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Zweites Corona-Steuerhilfegesetz: steuerliche Erleichterungen einerseits, erhebliche steuerstrafrechtliche Auswirkungen andererseits

Corona-Steuerhilfe oder lex cum/ex? Hauptsache Steuerstrafrecht!

Mit einem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) will die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Wirtschaft schnell wieder an Schwung gewinnt (RegE, S.1). Neben einer zeitlich befristeten Senkung der Umsatzsteuer sieht der Entwurf diverse weitere Steuervergünstigungen vor. Durch die Hintertür sollen aber auch Regelungen geschaffen werden, die erhebliche steuerstrafrechtliche Auswirkungen haben: Ein neu einzufügender § 375a AO soll auch dann noch eine strafrechtliche Einziehung ermöglichen, wenn der Steueranspruch bereits verjährt ist (siehe 1.). Zudem wird mit Neuerungen in § 376 AO die Verjährung von Steuerstraftaten verlängert und hinausgezögert (siehe 2.).

1. Strafrechtliche Einziehung trotz steuerrechtlicher Verjährung

Seit nunmehr fast drei Jahren findet das „neue“ Recht der Einziehung von Taterträgen Anwendung. In diesem Zusammenhang war es zunächst umstritten, inwieweit steuerrechtlich verjährte und damit erloschene Steueransprüche (§ 47 AO), denen eine Steuerstraftat zugrunde liegt, noch im Wege einer strafrechtlichen Vermögenseinziehung als Taterträge abgeschöpft werden können.

Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis insbesondere durch Verjährung. Nach § 73e Abs.

1 StGB ist eine Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist.

Anknüpfend an den Wortlaut von § 47 AO und § 73e Abs. 1 StGB hatte der BGH im Oktober 2019 (Beschluss vom 19.10.2019 –1 StR 173/19) entschieden, dass die Einziehung bei verjährten Steueransprüchen, trotz fehlender Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme, nach der aktuellen Gesetzeslage nicht möglich ist, da die Begriffe des „Erlöschens“ in § 47 AO und § 73e StGB einheitlich auszulegen sind.

Der Gesetzgeber will die Einziehung nun auch in Fällen ermöglichen, in denen der Steueranspruch bereits verjährt und damit erloschen ist. § 375a AO-E sieht insoweit vor, dass das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 AO einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach § 73 StGB nicht entgegensteht.

Damit wäre künftig auch dann eine Einziehung möglich, wenn nicht nur die zugrundeliegende Steuerstraftat strafrechtlich verjährt ist (vgl. § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB), sondern auch eine steuerrechtliche Verjährung eingetreten ist.

Bedeutung gewinnt diese Gesetzesänderung auch in Verfahren gegen Unternehmen, wenn sich diese in Zukunft nach einem Verbandssanktionengesetz (VerSanG) entsprechend dem aktuellen Referentenentwurf richten und die vorgeworfene Verbandstat eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist. In einem solchen Verfahren soll nämlich „die Einziehung des aus der Verbandstat Erlangten […] neben der Verbandssanktion nach §§ 73 ff. StGB“ erfolgen (RefE d. VerSanG v. 20.4.2020, S. 77).

Die geplante Änderung soll zudem durch eine Anwendungsregelung flankiert werden und gemäß Artikel 97 § 33 EGAO-E für alle bei Inkrafttreten der Änderung noch nicht verjährten Steueransprüche gelten.

2. Änderungen in Bezug auf die strafrechtliche Verjährung der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall

Mit den geplanten Änderungen in § 376 AO wird Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist genommen (siehe 2.1) und die Frist der absoluten Strafverfolgungsverjährung verlängert (siehe 2.2).

2.1 Hemmung bei Verfahren vor dem Landgericht (§ 376 Abs. 1 Hs. 2 AO-E)

Gemäß § 376 Abs. 1 AO beträgt die Verjährungsfrist in den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung zehn Jahre. Hieran soll ein zweiter Halbsatz angeknüpft werden, der eine entsprechende Anwendung des § 78b Abs. 4 StGB regelt (§ 376 Abs. 1 Hs. 2 AO-E).

Nach § 78b Abs. 4 StGB ruht die Verjährung in den Fällen, in denen das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle eine Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren androht und das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden ist, ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens für einen Zeitraum von fünf Jahren.

Die Anwendung dieses Hemmungstatbestands soll sicherstellen, dass auch bei komplexen Steuerstrafverfahren ausreichend Aufarbeitungszeit zur Verfügung steht (RegE, S. 31).

2.2 Verlängerung der Frist der absoluten Strafverfolgungsverjährung (§ 376 Abs. 3 AO-E)

Mit der Einfügung eines neuen Absatzes 3 in § 376 AO soll in Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung zudem die Frist der absoluten Strafverfolgung auf 25 Jahre verlängert werden. Insoweit regelt § 376 Abs. 3 AO-E, dass die Verfolgung abweichend von § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 StGB genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung spätestens verjährt, wenn seit dem in § 78a StGB bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

Nach § 78a StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist. Dies ist z. B. bei der unterlassenen Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder Umsatzsteuerjahreserklärung der Fall, wenn die Abgabefrist verstrichen ist.

Im Regelfall tritt gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB eine absolute Verfolgungsverjährung ein, wenn seit der Tatbeendigung das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist vergangen ist. Bei besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO zehn Jahre und die absolute Verfolgungsverjährung somit gegenwärtig 20 Jahre. Eine besonders schwere Steuerhinterziehung liegt beispielsweise vor, wenn Steuern in großem Ausmaß verkürzt werden (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), was nach der Rechtsprechung des BGH der Fall ist, wenn der Hinterziehungsbetrag EUR 50.000,- übersteigt.

Durch den geplanten § 376 Abs. 3 AO-E würde sie in Zukunft auf 25 Jahre verlängert.

Zu dem Umstand, dass es sich hierbei um eine lex cum/ex handelt, verliert der Regierungsentwurf, anders als der vorausgegangene Entwurf des Bundesministeriums der Finanzen, kein Wort (vgl. auch DER SPIEGEL)

3. Fazit

Der Regierungsentwurf des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes bringt auf den ersten Blick eine Vielzahl steuerlicher Erleichterungen mit sich, führt aber durch die Hintertür nicht nur unerhebliche steuerstrafrechtliche Verschärfungen ein.

Gerade die Regelung zur Vermögenseinziehung wird in der Praxis durch künftig weitreichendere Vorteilsabschöpfungen Wirkung entfalten. Betroffene müssen damit rechnen, dass es auch bei verjährten Steuerstraftaten und erloschenem Steueranspruch noch zu einer Abschöpfung der Vorteile kommt.

Mit Blick auf die geplanten Neuregelungen in § 376 AO ist zu konstatieren, dass diese der drohenden Verjährung in einer Vielzahl von cum/ex-Verfahren geschuldet sind und damit letztlich eine lex cum/ex darstellen. Was mit Blick auf steuerstrafrechtlich komplexe Großverfahren zielführender ist - eine Verlängerung von Verjährungsfristen oder aber Investitionen in die Ausstattung der Justiz - wird sich zeigen. Jedenfalls wird nach den Änderungsplänen künftig eine über die – steuerliche und strafrechtliche – Verjährung hinausgehende Einziehung der erlangten Vorteile möglich sein.

Timo Handel