Bundesarbeitsgericht vom 25. April 2018 – 2 AZR 6/18
Der 1966 geborene Arbeitnehmer war seit 1992 bei seinem Arbeitgeber tätig. Das Arbeitsverhältnis war nach den einschlägigen Tarifregelungen ordentlich unkündbar. Seit September 2011 bis einschließlich März 2013 fehlte der Arbeitnehmer ununterbrochen krankheitsbedingt. Im weiteren Verlauf des Jahres 2013 fehlte er krankheitsbedingt an insgesamt acht, im Jahr 2014 an 62 Arbeitstagen und im Jahr 2015 an 139 Arbeitstagen. Nachdem der Arbeitnehmer bis zum 31. Juli 2016 an mehr als 60 Arbeitstagen arbeitsunfähig war, kündigte der Arbeitgeber nach Zustimmung des Personalrats außerordentlich mit sozialer Auslauffrist im August 2016 mit Wirkung zum 31. März 2017.
Nach Ansicht des BAG war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar. Ausgehend von einem rückwirkenden Referenzzeitraum von drei Jahren (berechnet ab dem Zeitpunkt der Anhörung des Personalrats) ergebe sich eine durchschnittliche Fehlzeitenquote von 93 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Derartige krankheitsbedingte Fehlzeiten seien auch in Zukunft zu erwarten. Bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern, so das BAG, könne allein die zu erwartende Belastung des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlungskosten für mehr als ein Drittel der Arbeitstage im Kalenderjahr einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. In diesem Fall sei ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben, ohne dass es noch auf (weitere) fehlzeitenbedingte Betriebsablaufstörungen ankäme. Der Umfang der verwertbaren Restarbeitszeit des Arbeitnehmers sei im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass der Arbeitgeber an diesem, im Kernbereich gestörten, Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der Regelaltersrente noch für lange Jahre festhalten müsste.
Die Entscheidung des BAG ist aus Arbeitgebersicht sehr zu begrüßen, schafft das Gericht doch nun Klarheit bezüglich der Frage, wann von einem „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnis bei wiederholt erkrankten Arbeitnehmern ausgegangen werden kann. Gerade bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern scheiterten viele Kündigungen bereits daran, dass die Instanzgerichte eine negative Gesundheitsprognose trotz immenser Fehlzeiten verneinten.
Auch wenn bei jeder Kündigung die Umstände des Einzelfalls entscheiden, können sich Arbeitgeber bei der Beurteilung, ob und wann eine Kündigung wegen erheblicher Fehlzeiten ausgesprochen werden sollte, an den vom BAG festgestellten Maßstäben orientieren. Dabei wird dieses Urteil nicht nur für Arbeitnehmer, die wie hier im öffentlichen Dienst tätig sind, relevant sein.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gern an Inka Adam.