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    11.06.2023

    Bayerisches Oberste Landesgericht zur Auslegung einer Schiedsklausel bei Beschlussmängelstreitigkeiten und Anwendbarkeit der DIS-ERGeS


    Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 – 101 SchH 46/22 (SchiedsVZ 2023, 100) über einen Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit mehrerer Schiedsverfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO entschieden. Die Schiedsverfahren betrafen Beschlussmängelstreitigkeiten einer GmbH. In diesen Schiedsverfahren war unter anderem die Einbeziehung sowie Auslegung der Ergänzenden Regeln für Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) nach der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Schiedsklausel umstritten. Das BayObLG hatte insbesondere zu entscheiden, ob die DIS-ERGeS aufgrund der folgenden Schiedsklausel anwendbar sind:

     

    „17.1 Über alle Streitigkeiten, Ansprüche und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern untereinander bzw. in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft, welche diesen Gesellschaftsvertrag betreffen oder damit im Zusammenhang stehen, entschiedet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs – soweit diesem nicht zwingendes Recht entgegensteht – abschließend ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.v. (DIS).“

     

    Das BayObLG prüfte, ob Beschlussmängelstreitigkeiten von dieser Schiedsklausel erfasst sowie die DIS-ERGeS anwendbar seien und damit den vom BGH in Schiedsfähigkeit II aufgestellten Anforderungen genügt. Grundsätzlich gilt nach Art. 1 der DIS-ERGeS, dass die Parteien sich auf die Anwendung der DIS-ERGeS im Gesellschaftsvertrag oder außerhalb getroffenen Schiedsvereinbarungen ausdrücklich geeinigt haben oder zumindest auf diese Regelungen Bezug genommen haben müssen.

     

    Das BayObLG legte die Schiedsklausel zunächst objektiv aus. Die Schiedsklausel eines Gesellschaftsvertrags sei grundsätzlich weit auszulegen (BGH, Urteil vom 04.10.2001, III ZR 281/00, NJW 2002, 387). Vorliegend umfasse die Schiedsklausel der GmbH „alle Streitigkeiten, Ansprüche und Meinungsverschiedenheiten“ und beziehe sich durch die Formulierung „im Zusammenhang“ auf ein weites Feld von Streitigkeiten innerhalb der Gesellschafterverhältnisse. Die Schiedsklausel bezwecke nach objektivem Verständnis, sämtliche im Gesellschaftsverhältnis wurzelnden Streitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Umfasst seien damit gerade auch Beschlussmängelstreitigkeiten.

     

    Die Schiedsklausel sei aus objektiver Sicht eines Gesellschafters auszulegen. Die DIS-ERGeS würden in der Schiedsklausel zwar nicht ausdrücklich genannt. Aus objektiver Sicht eines Gesellschafters seien diese dennoch einbezogen. Die DIS-ERGeS seien nach Art. 1.3 der DIS-Schiedsgerichtsordnung von 2018 („DIS-SchO“) als Anlage 5 selbst Bestandteil der DIS-SchO. Daher genüge der Verweis auf die DIS-SchO für die Anwendbarkeit der DIS-ErGes.

     

    Das BayObLG bezieht in seine Überlegungen die weitreichenden Folgen einer teilunwirksamen Schiedsklausel mit ein. Der Zweck, alle im Gesellschaftsverhältnis wurzelnden Streitigkeiten in einem Schiedsverfahren und nicht in staatlichen Verfahren zu behandeln, wäre bei Teilunwirksamkeit der Schiedsklausel nicht erreicht. Dies entspräche nicht dem Willen der Parteien. Eine Rechtswegaufspaltung für Beschlussmängel- und weitere Streitigkeiten, hätte im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich geregelt werden müssen. Dies gelte umso mehr, als im Zeitpunkt der Gründung der GmbH bereits höchstrichterlich geklärt war, unter welchen Voraussetzungen Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH im Schiedsverfahren entschieden werden können. Für ein enges Verständnis – entgegen Sinn und Zweck der Schiedsklausel – sei vorliegend kein Raum.

     

    Diese Entscheidung des BayObLG ist ein weiteres Beispiel für die schiedsfreundliche Rechtsprechung in Deutschland. Der Fall zeigt aber wieder einmal, dass sich die Parteien viele Diskussionen und Geld hätten ersparen können, wenn sie auf die Musterklausel der DIS für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zurückgegriffen hätten.

     

    Dr. Ralf Hafner

    Tobias Pörnbacher

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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