechsel zwischen den Parteien über die Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung entsprach nicht der Schriftform, da jedes Schreiben nur die Unterschrift einer Partei trug. Gemäß § 126 Abs. 2 BGB ist die Schriftform zwar eingehalten, wenn jede Partei nur die für die andere Seite bestimmte Urkunde unterzeichnet. Dies setzt nach der Rechtsprechung jedoch mehrere gleichlautende Urkunden voraus. Bei einem Schriftwechsel, der lediglich die zu treffenden Vereinbarungen enthält sei dies nicht der Fall. Bei der Anpassung der Betriebskostenvorauszahlung, die rechtlich als Teil der Miete anzusehen ist, handelt es sich um eine vertragswesentliche Bestimmung, deren Neuvereinbarung somit der Schriftform unterliegt.
Abzugrenzen ist dieser Fall jedoch von einem Mietvertrag, in dem ein einseitiges Bestimmungsrecht zur Höhe der Betriebskostenvorauszahlung zu Gunsten des Vermieters besteht. Wenn der Vermieter von seinem einseitigen Bestimmungsrecht Gebrauch macht, liegt hierin keine neue Vereinbarung, mithin keine Vertragsänderung, die der Schriftform bedarf. In Zweifelsfällen sollte jedoch stets eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden.
Die Parteien waren über einen Mietvertrag über eine Spielothek verbunden. Das Mietverhältnis aus dem Jahre 1996 war zunächst auf zehn Jahre befristet. Es verlängerte sich jeweils um fünf Jahre, wenn nicht eine Partei zuvor die Kündigung erklärt hatte.
Aufgrund andauernder Streitigkeiten zwischen den Parteien wollte die von BEITEN BURKHARDT vertretene Vermieterin das Mietverhältnis vor Ablauf des Verlängerungszeitraumes beenden. Sie erklärte daher die ordentliche Kündigung unter Berufung auf fehlende Schriftform. In dem Mietvertrag war festgehalten, dass die in dem streitgegenständlichen Gebäude im ersten Obergeschoss gelegenen Räume laut einer beigefügten Skizze eines Architekten vermietet werden. Die vermietete Fläche war mit „ca. 300m² plus 50m² Nebenräume“ vereinbart. Die Miete sollte 15,00 DM / 1m² betragen. Es wurde vereinbart, dass nach Fertigstellung von Umbaumaßnahmen die genaue Fläche festgesetzt werden sollte. Dies ist zu keinem Zeitpunkt geschehen.
Das OLG Oldenburg hat festgestellt, dass mit den vorgenannten Regelungen der Mietgegenstand nicht hinreichend präzise festgelegt wurde. Aus der beigefügten Skizze des Architekten, auf der sich keinerlei farbliche Markierungen befinden, ergibt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, welche Flächen vom Mietvertrag erfasst sind. Dies gelte insbesondere für die Nebenräume. Für das OLG stellte sich hier die Frage, ob es sich bei der Festlegung „Nebenräumen“ um vertragswesentliche Bedingungen handelte. Hierbei setzte sich das OLG mit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2008 auseinander, wonach die Vereinbarung über die Lage und die Größe eines von mehreren Kellerräumen nicht beurkundungsbedürftig sei, da dies wegen der untergeordneten Bedeutung eines Kellerraums grds. nicht zu den wesentlichen Bestandteilen eines Mietvertrages gehöre.
Hier war es jedoch so, dass anhand der vertraglichen Vereinbarung und der Skizze des Architekten nicht erkennbar war, um was für Nebenräume es sich überhaupt handelte und wo diese im Mietobjekt liegen. Entgegen des vom BGH bereits entschiedenen Falles, war hier nicht einmal festgelegt, ob es sich um Kellerräumlichkeiten oder um sonstige Nebenräume im 1. Obergeschoss des Mietobjekts handelte. Es rechtfertigt auch keine andere Beurteilung, wenn der übergebene Raum nur einen Bruchteil der Gesamtmietfläche ausmacht. Nebenräume müssten daher, auch wenn sie flächenmäßig klein sind, zumindest in irgendeiner Weise identifizierbar sein.
Auch die Höhe der Miete war im vorliegenden Vertrag nicht bestimmbar festgelegt. Die Parteien haben lediglich eine ca.-Fläche von 300 m² angegeben. Die Miethöhe von DM 15,00 / m² lässt sich damit nicht konkret berechnen. Das Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass sich aus dem Vertrag nicht ergibt, ob die Nebenfläche von 50 m² mit DM 15,00 / m² zu vergüten ist oder nicht.
Die Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Einhaltung des Schriftformerfordernisses stellen, sind vielschichtig und beruhen auf einer kaum zu übersehenden Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Es ist daher stets zu empfehlen, vor Ausspruch einer entsprechenden Kündigung die Rechtslage von einem erfahrenen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie die Überprüfung Ihrer Mietverträge auf Einhaltung der Schriftform wünschen oder entsprechende Kündigungsmöglichkeiten in Betracht ziehen.
Beim Abschluss neuer Mietverträge oder beim Verhandeln von Vertragsänderungen ist besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Schriftform zu legen. In Zweifelsfällen sollte juristisch geprüft werden, ob eine Vereinbarung mit dem Mieter eine Vertragsänderung darstellt, die dem Schriftformerfordernis unterliegt.