Bei Sanierungen von Unternehmen gilt es auch steuerliche Aspekte zu berücksichtigen. Das deutsche Steuerrecht besitzt hier kontraproduktive Regelungen, die es zu vermeiden gilt. Hierzu hat der Gesetzgeber in letzter Zeit einige steuerliche Änderungen vorgenommen. Der Beitrag gibt einige Hinweise, die es insbesondere bei Kapitalgesellschaften zu beachten gilt, damit eine Sanierung nicht durch unvorhergesehene steuerliche Belastungen gefährdet wird.
Alle nachfolgenden steuerlichen Hinweise sollen Anregungen zur steuerlichen Optimierung im Rahmen von Sanierungsfällen geben, müssen aber in jedem Einzelfall auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft werden.
In Sanierungsfällen wird oft darüber nachgedacht, Gläubiger auf ihre Forderungen gegen zu sanierende Gesellschaften verzichten zu lassen oder ihre Forderungen in Eigenkapital umzuwandeln („Debt-Equity-Swap“). Diese Forderungsverzichte führen zu „Sanierungserträgen“, die grundsätzlich zunächst steuerpflichtig sind.
Auch wenn Gesellschafter auf ihre Gesellschafter-darlehen verzichten, führen solche Forderungsverzichte unter Umständen zu steuerpflichtigen Erträgen. Dies kann auch dann gelten, wenn sie in der Handelsbilanz gewinnneutral das Eigenkapital erhöhen, da „nicht werthaltige“ Forderungen steuerrechtlich grundsätzlich nicht gewinnneutral in Eigenkapital umgewandelt werden können. Gerade bei einer Sanierung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Gesellschafterforderungen nicht werthaltig sind. Diese Sanierungsgewinne sind aufgrund der oft hohen Beträge im Rahmen der Regelungen zur „Mindestbesteuerung“ nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 10d EStG und § 10a GewStG nicht durch steuerliche Verlustvorträge zu kompensieren. Bei der Mindestbesteuerung können in einem ersten Schritt EUR 1 Mio. des steuerpflichtigen Einkommens unbeschränkt mit Verlustvorträgen verrechnet werden (unbeschränkter Verlustvortrag), darüber hinaus ist nur eine Verrechnung von Verlustvorträgen mit 60 Prozent des steuerpflichtigen Einkommens möglich (beschränkter Verlustvortrag).
Damit solche steuerpflichtigen Erträge eine Sanierung nicht gefährden, hat das BMF bisher in einem „Sanierungserlass“ Regelungen getroffen, die solche Sanierungserträge aus Forderungsverzichten privilegieren (BMF-Schreiben vom 27. März 2003, BStBl. I 2003, 240). Hierzu hat allerdings der große Senat des BFH entschieden (Beschluss vom 28. November 2016, Az. GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393), dass dieser Erlass der Finanzverwaltung unzulässig ist, da die Steuergesetze solche generellen Maßnahmen nicht vorsehen. Auch ein weiteres BMF-Schreiben vom 27. April 2017 (DStR 2017, 986), haben der I. und der X. Senat des BFH mit Urteilen vom 23. August 2017 für nicht anwendbar erklärt. Derzeit ist hierzu zusätzlich vor dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 2 BvR 2637/17 anhängig.
Der Gesetzgeber hat nun auf die BFH-Rechtsprechung reagiert und mit einem neuen § 3a im Einkommensteuergesetz Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen gesetzlich eingeführt. Diese Regelungen wurden rückwirkend so eingeführt, dass sie möglichst nahtlos den nicht mehr zulässigen Sanierungserlass ersetzen.
Sanierungserträge sollen nicht zu einer ertragsteuerlichen Belastung führen. Aufwendungen in direktem Zusammenhang mit den Sanierungserträgen sind allerdings zu berücksichtigen, sodass der Saldo, d. h. der Sanierungsgewinn, privilegiert ist. Weiterhin sind zunächst aufgelaufene Verluste gegenzurechnen und erst, wenn nach Verrechnung mit den Verlustvorträgen immer noch ein Sanierungsgewinn verbleibt, wird dieser steuerfrei gestellt. Bei der Verlustverrechnung greift die sonst vorgeschriebene „Mindestbesteuerung“ nicht.
Ein Sanierungsplan sollte körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Verlustvorträge einplanen, damit zukünftige Gewinne nicht zusätzlich mit Ertragsteuern belastet werden. Soweit neue Investoren sich in einem bestimmten Maße an zu sanierenden Gesellschaften beteiligen, sieht das deutsche Steuerrecht einen Wegfall der Verlustvorträge vor. Es gibt aber zu dieser generellen Regelung einige Rückausnahmen, die bei den Sanierungsplanungen einbezogen werden sollten. Auch zu diesen Rückausnahmen gab es vor Kurzem einige gesetzliche Änderungen.
Die bisherige Regelung, dass bei einer Änderung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mehr als 25 Prozent bis zu 50 Prozent nach § 8c (1) Satz 1 KStG Verlustvorträge entsprechend anteilig wegfallen, entfällt rückwirkend seit Einführung der Regelung ab 2008, da diese Regelung nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig war. Es sollten daher alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen darauf überprüft werden, ob diese neue Regelung noch zur Anwendung gebracht werden kann.
