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    07.11.2018

    EuGH zu gewerbesteuerlichen Schachteldividenden von Auslandstöchtern


    EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-685/16, EV ./. FA Lippstadt

     

    Hintergrund

     

    Der EuGH hat aktuell auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Münster hin entschieden, dass die strengeren Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs für internationale Dividendenzahlungen – Dividenden von Tochtergesellschaften im Drittland – europarechtswidrig sind.

     

    Entscheidungssachverhalt

     

    Im Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Münster ging es um Dividenden einer Auslandsholding an einen Automobilzulieferer. Der Automobilzulieferer war Organträger einer deutschen Holding GmbH (R GmbH), die zu 100 Prozent an der Hella Asia Pacific Pty. Ltd., einer australischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Australien, beteiligt war. Die australische Gesellschaft war wiederrum Holding für Beteiligungen im asiatisch-pazifischen Raum und bezog im Jahr 2009 von ihrer Tochtergesellschaft auf den Philippinen eine Gewinnausschüttung in Höhe von ca. EUR 340.000. Im selben Jahr schüttete die australische Gesellschaft an die R GmbH als Holding eine Dividende in Höhe von ca. EUR 27,5 Mio. aus. Der Betriebsprüfer stellte fest, dass die Dividendenzahlungen nach § 8b Abs. 1 und 5 KStG mit 5 Prozent steuerpflichtig seien. Für die Gewerbesteuer stellte das Finanzamt fest, dass die Dividenden zu 100 Prozent steuerpflichtig seien, da die Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG 2002 für die Inanspruchnahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Hinzurechnung nicht erfüllt seien. Hiergegen wehrte sich der Automobilzulieferer mit Einspruch und Klage.

     

    Entscheidung des EUGH

     

    Der EuGH stellte fest, dass das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg mit den erhöhten Voraussetzungen für internationale Dividendenzahlungen europarechtswidrig ist. Denn während für die gewerbesteuerliche Freistellung für Dividendenzahlungen von inländischen Tochtergesellschaften allein die Mindestbeteiligung von 15 Prozent seit Beginn des Erhebungszeitraums verlangt wird, wird für die Dividendenzahlung von ausländischen Gesellschaften zusätzlich verlangt, dass die Einkünfte aus sog. aktiven Tätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG) stammen.

     

    In rechtlicher Hinsicht stellte der EuGH zunächst fest, dass sich der Fall auf die Dividendenzahlung einer Tochtergesellschaft in Australien und damit aus dem Drittland außerhalb der Europäischen Union bezieht. Die Vorlagefrage sei nach Art. 63 AEUV und damit nach den Kriterien des freien Kapitalverkehrs zu prüfen. Da es um die unterschiedliche Behandlung von Dividenden einer im Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft gegenüber einer inländischen Tochtergesellschaft gehe und es nicht darauf ankomme, in welcher Weise das Mutterunternehmen Einfluss auf die Entscheidungen des Tochterunternehmens nehme, sei nicht die Niederlassungsfreiheit, sondern der freie Kapitalverkehr einschlägig. Nach deren Kriterien erfolgt die Prüfung der Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs.

     

    Der EuGH stellte fest, dass für inländische Tochtergesellschaften als Voraussetzung des Schachtelprivilegs lediglich die Mindestbeteiligung von 15 Prozent zu Beginn des Erhebungszeitraums verlangt wird. Bei Dividenden einer im Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft verlangt hingegen § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG 2002, dass neben der seit Beginn des Erhebungszeitraums bestehenden Mindestbeteiligung von 15 Prozent die Bruttoerträge zusätzlich aus bestimmten aktiven Einkünften nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AStG stammen müssen. Alternativ kann nachgewiesen werden, dass es sich um Einkünfte von Enkelgesellschaften handelt, an denen die Tochtergesellschaft zu mindestens 25 Prozent am Stammkapital beteiligt ist, dass die Tochtergesellschaft eine Landesholding oder eine Funktionsholding darstellt und dass die Enkelgesellschaft ihre Bruttoeinkünfte fast ausschließlich ebenfalls aus aktiver Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG erzielt. Durch diese Regelung stellt § 9 Nr. 7 GewStG strengere Voraussetzungen für Dividenden, die Tochtergesellschaften im Drittlandgebiet ausschütten, als für Dividenden inländischer Tochtergesellschaften. Durch die strengeren Voraussetzungen sind Kapitaleinkünfte aus Drittstaaten, die steuerlich ungünstiger behandelt werden, für gebietsansässige Anleger weniger attraktiv als Aktien an inländischen Tochtergesellschaften.

