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Fernsehwerbung 3.0 – Unter welchen Voraussetzungen dürfen Smart-TV-Hersteller Programminhalte mit Werbung überlagern?

§ 80 Abs. 1 Nr. 2 des neuen Medienstaatsvertrags (MStV) regelt seit dem 7. November 2020, dass Rundfunkprogramme und rundfunkähnliche Telemedien innerhalb von Benutzeroberflächen sowie auf Medienplattformen grundsätzlich nicht mit Werbung überlagert oder zum Zwecke der Werbeeinblendung skaliert werden dürfen. Dieser Beitrag geht zunächst der Frage nach, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen solche Überlagerungen und Skalierungen ausnahmsweise rechtlich zulässig sind. Anschließend wird anhand von drei praxisnahen Beispielen aufgezeigt, wie Smart-TV-Hersteller werbliche Überlagerungen rechtmäßig umsetzen können.

I. Europarechtlicher Hintergrund der Neuregelung

Mit § 80 Abs. 1 Nr. 2 MStV setzt der Gesetzgeber Art. 7b AVMD-Richtlinie (RL (EU) 2018/1808) in nationales Recht um. Diese europarechtliche Norm verlangt vom nationalen Gesetzgeber sicherzustellen, dass audiovisuelle Mediendienste nicht ohne Zustimmung des Inhalteanbieters überblendet oder verändert werden.

Art. 7b AVMD-Richtlinie dient in erster Linie dem Schutz der Inhalteanbieter. Diese sollen zum einen selbstständig über die inhaltliche Gestaltung und Qualität ihrer Angebote entscheiden können. Zum anderen soll verhindert werden, dass Dritte diese Angebote zu eigenen Zwecken kommerzialisieren.

Andererseits dient Art. 7b AVMD-Richtlinie dem Schutz der Nutzer. Diese sollen grundsätzlich selbst darüber entscheiden können, wie sie Programminhalte im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Infrastruktur wahrnehmen. Deshalb sollen Überblendungen, die von Nutzern zum privaten Gebrauch ausgelöst werden, auch zulässig sein.

Zudem zeigt der Erwägungsgrund Nr. 26 AVMD-Richtlinie, dass bei der Umsetzung von Art. 7b AVMD-Richtlinie auch die Interessen der Anbieter von Endgeräten und Plattformen zwingend zu berücksichtigen sind. Da deren Dienstleistungs- und Werbefreiheit durch ein Überblendungs- und Veränderungsverbot beschränkt wird, sind diese Verbotstatbestandbestände nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH GRUR Int. 2000, 266 – ARD/Pro Sieben) im Zweifel restriktiv auszulegen.

All diese Interessen hatte der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung von Art. 7b AVMD-Richtlinie zu berücksichtigen. Er muss dabei eine verhältnismäßige Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen treffen, die am wenigsten intensiv in die Rechte aller Beteiligter eingreift.

II. Wer ist betroffen?

Adressaten des Überlagerungs- und Skalierungsverbots gemäß § 80 Abs.1 Nr. 2 MStV sind Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen. Mit Medienplattformen sind solche Online-Plattformen gemeint, auf denen Rundfunk- bzw. rundfunkähnliche Angebote Dritter zu einem einheitlichen Gesamtangebot zusammengefasst werden. Typische Anbieter von Medienplattformen sind z. B. Amazon Prime, Disney + oder Netflix. Unter Benutzeroberflächen sind insbesondere textlich oder bildlich gestaltete Angebots- oder Programmübersichten zu verstehen, über welche die Nutzer auf die einzelnen Inhalte einer Medienplattform zugreifen können. Von dem Begriff der Benutzeroberfläche werden daher auch alle Arten von Angebots- und Programmübersichten sowie Steuerungselemente auf Smart-TVs erfasst. Anbieter von Benutzeroberflächen sind folglich auch die mit diesem Beitrag adressierten Hersteller von Smart-TVs, sofern diese auch die Benutzeroberflächen ihrer Endgeräte gestalten.

