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Das Europäische CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM). Wird es Realität werden?

Exporteure aus Drittländern und Importeure müssen sich jetzt auf den europäischen Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) vorbereiten. Unternehmen, die Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel und Strom importieren, werden verpflichtet sein, so genannte CBAM-Zertifikate zu erwerben und die Differenz zwischen der im Produktionsland gezahlten CO2-Abgabe und der ETS-Abgabe im EU-Emissionshandelssystem zu zahlen. Die Hersteller in Drittländern werden außerdem verpflichtet sein, Auskunft über ihre Emissionen zu geben.

Im Detail:
Treibhausgasemissionen zu reduzieren ist nicht einfach, vor allen Dingen nicht im Alleingang. Zwar hat man nun eine vorläufige Einigung auf europäischer Ebene erreicht, es bleibt aber weiterhin fragwürdig, ob die EU ein mit den Regeln der WTO kompatibles CBAM einführen, und ob das CBAM sein Ziel trotz vielseitiger Kritiken überhaupt erreichen kann.

CBAM und der europäische Green Deal

2019 hat sich die EU als Vorreiterin im Kampf gegen die Klimakrise selbst das Ziel auferlegt, CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen und die Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Dieser europäische Green Deal versteht sich als übergreifende Strategie, die durch mehr als fünfzehn neue Gesetze und zahlreiche Gesetzesänderungen umgesetzt werden soll. Dem dient das sogenannte „Fit for 55“-Paket1. Ziel ist es, die Netto-Treibhausgasemissionen zunächst bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

Das „Fit for 55“-Paket

sieht die Einrichtung eines CBAM zusammen mit Änderungen am aktuellen EU-Emissionshandelssystem (ETS) vor. Die CBAM soll die CO2-Bepreisung zwischen inländischen und ausländischen Produkten ausgleichen.

Entsprechend dem einschlägigen Gesetzgebungsverfahren hat die Europäische Kommission einen Entwurf vorgelegt, der gleichzeitig vom Europäischen Parlament (EP) und den 27 Mitgliedstaaten im Rat diskutiert wird2. Der Entwurf wurde vom EP-Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) begrüßt, aber das EP lehnte den Vorschlag als nicht ehrgeizig genug ab. Über mehrere Monate haben das EP und der Rat eine Kompromissversion ausgehandelt, die nun jüngst im Dezember 2022 vorläufig vereinbart wurde3.

Die aktuelle Situation

In der EU gilt seit über fünfzehn Jahren ein Emissionshandelssystem (ETS). Das CBAM ist so ausgestaltet, dass es parallel zu diesem System zum Einsatz kommt und das bestehende System für importierte Waren ergänzt.

Das ETS legt derzeit eine Obergrenze für die Menge an Treibhausgasen fest, die Unternehmen emittieren dürfen. Innerhalb des Caps ist es möglich, Emissionszertifikate zu kaufen, mit denen gehandelt werden kann. Ein Teil der Zertifikate wird versteigert, der Rest wird jedoch von der Europäischen Kommission kostenlos an bestimmte Wirtschaftssektoren vergeben, die von Carbon Leakage bedroht sind.

Carbon Leakage bezeichnet das problematische Phänomen, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, insbesondere in Länder mit weniger Umweltschutz als in der EU. Das CBAM versucht diese Regelungslücke zu schließen, damit die Bemühungen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen nicht dadurch unterwandert werden, dass Produktionsverlagerungen erhöhte Emissionen im nicht-europäischen Ausland verursachen oder dadurch, dass CO2-intensivere Produkte importiert werden.

Auf die EU entfallen rund 8 Prozent der Kohlendioxidemissionen (ohne Berücksichtigung der durch Importe verursachten Emissionen). Es wäre kontraproduktiv und widerspräche dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Emissionen in der EU zu senken und gleichzeitig CO2-intensivere Produkte von außerhalb der EU zu importieren.

Ein Blick in die Zukunft: Ausgleich der „importierten“ Emissionen

Im Rahmen des CBAM erfolgt die CO2-Bepreisung über das Instrument der CBAM-Zertifikate, ähnlich den ETS-Zertifikaten. „CBAM-Zertifikate“ sind elektronische Zertifikate, die jeweils einer Tonne in Waren eingebetteter Emissionen entsprechen. Importeure bestimmter energieintensiver Güter müssen CBAM-Zertifikate erwerben, um diese Güter in die EU importieren zu dürfen. Die erforderliche Anzahl von CBAM-Zertifikaten entspricht den gesamten Emissionen im Zusammenhang mit den importierten Waren.

