Bundesarbeitsgericht vom 29.02.2024 – 8 AZR 187/23
Entscheidet sich ein öffentlicher Arbeitgeber, eine Stelle befristet auszuschreiben und in die Bewerberauswahl nur solche Bewerber einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit besteht, dass eine weitere Sachgrundbefristung des Arbeitsverhältnisses einen institutionellen Rechtsmissbrauch darstellt, so gehört dies zu der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung. Ein öffentlicher Arbeitgeber muss sich bei Ausübung seines Organisationsermessens nicht dem Risiko eines institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzen.
Die Parteien streiten darüber, ob ein Bewerber, der von einem Auswahlverfahren ausgeschlossen wurde, weil er nicht ein weiteres Mal mit Sachgrund befristet angestellt werden könnte, ohne dass der Arbeitgeber sich des Risikos einer unwirksamen Befristung infolge eines institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt, auf der ausgeschriebenen Stelle eingesetzt werden muss.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat einen Anspruch auf Übertragung der begehrten Stelle abgelehnt, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nicht vorlägen.
Der Arbeitgeber durfte den klagenden Bewerber von der Auswahl für die ausgeschriebene Stelle ausnehmen, weil bei ihm im Fall des Abschlusses eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses die naheliegende Möglichkeit bestanden hätte, dass die Befristung wegen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam wäre. Das BAG grenzt die Organisationsentscheidung von dem eigentlichen Auswahlverfahren ab und ordnet die vorliegende Entscheidung dem Organisationsermessen des öffentlichen Arbeitgebers zu. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die die Organisationsentscheidung unsachlich erscheinen lassen. Die Entscheidung sei auch hinreichend dokumentiert. In der Gesamtschau von Stellenausschreibung und begründeter Absage bestehe nicht die Gefahr der nachträglichen Veränderung der Grundlagen der Auswahlentscheidung zulasten des Bewerbers.
Weiter führt das BAG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum institutionellen Rechtsmissbrauch aus, dass in der vorliegenden Konstellation die naheliegende Möglichkeit bestünde, dass die Befristung eines weiteren Arbeitsverhältnisses mit dem klagenden Bewerber die Schwelle zum Rechtsmissbrauch überschreiten könnte.
Im Ergebnis habe der öffentliche Arbeitgeber den Bewerber daher auf Grundlage der getroffenen Organisationsentscheidung nicht in die Auswahl einbeziehen müssen.
Die Abgrenzung zwischen der Organisationsentscheidung und der sich anschließenden Bewerberauswahl ist zu begrüßen. Öffentliche Arbeitgeber, die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sind, müssen sich nicht sehenden Auges dem Risiko einer wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksamen Befristung aussetzen und insofern rechtwidrig handeln. Durch eine entsprechende Organisationsentscheidung kann eine objektiv kritische weitere Befristung von vornherein verhindert werden.
Um sich im Fall einer Klage durch einen nicht berücksichtigten Bewerber verteidigen zu können, ist zu empfehlen, die Organisationsentscheidung neben ihrer konsequenten Durchsetzung so zu dokumentieren, dass eine nachträgliche Veränderung der Auswahlgrundlagen zulasten eines Bewerbers ausgeschlossen ist. Dies gilt ebenso für die ernsthafte naheliegende Möglichkeit eines institutionellen Rechtsmissbrauchs im Fall eines weiteren befristeten Vertragsschlusses mit einem Bewerber.