Für die territoriale Geltung des § 80 MStV ist das Marktortprinzip ausschlaggebend. Es kommt somit nicht auf den Ort der Niederlassung des Anbieters an, sondern vielmehr darauf, ob die Benutzeroberfläche (oder Medienplattform) zur Nutzung in Deutschland bestimmt ist. Das ist dann der Fall, wenn sich die verwendete Sprache und die jeweiligen Inhalte an Nutzer in Deutschland richten. Bei einer solchen Zweckbestimmung sind auch außerhalb von Deutschland ansässige Smart-TV-Hersteller Adressaten des § 80 Abs. 1 Nr. 2 MStV.

III. Was sind Überlagerungen und Skalierungen?

Die Begriffe der Überlagerung und Skalierung sind weder im MStV noch in der Gesetzesbegründung definiert. Aus der Systematik des § 80 Abs. 1 MStV ergibt sich, dass im Falle einer Überlagerung oder Skalierung das angelieferte Signal jedenfalls nicht technisch verändert wird. Von dem Begriff der Überlagerung dürften daher alle akustischen oder visuellen Einblendungen erfasst sein, aufgrund derer das vom Nutzer wahrgenommene Angebot von dem vom Inhalteanbieter bereitgestellten Angebot abweicht. Dabei läuft das Signal im Hintergrund unverändert weiter. Unter einer Skalierung ist demgegenüber die Verkleinerung des vom Inhalteanbieter bereitgestellten Angebots zu verstehen, wie es beispielsweise im „Split- Screen“- Verfahren zur Anwendung kommt.

IV. Wann sind werbliche Überlagerungen und Skalierungen ausnahmsweise zulässig?

Der deutsche Gesetzgeber hat die vom Unionsgesetzgeber geforderte inhaltliche Beschränkung des Überlagerungs- und Skalierungsverbots auf kommerzielle Zwecke beachtet. So gilt dieses nur für „Werbung, Inhalte[n] aus Rundfunkprogrammen oder rundfunkähnlichen Telemedien, einschließlich Empfehlungen oder Hinweisen hierauf“.

Grundsätzlich zulässig sind hingegen Überlagerungen und Skalierungen zum Zwecke der Individualkommunikation (z. B. Chat-Programme) oder wenn diese durch den Nutzer im Einzelfall veranlasst werden (vgl. § 80 Abs. 2 S. 2 MStV). Typisches Beispiel für eine durch den Nutzer im Einzelfall veranlasste Überlagerung, ist die Überlagerung durch die Bedienung der Menüsteuerung. Entscheidende Zulässigkeitsvoraussetzung ist, dass die Überlagerung aufgrund einer freiwilligen Entscheidung des Nutzers im Einzelfall erfolgt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Nutzer eine Menükachel mit der Fernbedienung gezielt ansteuert und anklickt.

Zu beachten ist jedoch, dass auch eine im Einzelfall durch den Nutzer veranlasste Überlagerung oder Skalierungen ausnahmsweise unzulässig ist, wenn diese „zum Zweck der Werbung“ erfolgt (vgl. § 80 Abs. 2 S. 3 MStV). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich allerdings, dass der Gesetzgeber mit dieser Rückausnahme kein gänzliches Werbeverbot statuieren wollte. Überlagerungen und Skalierungen sollen vielmehr zulässig sein, wenn diese nicht ausschließlich werblichen Zwecken dienen. In welchem Umfang Werbung zulässig sein soll, ergibt sich jedoch weder aus § 80 MStV noch aus der Gesetzesbegründung.

