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Keine Gewährleistungsansprüche vor Abnahme

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13e

Sachverhalt

Der Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit der Durchführung von Fassadenarbeiten an unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden. Unter anderem waren bestimmte Fassadenanstriche durch den Auftragnehmer vorzunehmen. Eine Abnahme der Leistungen erfolgte nicht. Der Auftraggeber rügte die Verwendung eines falschen Materials zum Anstrich und setzte eine Frist zur Mängelbeseitigung. Der Auftragnehmer und spätere Beklagte lehnte eine Mängelbeseitigung ab. In einem daraufhin vom Auftraggeber eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren wurde der vom Auftraggeber gerügte Mängel bestätigt. Der Auftraggeber verklagte daraufhin den Auftragnehmer auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung gemäß § 637 Abs. 3 BGB.

Das Landgericht Landshut gab der Klage statt. Die Berufung vor dem Oberlandesgericht München wurde zurückgewiesen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das stattgebende Urteil aufgehoben und die Klage zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen. Entscheidende Ausgangsfrage für die rechtliche Bewertung war, ob der Vorschussanspruch für die Kosten einer Mängelbeseitigung gemäß § 637 Abs. 3 BGB geltend gemacht werden kann, obwohl noch keine Abnahme stattgefunden hat.

Der Bundesgerichtshof verneint dies, soweit nicht bestimmte Ausnahmetatbestände vorliegen.

Die Mängelfreiheit eines Bauwerkes beurteilt sich grundsätzlich im Zeitpunkt der Abnahme. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Auftragnehmer grundsätzlich frei, wie er den Anspruch des Auftraggebers auf mängelfreie Herstellung erfüllt. Greift der Auftraggeber noch während der Herstellungsphase auf seine Mängelansprüche zurück, kann dies einen Eingriff in dieses Recht des Auftragnehmers sein.

Vor Abnahme stehen dem Auftraggeber daher lediglich die Ansprüche auf Herstellung des mängelfreien Werkes sowie die Regelungen des sogenannten Allgemeinen Leistungsstörungsrechtes zu. Hierdurchist der Auftraggeber nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ausreichend geschützt.

Ausnahmsweise können die Gewährleistungsansprüche jedoch bereits vor Abnahme mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sich das Vertragsverhältnis bereits in ein Abrechnungs- oder Abwicklungsverhältnis umgewandelt hat. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Auftraggeber ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Bauunternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammen arbeiten zu wollen.

Da diese Ausnahmen hier jedoch nicht erkennbar waren, stand dem Auftraggeber kein Anspruch auf Kostenvorschuss für eine Mängelbeseitigung vor Abnahme zu.

Konsequenzen für die Praxis

Diese grundsätzliche Entscheidung des BGH zur Anwendbarkeit der Gewährleistungsansprüche wurde in weiteren Urteilen fortgeführt und konkretisiert. Auch eine Minderung des Werklohnes ist grundsätzlich nicht vor Abnahme möglich (BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15). Ansprüche des Auftraggebers sind daher auf andere Anspruchsgrundlagen zu stützen. Insbesondere kommen Schadensersatzersatzansprüche wegen Verzug mit der Herstellung der vertragsgemäßen, mängelfreien Leistung in Betracht.

Praxistipp

Die Geltendmachung der Ansprüche gegen den Werkunternehmer bedarf einer genauen Analyse der bestehenden Situation. Insbesondere sollte rechtlich untersucht werden, auf welchem Wege das Ziel des Auftraggebers erreicht werden kann, insbesondere, ob eine Abnahme unter Vorbehalt erklärt werden soll oder die Rechte des Allgemeinen Leistungstörungssrechts zielführend sind.

Darüber hinaus ist im Rahmen eines VOB-Vertrages stets darauf zu achten, dass vor der Beauftragung etwaiger Ersatzvornahmen eine Kündigung des Bauvortrages erfolgt, da andernfalls die Ersatzvornahmekosten nicht erfolgreich durchgesetzt werden können.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, kontakrieren Sie bitte Herrn Thomas Herten.

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