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    19.04.2015

    Die Europäische Erbrechtsverordnung (EUErbVO)


    Am 4. Juli 2012 hat der europäische Gesetzgeber – zunächst annähernd unbemerkt – einen erheblichen Einschnitt in die Erbrechte seiner Mitgliedstaaten vorgenommen (mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien, die die EUErbVO nicht unterzeichnet haben). Nicht zuletzt für deutsche Bürger greift die EUErbVO erheblich in die Rechtsnachfolge ein und hält dabei einige – gerade auch für deutsche inhabergeführte Unternehmen – unliebsame Überraschungen parat.   Die EUErbVO bezweckt, durch eine unionsweite Neuregelung die Abwicklung internationaler Erbfälle und die Nachlassplanung innerhalb der EU zu vereinfachen.  Die neuen Regeln gelten für alle Erbfälle ab dem 17. August 2015.   I. Inhalt der Verordnung   1. Auf Erbfälle anzuwendendes Recht   Insbesondere die Ermittlung des Erbstatuts, also die Frage, nach welchem Recht der Erblasser beerbt wird, ändert sich aus deutscher Sicht grundlegend. Bislang galt das sog. Staatsangehörigkeitsprinzip, und damit das Recht des Landes, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes innehatte. Dieses wird nunmehr durch das Domizilprinzip abgelöst. Anknüpfungspunkt ist damit zukünftig der gewöhnliche Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dieser Rechtsbegriff wird allerdings in der EUErbVO nicht definiert. Entscheidend wird wohl der familiäre und soziale Lebensmittelpunkt sein.   2. Rechtswahl   Die EUErbVO sieht darüber hinaus die Möglichkeit einer Rechtswahl zugunsten des Rechts des Staates vor, dem der Erblasser zur Zeit der Rechtswahl oder zur Zeit seines Todes angehörte. Hierzu bedarf es einer formgerecht errichteten letztwilligen Verfügung. Der Bedeutung der Rechtswahl wird unter der neuen EUErbVO zunehmend mehr Gewicht beikommen.   3. Nachlasseinheit   Aufgrund der EUErbVO soll es seltener zu einer – rechtlich oft problematischen – Nachlassspaltung kommen, also der Anwendung unterschiedlicher nationaler Rechte auf denselben Erbfall. So war es bislang möglich, dass bspw. ein in Frankreich belegenes Grundstück nach französischem Erbrecht und der restliche (Welt-) Nachlass eines Deutschen nach deutschem Erbrecht vererbt wurde. Stattdessen gilt in Kürze das Prinzip der Nachlasseinheit, d. h. das ermittelte Erbrecht ist für den gesamten Nachlass maßgebend. Die EUErbVO tritt damit an die Stelle des nationalen Rechts, welches bislang noch regelt, welches materielle (Erb-) Recht gilt.   4. Gerichtliches Verfahren   Die internationale Zuständigkeit von Gerichten, Behörden etc. richtet sich ebenfalls nach dem Domizil des Erblassers, was insoweit sinnvoll ist, als das zuständige Gericht dann auch das eigene Recht anwenden wird.   Allerdings hat nach der EUErbVO die vom Erblasser getroffene Rechtswahl keinen Einfluss auf die Zuständigkeit; der „Domizilgedanke“ hat hier Vorrang. So muss nach neuer (künftiger) Rechtslage ein bspw. zuständiges spanisches Gericht deutsches Erbrecht anwenden, wenn ein in Spanien lebender Deutscher für seine Erbfolge deutsches Recht gewählt hat. Das gilt im Übrigen auch, wenn alle Erben in Deutschland leben und das Vermögen in Deutschland belegen ist. Besondere Probleme in der Nachlassabwicklung werden hier auf uns zukommen. Gerichtsstandsvereinbarungen oder Schiedsgerichtsvereinbarungen helfen nur bedingt.   5. Erleichterte Anerkennung von Urkunden   Eine erfreuliche Erleichterung schafft die EUErbVO hinsichtlich der „Annahme“ und Vollstreckung mitgliedsstaatlicher öffentlicher Urkunden und gerichtlicher Vergleiche. Die Vollstreckbarkeit innerhalb der EU wurde schon aufgrund der Brüssel-I-Verordnung deutlich erleichtert. Die EUErbVO ordnet nunmehr darüber hinaus an, dass eine in einem Mitgliedsstaat errichtete öffentliche Urkunde (bspw. ein notarielles Testament) in einem anderen Mitgliedsstaat die gleiche formelle Beweiskraft (oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung) wie im Ursprungsmitgliedsstaat hat.   6. Europäisches Nachlasszeugnis   In Zusammenhang mit dem voranstehenden Punkt steht auch die Einführung des sog. Europäischen Nachlasszeugnisses. Hierbei handelt es sich um ein Zeugnis, welches mit dem deutschen Erbschein und dem Testamentsvollstreckerzeugnis vergleichbar ist. Es tritt neben die beiden deutschen Dokumente und ermöglicht zukünftig innerhalb der EU den Nachweis der Erbenstellung oder des Testamentsvollstreckeramtes. Erbschein und / oder ein Testamentsvollstreckerzeugnis wurden bislang im Ausland oft nicht anerkannt. Allerdings ist das europäische Nachlasszeugnis zeitlich nur begrenzt gültig (sechs Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung) und hat nicht denselben öffentlichen Glauben wie ein deutscher Erbschein.   