Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 20. Juli 2018 (Az.: 4 U 93/16) soll sich der Deckungsschutz einer D&O-Versicherung nicht auf den Anspruch einer insolvent gewordenen Gesellschaft gegen ihren versicherten Vorstand oder Geschäftsführer auf Ersatz der nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geleisteten Zahlungen erstrecken (§§ 92 Abs. 2 AktG, 64 GmbHG, 130a HGB). Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gibt Anlass, bestehende D&O-Versicherungen einer Prüfung zu unterziehen bzw. nachzuverhandeln.
In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall nahm der Insolvenzverwalter die Geschäftsführerin einer GmbH nach § 64 GmbHG erfolgreich in Anspruch, da diese nach Eintritt der Insolvenzreife noch Überweisungen i. H. v. über EUR 200.000 ausgeführt hatte. Nachdem der Insolvenzverwalter wegen dieser Forderung einen rechtskräftigen Zahlungstitel erwirkt hatte, forderte die Geschäftsführerin von ihrer D&O-Versicherung Freistellung. Die Geschäftsführerin ist der Ansicht, dass der vom Insolvenzverwalter verfolgte Haftungsanspruch vom Deckungsumfang der D&O-Versicherung umfasst sei. Das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 04.05.2016, Az. 1 O 143/14) und das OLG Düsseldorf kamen zu einem anderen Ergebnis und wiesen die Klage erst- und zweitinstanzlich insoweit ab.
Nach Auffassung des Landgerichts Mönchengladbach und des OLG Düsseldorf ist der gegenüber der Geschäftsführerin geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht von der D&O-Versicherung abgedeckt. Nach den Versicherungsbedingungen schütze die Versicherung das Organ davor, wegen einer Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Allerdings handele es sich bei einem Anspruch aus § 64 GmbHG um keinen Schadensersatzanspruch. Diese Vorschrift sehe zwar eine persönliche Erstattungspflicht des Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife vor. Hierbei gehe es aber nicht um einen Vermögensschaden der Gesellschaft, welchen diese auch gar nicht erleide, wenn der Geschäftsführer mit den Zahlungen Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt. Es gehe vielmehr um eine Schmälerung der Aktivmasse und die hierdurch ausgelöste Schädigung der übrigen Gesellschaftsgläubiger, denen die abgeflossenen Mittel andernfalls zur Verfügung gestanden hätten. Die D&O-Versicherung diene aber nicht dem Schutz der Gläubiger. Auch ansonsten sei der Ersatzanspruch aus § 64 GmbHG nicht mit einem Schadensersatzanspruch vergleichbar.
Die Inanspruchnahme aus dem o. a. Zahlungsverbot der §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 GmbHG, 130a HGB gilt als das „scharfe Schwert“ des Insolvenzverwalters, da dieser nur die Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife beweisen muss und es dem Organ nur ganz ausnahmsweise gestattet ist, sich zu exkulpieren. Das gilt umso mehr, da der BGH die Haftung aus dem Zahlungsverbot Anfang 2017 nochmals deutlich verschärft hat (BGH Urteil vom 04.07.2017, Az.: II ZR 319/15). Greift die D&O-Versicherung nicht ein, führt die Inanspruchnahme aus dem vorgenannten Zahlungsverbot für die betroffenen Organe zum Zugriff auf ihr Privatvermögen und häufig genug zur persönlichen Insolvenz.
Gleichwohl bestand in der Frage, ob eine Inanspruchnahme wegen Verletzung des Zahlungsverbots der D&O-Versicherung unterfällt, seit jeher Rechtsunsicherheit. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist daher zumindest insoweit begrüßenswert, als sie die Problematik über die Fachkreise hinaus in das allgemeine Bewusstsein gerückt hat. Es ist nichts verhängnisvoller, als auf den D&O-Versicherungsschutz vertraut zu haben und dann im Rahmen einer Deckungsklage von der vorgenannten „Deckungslücke“ erfahren zu müssen.
Die gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf beim BGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgenommen worden, was auf eine außergerichtliche Einigung mit dem Versicherer hindeutet. Eine höchstrichterliche Klärung steht also nach wie vor aus. Gesellschaften und Organe sind daher gut beraten, ihre D&O-Versicherungsbedingungen zu überprüfen und ggf. über einen Nachtrag klarstellen zu lassen, dass die Deckung auch eine Inanspruchnahme wegen einer Verletzung des Zahlungsverbots aus §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 GmbHG, 130a HGB einschließt.
Fragen zu diesem Thema beantworten Ihnen Heinrich Meyer und Frank R. Primozic gerne.