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Bundesarbeitsgericht entscheidet hochbrisante Frage: Neue Allzweckwaffe des Betriebsrats? Darf der Betriebsrat zukünftig gegen den Willen des Arbeitgebers neues Personal einstellen?

Erfurt/München, 18. November 2019 – Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat morgen darüber zu entscheiden, wie weit das Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrats einer Klinik bei der Besetzung der Stationen reicht: Müssen Unternehmen künftig den Betriebsrat miteinbeziehen, wenn sie ihre Personalplanung erstellen? Kann der Betriebsrat eine personelle Mindestbesetzung, z. B. auf Klinikstationen, gegen den Willen des Arbeitgebers erzwingen (1 ABR 22/18)?

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klink mit 300 Mitarbeitern und rund 350 Betten. Es ist ein Betriebsrat gewählt, der diversen Dienstplänen der Arbeitgeberin widersprochen hatte, weil er die Besetzung des Pflegepersonals auf den Stationen für nicht ausreichend hält. Die Streitigkeiten über die Mindestbesetzung gaben Anlass zur Einrichtung einer sog. Einigungsstelle. Eine Einigungsstelle ist eine im Betriebsverfassungsgesetz vorgegebene Instanz zur Beilegung von Konflikten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mithilfe eines unparteiischen Einigungsstellenvorsitzenden. In der ersten Sitzung 2013 wurde beschlossen, einen externen Gutachter zu beauftragen, der die gesundheitliche Gefährdung des Personals beurteilen sollte. Das Gutachten hob diverse gesundheitsrelevante Probleme hervor. Aus Sicht der Arbeitgeberin wurden diese Probleme in der Folgezeit abgearbeitet – nicht jedoch aus Sicht des Betriebsrats, der weiterhin eine konkrete Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer annahm. Deswegen trat die Einigungsstelle 2016 erneut zusammen und beschloss – dieses Mal ohne Zustimmung der Arbeitgeberin – die Einholung eines weiteren Gutachtens mit dem Schwerpunkt der psychischen Belastung des Personals. Auf Grundlage dieses Gutachtens kam es nach abermals erfolglosen Verhandlungen zu einem Einigungsstellenspruch, der detaillierte Regelungen zur Mindestbesetzung auf den Stationen enthielt. Diesen Spruch hat die Arbeitgeberin angefochten.

Sie argumentiert, dass der Betriebsrat in dieser Angelegenheit kein Mitbestimmungsrecht habe, die Regelungen nicht von der Kompetenz der Einigungsstelle gedeckt seien, sondern ihre unternehmerische Freiheit beschnitten. Der Betriebsrat argumentiert, es handele sich um Gesundheitsmaßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer. Er habe damit ein Mitbestimmungsrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz.

"Das anstehende Urteil ist voraussichtlich die wichtigste arbeitsrechtliche Entscheidung in diesem Jahr", sagt Dr. Wolfgang Lipinski, Arbeitsrechtspartner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei BEITEN BURKHARDT in München. "Würde das Bundesarbeitsgericht der Position des Betriebsrats folgen, läge die Brisanz der Entscheidung darin, dass der Betriebsrat zukünftig gegen den Willen des Arbeitgebers über 'die Hintertür' des Gesundheitsschutzes die Einstellung von neuem zusätzlichen Personal erzwingen könnte", so der Fachanwalt für Arbeitsrecht weiter. "Ein derartiges Urteil würde Betriebsräten eine 'Allzweckwaffe' einräumen und es hätte Bedeutung weit über den Klinikbereich hinaus, insbesondere für den Einzelhandel und für Logistikunternehmen." Dr. Lipinski abschließend: "Aus Arbeitgebersicht ist zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Personalplanung ablehnt, es insoweit rechtliche Klarheit schafft und damit den Kernbereich der grundgesetzlich geschützten Unternehmerfreiheit respektiert. Zu diesem Kernbereich gehört nämlich die Entscheidung, mit welcher Anzahl an Mitarbeitern die jeweils anfallenden Arbeiten zu erfüllen sind, genauso wie die Entscheidung, ob der Arbeitgeber das Arbeitsaufkommen mit eigenem Stammpersonal oder mit Fremdpersonal bewältigt."

Dr. Wolfgang Lipinski steht für weitere Informationen, Stellungnahmen und Gastbeiträgen gerne zur Verfügung.

KONTAKT
Dr. Wolfgang Lipinski (Leitung der Praxisgruppe Arbeitsrecht)
Tel.: +49 89 350 65 – 1133
E-Mail: Wolfgang.Lipinski@bblaw.com


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