II. Problemfelder   Zuvorderst gilt, dass die EUErbVO keine Änderung bezüglich des (Erbschaft-) Steuerrechts zur Folge hat.   Sie gilt auch nicht für lebzeitige Zuwendungen, was insbesondere bei Schenkungen, bei denen Anrechnungs- und Ausgleichungsbestimmungen getroffen wurden, die nach deutschem Recht erbrechtlicher Natur sind, Probleme aufwerfen wird. Gilt ausländisches Recht, birgt dies für Erben zudem erhebliche Risiken, insbesondere mit Blick auf Fragen der Ausschlagung und der Haftung für Verbindlichkeiten des Erblassers.   Die EUErbVO verhindert auch nicht, dass das Erb- und Gesellschaftsrechtsstatut weiterhin auseinanderfallen können. Dies kann gerade für Unternehmen erhebliche Folgen haben. Man stelle sich nur den Fall vor, dass ein Gesellschafter sich im Ausland niedergelassen hat und dort verstirbt. Dies würde dazu führen, dass der Anteil an dem deutschen Unternehmen nach den Regeln des ausländischen Erbrechts vererbt werden würde, sofern der Gesellschafter keine Rechtswahl zu seinem Heimatrecht getroffen hat. Eine entsprechende Verpflichtung im Gesellschaftsvertrag, eine solche Rechtswahl zu treffen, hilft hier leider nicht weiter, denn diese wäre unwirksam.   Zudem verhindert die Verordnung leider nicht das Auseinanderfallen von Erb- und Ehegüterrechtsstatut, was – auch nach bisherigem Recht – immer wieder Probleme bereitet. So ist seit Langem umstritten, ob der pauschalierte Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB durch Erhöhung der Erbquote um ¼ güterrechtlicher oder erbrechtlicher Natur ist. Nur wenn er (auch) erbrechtlicher Natur wäre, würde er von der EUErbVO erfasst werden.   Die deutsche Besonderheit des Erbvertrages hat der europäische Gesetzgeber im Blick gehabt und hier bestimmt, dass sich die Bindungswirkung eines Erbvertrages nicht nach dem Erbstatut, sondern nach dem Errichtungsstatut, also den erbrechtlichen Regelungen an dem Ort der Errichtung, richtet. Ist demzufolge der Erbvertrag in Deutschland geschlossen worden, richtet sich seine Änderbarkeit nach deutschem Recht. Übersehen hat der europäische Gesetzgeber jedoch das in Deutschland beliebte gemeinschaftliche Testament. Da dieses in diversen anderen Rechtsordnungen der EU verboten ist, wird man mit Spannung erwarten dürfen, wie solche Testamente von den dann ggf. einschlägigen ausländischen Rechtsordnungen und Gerichten behandelt werden.   III. Gestaltungsempfehlungen   Gesellschafter sollten Vorsorge treffen, dass die Gesellschaft, an der sie beteiligt sind, nicht nach einer ihnen ggf. völlig unbekannten Rechtsordnung vererbt wird und am Ende des Tages bspw. gesellschaftsrechtliche Ausschlussklauseln oder Nachfolgeregelungen ins Leere gehen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass das (deutsche) Gesellschaftsrecht nicht durch ein ausländisches Erbrecht „ausgehebelt“ wird.   Gestaltungsspielraum bietet die EUErbVO hinsichtlich der Pflichtteilsrechte der nahen Angehörigen. Denkbar ist nunmehr die Verlagerung des Lebensmittelpunktes in ein Land, welches keine Pflichtteilsrechte kennt. Aber auch hier wird man mit Spannung auf Entscheidungen insbesondere deutscher Gerichte schauen dürfen. Artikel 35 der EUErbVO enthält nämlich einen sog. Ordre public-Vorbehalt, wonach die Anwendung einer Rechtsnorm versagt werden kann, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung des betroffenen Staates unvereinbar wäre.   Generell gilt, dass – will man Überraschungen aufgrund der Geltung fremder Rechtsordnungen vermeiden – immer eine Rechtswahl zum Heimatrecht in einer letztwilligen Verfügung getroffen werden sollte.   Bei Fragen zu diesem Thema, kontaktieren Sie bitte: Gerrit.Ponath@bblaw.com Lucas.Randenborgh@bblaw.com