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Aktuelle Rechtsprechung zum Bau- und Architektenrecht

In diesem Beitrag werden die wichtigsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Bau- und Architektenrecht der vergangenen zwölf Monate kurz praxisnah dargestellt und deren Auswirkungen auf die künftige Vertragspraxis sowie auf Rechtsstreitigkeiten dargestellt.

1. Nutzungsausfallentschädigung bei verzögerter Baufertigstellung

Mit Urteil vom 20. Februar 2014 (NJW 2014, 1374) hat der BGH entschieden, dass dem Erwerber während des Verzugs eines Bauträgers mit der Übergabe der herzustellenden Eigentumswohnung eine Nutzungsausfallentschädigung zusteht, wenn ihm kein gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung steht. Der BGH überträgt damit die Rechtsprechung der deliktischen Haftung für den Entzug von Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, auf vertragliche Verhältnisse. Daher kann der Erwerber in einem solchen Fall Ausgleich für die Vorenthaltung der Gebrauchsmöglichkeit verlangen. Voraussetzung ist allein, dass eine fühlbare Gebrauchsbeeinträchtigung gegeben sein muss, das heißt der vorherig genutzte Wohnraum eine deutlich geringere Qualität aufweist. Maßstab ist somit ein Vergleich zwischen der tatsächlich verfügbaren und der erworbenen Wohnung.

Praxistipp: Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH die Rechte der Erwerber deutlich gestärkt. Sie können nicht lediglich konkret dargelegte Kosten, die etwa aus der Anmietung von Ersatzwohnraum resultieren, als Schaden geltend machen, sondern auch Schadensersatz verlangen, wenn sie die bisherige Wohnung weiternutzen und diese zum Beispiel erheblich kleiner ist als die neu erworbene Wohnung. Diese Rechtsprechung dürfte nicht nur für den Verzug anwendbar sein, sondern auch, wenn die neu errichtete Wohnung wegen Mängeln zunächst nicht genutzt werden kann.

2. Anspruch auf Bauhandwerkersicherung auch nach Kündigung des Bauvertrages

Nach § 648a BGB kann der Werkunternehmer vom Auftraggeber eine Sicherheit für die noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. In der bis zum 1. Januar 2009 geltenden Gesetzesfassung wurde die Sicherheit noch ausdrücklich für die durch den Werkunternehmer "zu erbringenden Vorausleistungen" gewährt. Daher war bislang umstritten, ob eine Sicherheit nach der Neufassung des Gesetzes auch dann verlangt werden kann, wenn keine Vorausleistungen mehr zu erbringen sind, insbesondere dann, wenn der Bauvertrag bereits gekündigt ist.

Der BGH stellt in seiner Entscheidung vom 6. März 2014 (NJW 2014, 2186) klar, dass der Unternehmer auch nach Kündigung des Bauvertrages eine Sicherheit nach § 648a BGB verlangen kann. Das Gesetz gewähre dem Auftragnehmer eine Sicherung für die vereinbarte Vergütung, so dass alleinige Voraussetzung für das Sicherungsbegehren ist, dass noch eine Vergütung aussteht. Allerdings führt der BGH auch aus, dass es zur Begründung der Klage nicht ausreiche, dass der Auftragnehmer sich schlicht auf die im Vertrag vereinbarte Preisabrede bezieht, sondern eine schlüssige Darlegung der ihm nach der erfolgten Kündigung zustehenden Vergütung nötig sei.

Somit muss der Bauhandwerker im Fall einer außerordentlichen Kündigung seinen Vergütungsanspruch für die bisher erbrachten Leistungen bzw. im Falle einer freien Kündigung nach § 649 BGB eine Berechnung des Vergütungsanspruchs unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen darlegen. Wenn die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des dargelegten Vergütungsanspruchs zwischen den Parteien streitig sind, ist dem Bauunternehmer die Sicherheit in Höhe der schlüssig dargelegten Vergütung ohne Klärung dieser Streitfragen – also ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens – zuzusprechen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung dieser Streitfragen nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt, also insbesondere dann, wenn eine Beweisaufnahme hierfür nicht notwendig ist.