Die Regelung des § 8c (1) Satz 2 KStG, dass bei einer Änderung der Beteiligung von mehr als 50 Prozent die Verlustvorträge gänzlich wegfallen, wird zurzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft (Az. 2 BvL 19/17). Entsprechende Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2008 sollten daher mit Einspruch offen gehalten werden. Dabei kann ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt werden, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
Nach § 8c (1) Satz 6ff. KStG fallen Verlustvorträge grundsätzlich nicht weg, soweit stille Reserven bei Gesellschafterwechseln vorhanden sind, die bei späterer Aufdeckung steuerpflichtig sind. Bei zu sanierenden Unternehmen ist diese Rückausnahme aber oft nicht anwendbar, da keine stillen Reserven vorhanden sind.
Nach § 8c (1a) KStG kommt es als weitere Rückausnahme nicht zum Wegfall von Verlustvorträgen bei einer Änderung der Beteiligungsstruktur von mehr als 50 Prozent, wenn der Beteiligungserwerb der Sanierung einer Kapitalgesellschaft dient. Die Regelung war zunächst von der Anwendung ausgesetzt, da die EU-Kommission diese als rechtwidrige Beihilfe angesehen hatte. Der EuGH hat nun aber entschieden, dass dies nicht der Fall ist (Urteil vom 28. Juni 2018 - C-203/16, BB 2018, 2079). Die zwischenzeitlich aufgehobene Regelung hat der Gesetzgeber nunmehr rückwirkend wieder für anwendbar erklärt.
Unternehmen, die saniert werden sollen und im Rahmen der Sanierung eine Änderung der Anteilseigner-Struktur von mehr als 50 Prozent vornehmen, brauchen also möglicherweise nicht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu warten, ob die Regelung grundsätzlich verfassungskonform ist, da Verlustvorträge über die Anwendung der Sanierungsklausel weiterhin nutzbar bleiben können. Eine Sanierung gemäß der Sanierungsklausel liegt vor, wenn die Maßnahme darauf gerichtet ist, „die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen erhalten bleiben“. Ein Unternehmen muss demnach „sanierungsbedürftig“ und „sanierungsfähig“ sein. Eine „Sanierungsabsicht“ liegt vor, wenn ein „Sanierungsplan“ vorliegt.
Sollte in der Vergangenheit wegen der Aussetzung der Sanierungsklausel der Wegfall eines Verlustvortrags bei einer zu sanierenden Kapitalgesellschaft mit Steuerbescheid festgesetzt worden sein, sollte der betroffene Veranlagungszeitraum noch abänderbar sein, da er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt sein müsste. Entsprechende Veranlagungen sind zu prüfen und es ist ein Antrag auf Änderung zu stellen.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2017 besteht die Möglichkeit, den Wegfall der Verlustvorträge nach § 8c KStG auch über die Anwendung des § 8d KStG zu verhindern.
Nach § 8d (1) KStG können auf Antrag in der entsprechenden Steuererklärung im Jahr der Änderung der Beteiligungsstruktur Verlustvorträge, die nach § 8c KStG wegfallen, unter bestimmten Umständen weiterhin genutzt werden, wenn der Geschäftsbetrieb seit Gründung oder zumindest vorher bereits seit 3 Jahren besteht und weitergeführt wird. Es entstehen separat festzusetzende „fortführungsgebundene Verlustvorträge“, die weiterhin nutzbar bleiben, wenn und solange nicht bestimmte „missbräuchliche“ Maßnahmen nach § 8d (2) KStG erfolgen. Zwar gilt auch nach missbräuchlichen Maßnahmen für diesen Zeitpunkt dann eine stille Reserven-Klausel analog § 8c (1) Satz 6 ff. KStG, es ist aber zu Beginn der Sanierung sicher schwer absehbar, ob dann ausreichend stille Reserven vorliegen.
Wenn der Antrag nach § 8d KStG in der Steuererklärung erfolgt, hat dieser Antrag Vorrang vor den anderen Rückausnahmen nach § 8c KStG und die Nutzungsmöglichkeit der Verlustvorträge ist durch die Beschränkungen nach § 8d (2) KStG eingeengt. Somit erlauben die Rückausnahmen nach § 8c KStG mehr Flexibilität. Erkennt die Finanzverwaltung aber die Rückausnahmen nach § 8c KStG nicht an und ist in der Steuererklärung der Antrag für § 8d KStG für den Veranlagungszeitraum unterblieben, kann dieser dann unter Umständen nicht mehr nachgeholt werden. Es ist derzeit streitig, ob der Antrag für § 8d KStG zwingend in der ersten Steuererklärung des Jahres des Anteilseignerwechsels zu stellen ist, oder ob der Antrag bis zur materiellen Bestandskraft des Veranlagungszeitraums nachgeholt werden kann (FG Thüringen vom 5. Oktober 2018 – 1 K 348/18, Revision beim BFH eingelegt AZ IR 40/18).
Der fortführungsgebunde Verlustvortrag berücksichtigt den Verlust am Ende des Jahres des Anteilseignerwechsels. Damit wird auch ein Verlustvortrag zwischen Anteilseilseignerwechsel und dem Ende des Veranlagungszeitraums von den Beschränkungen nach § 8d (2) KStG erfasst.
Es sollte daher zur Zeit bei der Sanierungsplanung genau geprüft werden, welche Maßnahme zur Weiternutzung der Verlustvorträge angewendet werden soll.
Die Steuergesetze sehen Möglichkeiten und Ausnahmen zu gewissen steuerlichen Regelungen vor, damit diese nicht kontraproduktiv einer Sanierung entgegenstehen. Durch Gesetzesänderungen in der vergangenen Zeit wurde die steuerliche Förderung von Sanierungen weiter verbessert. Trotzdem ist sehr genau und einzelfallbezogen zu prüfen, wie sich Sanierungsmaßnahmen steuerlich auswirken.
Weitere Fragen rund um dieses Thema beantwortet Jens Müller gerne.