Die Zulässigkeit von werblichen Überlagerungen und Skalierungen muss daher in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Abwägung der gegenläufigen Stakeholder-Interessen beurteilt werden. Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung ist zum einen das Interesse der Inhalteanbieter am Schutz vor einer Verschiebung der Kommerzialisierungsmöglichkeiten auf Dritte zur berücksichtigen. Zum anderen darf auch das Interesse des Nutzers an seiner Nutzerautonomie nicht außer Acht gelassen werden. Er soll grundsätzlich frei entscheiden, ob und in welchem Umfang er Werbung wahrnehmen will. Schließlich ist das Recht auf Dienstleistungs- und Werbefreiheit der Anbieter der Benutzeroberflächen (Smart-TV-Hersteller) in die Abwägung einzubeziehen. Da dieses Recht durch ein Überlagerungs- und Skalierungsverbot beschränkt wird, muss dieses Verbot im Zweifel eher restriktiv ausgelegt werden.

V. Fazit

Die graphischen Darstellungsmöglichkeiten auf Smart-TVs unterliegen einem stetigen und schnellen Wandel. Den technischen Möglichkeiten sind dabei keine Grenzen gesetzt. Aus diesem Grund stellen sich auch die rechtlichen Fragen zur Präsentation von Werbung immer neu und können nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr müssen die gegenläufigen Interessen der beteiligten Stakeholder im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.

VI. Praxistipp

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen möchten wir nachfolgend darstellen, wie werbliche Überlagerungen rechtlich zulässig umgesetzt werden können. Diese Darstellung soll Herstellern von Smart-TVs (und anderen Anbietern von Benutzeroberflächen) eine erste Orientierung für den zulässigen Umgang mit solchen Überlagerungen geben.

1. Werbliche Überlagerung im Rahmen des Menübandes

Werbliche Überlagerung im Rahmen des Menübandes_Grafik

Durch den Nutzer veranlasste werbliche Überlagerungen innerhalb des Menübandes sind zulässig. Die Interessen der Inhalteanbieter werden hierdurch nur unwesentlich beeinträchtigt, da der jeweilige Inhalt sowieso durch das Menüband überblendet wird. Die Interessen der Nutzer und der Smart-TV-Hersteller überwiegen daher.

2. Über Kacheln hinausgehende Menübänder

Über Kacheln hinausgehende Menübänder_Grafik

In dem abgebildeten Beispiel halten wir die dargestellte werbliche Überlagerung für zulässig, sofern die Vorschaufläche, auf der die vergrößernden Darstellung des Werbeinhalts eigeblendet wird, fest mit dem Menüband verbunden ist. In diesem Fall kommt es nicht zu einer eigenständigen Überlagerung. Vielmehr wird lediglich die bereits zulässig überlagerte Vorschaufläche nach der erneuten Nutzerinteraktion mit werblichen Inhalten befüllt. Auch dann, wenn die Vorschaufläche erst nach der Ansteuerung und einem aktiven Klick des Nutzers auf die Werbekachel erscheint, spricht vieles für die Zulässigkeit. Der Nutzer trifft in einem zweistufigen Prozess die autonome Entscheidung, dass er die Werbung sehen will. Die Interessen der Smart-TV-Hersteller sprechen ebenfalls für die Zulässigkeit, da deren Freiheit bei der Gestaltung der Benutzeroberflächen ansonsten zu sehr eingeschränkt würde.

3. Vollständiger Austausch des Programminhalts

Vollständiger Austausch des Programminhalts_Grafik

Selbst ein vollständiger, durch den Nutzer veranlasster Austausch des Bildschirminhalts durch Werbung kann zulässig sein, wenn anschließend keine automatische Rückkehr zum ursprünglichen Programm erfolgt. In diesem Fall liegt gerade keine Überlagerung im Sinne von § 80 Abs. 1 Nr. 2 MStV vor, sondern eine Beendigung des Programms mit der anschließenden Möglichkeit einer aktiv durch den Nutzer veranlassten Rückkehr. Sofern hingegen eine automatische Rückkehr zum Programm erfolgt, liegt eine unzulässige werbliche Überlagerung vor.

Dr. David Moll

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