Praxistipp: Die vorliegende Entscheidung stärkt die Rechte der Auftragnehmer und bietet eine Möglichkeit, den Auftragnehmer im Vorfeld einer möglicherweise lang andauernden Streitigkeit über die Vergütungsfolgen einer Kündigung abzusichern. Für den Auftraggeber ist daher Vorsicht geboten, wenn der Auftragnehmer von ihm eine Sicherheit fordert. Eine solche Forderung sollte nicht leichtfertig zurückgewiesen werden, da anderenfalls ein Prozessverlust drohen kann.

Darüber hinaus droht eine zusätzliche finanzielle Belastung des Auftraggebers, wenn er sowohl dem gekündigten Bauunternehmer als auch dem zur Weiterführung der Arbeiten beauftragten Unternehmer eine Sicherheit stellen muss.

3. Kein Wertersatz für Schwarzarbeit In einem vielbeachteten Urteil vom 10. April 2014 (NJW 2014, 1805) hat der BGH die zivilrechtlichen Auswirkungen einer "Schwarzgeldabrede" noch einmal deutlich verschärft. Der Entscheidung des BGH lag ein Werkvertrag zugrunde, bei dem zwischen dem Bauherrn und dem Werkunternehmer vereinbart war, dass ein Teil der Pauschalvergütung "ohne Rechnung und ohne Umsatzsteuer" gezahlt werden solle. Nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme kam es zwischen den Parteien zu einem Streit über noch ausstehende Restzahlungen. Diese klagte der Werkunternehmer ein. Der BGH versagte dem Werkunternehmer sowohl den Vergütungsanspruch als auch einen bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch.

Im Einklang mit der bereits zuvor ergangenen Rechtsprechung (Urt. v. 1. August 2013, NJW 2013, 3167) bestätigte der BGH zunächst die Nichtigkeit des Vertrages. Seinerzeit hatte der BGH bereits festgestellt, dass Gewährleistungsansprüche aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages nicht bestehen. Folgerichtig stellt der BGH nunmehr fest, dass aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages auch keine vertragliche Vergütung gefordert werden kann.

Zu prüfen hatte der BGH jedoch vorliegend noch, ob ein bereicherungsrechtlicher Wertersatz vom Auftraggeber zu leisten ist. Denn immerhin hatte der Auftraggeber die Leistungen bereits erhalten. Zwar werden bei einem nichtigen Vertrag die entsprechenden Leistungen ggf. rückabgewickelt, wenn die Parteien dies verlangen. Da die Herausgabe der Werkleistungen nicht mehr möglich ist, kommt lediglich eine Leistung von Wertersatz für die Arbeiten in Betracht. Dem steht jedoch nach Auffassung des BGH § 817 S. 2 BGB entgegen. Hiermit nimmt der BGH eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung vor, nach der er einen Anspruch auf Wertersatz grundsätzlich für möglich erachtet hatte. Dies hat zur Folge, dass dem Auftraggeber keinerlei Ansprüche mehr zustehen, und er letztlich – je nach Fallgestaltung – seine Werkleistung vollständig ohne Vergütung erbringt. Andererseits ist es auch möglich, dass der Auftraggeber bereits Vorausleistungen erbracht hat, er aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages jedoch weder einen Anspruch auf Errichtung des Objekts noch auf Rückgewähr der bereits geleisteten Vorauszahlungen erhält.

Praxistipp: Von dem Abschluss von Werkverträgen mit einer vollständigen oder auch teilweisen Abrede, keine Umsatzsteuer zu zahlen und keine Rechnung zu stellen, wird dringend abgeraten. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund, dass dies erhebliche Bußgelder auslösen kann. Die wirtschaftlichen Folgen können ebenfalls erheblich sein. So kann der Auftragnehmer seine Vergütungsansprüche vollständig verlieren, während der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche hat und bei Vorausleistungen ebenfalls keine Gegenleistung oder Rückforderung mehr erhält.