Die betroffenen Waren werden aufgezählt und zunächst auf die CO2-intensivsten Wirtschaftszweige beschränkt: Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Strom und Wasserstoff sowie einige Vorprodukte und eine begrenzte Anzahl nachgelagerter Produkte. Auch indirekte Emissionen sollen in die Verordnung aufgenommen werden. Dabei wollte das EP noch ehrgeiziger sein, musste jedoch Kompromisse eingehen. Auch der Rat ließ sich bei einigen indirekten Emissionen auf Kompromisse ein.

Im Laufe der Zeit sollen die kostenlosen Emissionszertifikate für einige EU-Erzeuger im Rahmen des ETS schrittweise eingestellt werden und der Produktumfang des ETS und der CBAM sollen konvergieren.

Am Anfang, d.h. ab Oktober 2023, würde das CBAM mit Meldepflichten beginnen, bevor es den Kauf von Zertifikaten verlangt. Unternehmen müssten sich als „Anmelder“ bei der EU registrieren lassen, um Produkte einführen zu können, die unter das CBAM fallen. Die Anmelder müssten den zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten, von denen sie ihre Zertifikate erwerben müssten, jährliche Erklärungen ihrer Emissionen vorlegen, die die Emissionen der von ihnen im Vorjahr eingeführten Produkte widerspiegeln.

Ursprünglich vorgesehen war, dass die kostenlosen ETS-Zuteilungen auslaufen und im Jahr 2035 beendet werden. Das CBAM sollte im Januar 2023 in Kraft treten, mit einer Übergangsfrist bis Ende 2026. Die schrittweise Einführung von CBAM wird nun wohl aber länger dauern.

WTO-Kompatibilität und wirtschaftliche Folgen

Viele Initiativen wurden bereits gestartet, um die globale Erwärmung zu bekämpfen, aber ihrer Umsetzung standen vielfältige Hindernisse im Weg, die von geopolitischen Umständen und gegenläufigen Interessen geprägt werden. Es genügt zu sagen, dass zwar über einen „G7 Carbon Club“ gesprochen wurde, diese Idee aber nicht weiterverfolgt worden ist, geschweige denn, dass man eine einheitliche globale Emissionsbepreisung geschaffen hätte.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen in der EU problematisiert die emissionsintensive Industrie vor allen Dingen die fehlende Entlastung des ETS für Exporte bei gleichzeitigem Auslaufen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten. Dies führe zu Ungleichgewichten und einem erhöhten Risiko der Verlagerung von Industrien. Während in der EU ansässige Hersteller von emissionsintensiven Rohstoffen vor Importen aus Ländern mit niedrigeren Kohlendioxidpreisen geschützt seien, sei der Export von emissionsintensiven Rohstoffen aus der Union kaum noch wirtschaftlich, da die Produktionskosten ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig sein würden.

In Bezug auf politische Erwägungen haben eine Reihe von Ländern bereits ihre Bedenken geäußert, die von der Verletzung von Handelsabkommen durch das CBAM bis hin zur Verurteilung als eklatanten Protektionismus reichen. Brasilien, Südafrika, Indien und China haben die negativen Folgen für die Entwicklungsländer betont.

Insbesondere wurden viele Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit von CBAM mit internationalem Recht geäußert. Ein mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) kompatibles CBAM ist jedoch nicht per se unmöglich und könnte aus Umweltgründen gerechtfertigt sein. Die GATT-Kompatibilität des CBAM hängt hauptsächlich von seiner konkreten Gestaltung und Anwendung ab. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels war allerdings der Kompromissentwurf aus Dezember 2022 noch nicht veröffentlicht und spiegelt möglicherweise nicht den endgültig angenommenen Text wider. Grundsätzlich könnte das CBAM aber als grenzverstellbare interne Maßnahme nach Artikel III des GATT gelten oder, wenn es als diskriminierend befunden wird, nach den allgemeinen Ausnahmen des Artikels XX des GATT in Bezug auf die Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen (Artikel XX(g) des GATT) gerechtfertigt sein oder seine Rechtfertigung in der Notwendigkeit zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen finden (GATT Artikel XX (b)).

EU-rechtlich ist die Rechtsgrundlage des CBAM in Artikel 192 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) zu ersehen, der es der Union ermöglicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die in Artikel 191 Absatz 1 AEUV genannten Umwelt- und Klimaziele zu erreichen.

Im Lichte dieser Erwägungen wird die Annahme und Umsetzung von CBAM höchstwahrscheinlich nicht nur zu rechtlichen Herausforderungen in der EU, sondern auch in Drittländern führen. Es bleibt abzuwarten, wie der Green Deal und das CBAM weiter vorangetrieben werden.

Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Gábor Báthory

1 Vgl. Europäische Kommission, COM/2021/550, 14. Juli 2021.
2 Vgl. COM(2021) 564 final und 2021/0214 (COD).
3 Vgl. Rat, Pressemitteilung 1092/22, 18. Dezember 2022.



Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.



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Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismen Treibhausgasemissionen Emissionshandel

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