Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 09.12.2022, Az.: 4 U 20/21
Ein Vertragsstrafeversprechen, das für den Fall des Verzugs der Übergabe einer erst noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, ist auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze zulässig.
Die Parteien eines Gewerberaummietvertrags über eine vom Vermieter zu errichtende Immobilie hatten für die Verzögerung des vereinbarten Übergabetermins, der zugleich als Mietbeginn bestimmt worden war, eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 4.500 für jeden Kalendertag der Überschreitung vereinbart. Dies entsprach dem 3,76-fachen der vereinbarten Tagesmiete. Eine Obergrenze für die insgesamt zu zahlende Vertragsstrafe hatten die Parteien nicht vereinbart. Der Vermieter übergab den Mietgegenstand sodann 84 Kalendertage nach dem vereinbarten Übergabetermin, woraufhin der Mieter eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 378.000 geltend machte. Das Oberlandesgericht Bremen verurteilte den Vermieter zur Zahlung in voller Höhe.
Das OLG Bremen folgt damit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.03.2003 (Az.: XII ZR 18/00), wonach – anders als bei Bauverträgen – eine Obergrenze für die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe für die verspätete Übergabe des Mietgegenstands nicht erforderlich ist, auch wenn die Vertragsstrafe für jeden Kalendertag der Verzögerung zu zahlen ist. Lediglich bei einer sehr langen Verzögerung der Übergabe kann es ab einem bestimmten Zeitpunkt – den das OLG Bremen nicht benennt, der aber nach wenigen Monaten der Verzögerung keinesfalls bereits eintreten kann – gemäß § 242 BGB treuwidrig sein, wenn der Mieter die Fortzahlung der Vertragsstrafe verlangt. Obwohl die insgesamt vom Vermieter geschuldete Vertragsstrafe der Höhe nach etwa zehn Nettomonatsmieten ausmachte und die Verzögerung gleichwohl weniger als drei Monate betrug, sah das OLG Bremen auch keine Veranlassung, die vereinbarte Vertragsstrafe als unverhältnismäßig hoch zu bewerten, so dass die Vertragsstrafe nicht gemäß § 343 BGB herabzusetzen war. Dies ist nur ausnahmsweise unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls denkbar, wenn hierfür erhebliche Gründe vorliegen, wobei insofern immer zu berücksichtigen ist, dass die Höhe der Vertragsstrafe der autonomen Beurteilung durch die Vertragsparteien unterliegt und die Vertragsstrafe eine abschreckende Wirkung zur Verhinderung von Vertragsverstößen hat. Selbst wenn dem Mieter durch die verzögerte Übergabe kein Schaden entsteht, rechtfertigt dies für sich genommen noch nicht die Herabsetzung der Vertragsstrafe. Im Ergebnis sind Vermieter und Mieter daher in aller Regel an eine vereinbarte Vertragsstrafe auch der Höhe nach gebunden.
Langfristige gewerbliche Mietverträge vom Reißbrett enthalten regelmäßig Vertragsstrafeversprechen des Vermieters für den Fall der verzögerten Übergabe des Mietgegenstands. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld gewinnen diese immens an Bedeutung, da Verzögerungen im Rahmen von Bauprojekten erheblich zunehmen. Jeder Vermieter, der vor der baulichen Fertigstellung einen Mietvertrag abschließt, sollte sich daher im Rahmen der Vertragsverhandlungen darum bemühen, die je Kalendertag geschuldete Vertragsstrafe so gering wie möglich zu halten und zudem die insgesamt zu zahlende Vertragsstrafe betragsmäßig zu begrenzen. Andernfalls droht ein Szenario, wonach er neben den ohnehin wegen der Verzögerung bereits gestiegenen Planungs- und Baukosten auch eine Vertragsstrafe an den Mieter zahlen muss, deren Höhe durchaus recht schnell eine Jahresmiete oder mehr erreichen kann. Die Entscheidung des OLG Bremen bestätigt, dass die Gerichte nicht korrigierend zugunsten des Vermieters eingreifen, wenn eine hohe Vertragsstrafe erst einmal vereinbart ist. Es obliegt daher der sorgfältigen Vertragsgestaltung des Vermieters, das eigene Risiko angemessen zu reduzieren.