4. Unwirksamkeit des Baukostenvereinbarungsmodells in der HOAI

Mit Urteil vom 24. April 2014 (NJW 2014, 2354) hat der Bundesgerichtshof § 6 Abs. 2 HOAI 2009 – der auch der Neufassung in § 6 Abs. 3 HOAI 2013 entspricht – für unwirksam erachtet. Nach dieser Regelung können die Parteien, wenn zum Zeitpunkt der Beauftragung noch keine Planungen als Voraussetzung für eine Kostenschätzung oder Kostenberechnung vorliegen, schriftlich vereinbaren, dass das Honorar auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten einer Baukostenvereinbarung berechnet wird. Diese Baukostenvereinbarung kann, wenn die tatsächlich im Nachhinein anfallenden Baukosten von der Baukostenvereinbarung abweichen, dazu führen, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI unter- bzw. überschritten werden. Der Verordnungsgeber, der die HOAI erlassen hat, war aber gemäß Art. 10 §§ 1, 2 MRVG nur ermächtigt, die Mindest- und Höchstsätze des Architektenhonorars verbindlich festzulegen. Eine abweichende Honorierung durfte er nicht festsetzen, so dass die entsprechende Regelung nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt war und unwirksam ist.

Die Entscheidung bedeutet nicht, dass jede Baukostenvereinbarung von vorneherein unwirksam ist. Die Vereinbarung bleibt wirksam, wenn sich das Honorar innerhalb der Mindest- und Höchstsätze bewegt.

Praxistipp: Mit der Entscheidung des BGH ist das Baukostenvereinbarungsmodell praktisch wertlos geworden, da die angestrebte Kostensicherheit mit einer solchen Vereinbarung nicht mehr erreicht werden kann. Architektenverträge, die eine solche Regelung enthalten, sollten daraufhin überprüft werden, ob die Einhaltung der Mindest- und Höchstsätze gewährleistet ist. Auftraggeber könnten hier Honorar einsparen, Architekten möglicherweise eine höhere Vergütung verlangen.

5. Unwirksamkeit einer Stoffpreisgleitklausel der öffentlichen Hand

Mit Urteil vom 1. Oktober 2014 (AZ: VII ZR 344/13, NJW 2015, 49) hat der BGH die HVA B-StB-Stoffpreisgleitklausel (03/06) für Stahl als überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB bewertet. Die Klausel ist damit unwirksam, soweit sich der Auftragnehmer auf die Unwirksamkeit der Gleitklausel beruft. Bei Anwendung dieser Klausel setzt der Auftraggeber einen bestimmten Marktpreis für den Stoff fest, den der Auftragnehmer bei der Berechnung seiner Angebotspreise zu beachten hat. Auf die tatsächlichen Einkaufspreise des Auftragnehmers zum Zeitpunkt seiner Angebotsabgabe kommt es hingegen nicht an. Darüber hinaus ist der Auftragnehmer verpflichtet, möglichst Festpreise mit seinen Lieferanten zu vereinbaren.

Im Ergebnis kann es dazu kommen, dass der Auftragnehmer bei einer entsprechenden Kostenentwicklung für die Lieferung des Stoffes keine Vergütung mehr erhält. Mit einer solchen Folge der Stoffpreisgleitklausel muss der Auftragnehmer nicht rechnen, so dass es sich um eine überraschende Klausel handelt.

Praxistipp: Die Stoffpreisgleitklausel ist in gleicher oder ähnlicher Form auch in anderen Vergabebedingungen enthalten. Auftragnehmer sollten daher Rechnungskürzungen aufgrund einer solchen Stoffpreisgleitklausel nicht hinnehmen. Auch bereits schlussgerechnete Verträge können gegebenenfalls noch einmal überprüft werden, da Rückforderungsansprüche bestehen könnten. Für Auftraggeber stellt sich die Frage, ob sie nicht besser von vornherein auf derartige Stoffpreisgleitklauseln verzichten, da sie sich als Verwender nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen können, falls die Klausel zu einer Erhöhung der zu zahlenden Vergütung führt. Der Auftraggeber partizipiert daher nur an den Nachteilen der Klausel, sieht sich jedoch bei einer Verringerung der Vergütung dem Einwand der Unwirksamkeit der Klausel ausgesetzt.

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