     

    Der EuGH stellte fest, dass entgegen der Auffassung des Finanzamts und der deutschen Regierung kein „Bestandsschutz“ gilt, weil die strengere Regelung schon am 31. Dezember 1993 bestand. Die deutsche Regierung musste selbst einräumen, dass die Vorschrift nach § 9 Nr. 7 GewStG sowohl im persönlichen als auch im materiellen Anwendungsbereich mehrmals geändert worden ist. Deshalb kann die in Frage stehende Vorschrift keinen „Bestandsschutz“ mehr genießen. Zudem stellt die Regelung eine verbotene Diskriminierung dar. Denn grundsätzlich liegt bei der Gewinnausschüttung von inländischen gegenüber im Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaften eine vergleichbare Situation vor.

     


    Der von der Bundesregierung angeführte Regelungszweck, dass durch § 9 Nr. 7 GewStG Steuerhinterziehungen und Missbräuche verhindert werden sollen, hat den EuGH nicht überzeugt. Denn im vorliegenden Fall ließen sich weder den Akten noch den Erläuterungen der deutschen Regierung entnehmen, welche Art von Missbrauch bekämpft werden sollte. Insbesondere die Einstufung einer Tochtergesellschaft als Funktionsholding oder Handelsholding stelle eine unwiderlegbare Missbrauchsvermutung dar.

     

    Nach alledem war für den EuGH klar, dass die strengeren Voraussetzungen für Dividendenzahlungen in § 9 Nr. 7 GewStG europarechtswidrig sind.

     

    Fazit und Folgen für die Praxis

     

    Das Urteil des EuGH ist uneingeschränkt zu begrüßen, da es eine ungerechtfertigte Benachteiligung ausländischer Dividendenzahlungen klar benennt. Tatsächlich wird das Urteil eine wesentliche Erleichterung für international agierende Unternehmen bzw. Gesellschaften bringen. Insbesondere hat der EuGH erneut klargestellt, dass allgemeine Missbrauchsvermutungen nicht genügen, um Auslandssachverhalte zu diskriminieren bzw. diskriminierende Steuervorschriften zu rechtfertigen.

     

    Konkret hat die Vorschrift Bedeutung für alle Gesellschaften, die Beteiligungen im Drittlandgebiet halten und von diesen Dividenden bzw. Ausschüttungen erhalten. Alle diese Gesellschaften kommen – nach unserer Auffassung auch für alle noch offenen Jahre seit Einführung der Vorschrift im Jahr 2002 – in den Genuss des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs. Für all diese Fälle sollte die Umsetzung der EuGH-Entscheidung geltend gemacht werden.

     

    Daneben hat die Entscheidung des EuGH auch Indizwirkung für weitere Vorschriften des nationalen deutschen Steuerrechts, die ebenfalls Auslandssachverhalte diskriminieren und lediglich eine allgemeine Missbrauchsvermutung aufweisen. Dies gilt bspw. für bestimmte Regelungen nach § 50d EStG, die ebenfalls unterschiedliche Anforderungen für In- und Auslandssachverhalte stellen.

     

    Wir dürfen gespannt sein, wie die konkrete EuGH-Entscheidung umgesetzt wird, insbesondere ob und wie der

    nationale deutsche Gesetzgeber die Regelung in § 9 Nr. 7 GewStG ändert und ob weitere deutsche Rechtsvorschriften geändert werden.

     

    Gerne stehte Ihnen Dr. Michael Hils bei Fragen zur Verfügung.

     

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