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Verrechenbarkeit von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich

Bundesarbeitsgericht vom 12. Februar 2019 – 1 AZR 279/17

Abfindungen aufgrund eines Sozialplans und aufgrund eines gesetzlichen Nachteilsausgleichs können miteinander verrechnet werden.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin fasste die Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, in dem der spätere Kläger tätig war. Über die damit verbundene Massenentlassung unterrichtete sie den Betriebsrat. Noch bevor in einer Einigungsstelle über einen Interessenausgleich verhandelt werden konnte, kündigte die Arbeitgeberin u.a. das Arbeitsverhältnis des Klägers. Nach Rücknahme seiner dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage erstritt der Kläger einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz in Höhe von 16.307,20 EUR brutto. Ein Nachteilausgleich muss bezahlt werden, wenn ein Unternehmer entweder von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung abweicht und Arbeitnehmer infolge dieser Abweichung entlassen werden oder aber ohne hinreichenden Versuch eines Interessenausgleichs eine geplante Betriebsänderung durchführt und Arbeitnehmer infolge der Maßnahme entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Zuvor hatte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat einen Sozialplan vereinbart, wonach dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 9.000 EUR brutto zusteht. Diesen Betrag zahlte die Arbeitgeberin unter Hinweis auf den von ihr bereits beglichenen Nachteilsausgleich nicht aus.

Entscheidung

Die auf Zahlung der Sozialplanabfindung gerichteten Anträge des Klägers hatten in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung durch die bereits erfolgte Zahlung des Nachteilsausgleichs – auch ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung – durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch erloschen sei. Zur Begründung verwies das BAG auf die Zweckidentität von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich dahingehend, dass beide Ansprüche auch auf den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile abzielten. Der gesetzliche Nachteilsausgleich stelle – so das BAG weiter – keine bußgeldähnliche Verpflichtung mit Strafcharakter, sondern eine Entschädigung für den nicht hinreichenden Versuch eines Interessenausgleichs dar, der Entlassungen vermeidet oder andere wirtschaftliche Nachteile abmildert. Daher könne eine gezahlte Sozialplanabfindung auf den gesetzlichen Nachteilsausgleich ebenso angerechnet werden wie ein gezahlter Nachteilsausgleich Erfüllungswirkung für den Anspruch auf Sozialplanabfindung hat. Darüber hinausgehend stellte das BAG klar, dass dieser Verrechnung auch nicht die Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG entgegenstehe. Denn verstößt der Arbeitgeber bei einer Massenentlassung gegen das in § 17 Abs. 2 KSchG geregelte Konsultationsverfahren, sind die im Zusammenhang mit der Massenentlassung erfolgten Kündigungen unwirksam, sodass eine Geldentschädigung weder geboten, noch adäquat sei.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil des BAG ist zu begrüßen, da es der Praxis Rechtssicherheit hinsichtlich der Verrechenbarkeit von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich gibt und es außerdem Doppelansprüche ausschließt.

Praxistipp

Aus Arbeitgebersicht empfiehlt es sich, im Sozialplan zur Sozialplanabfindung insbesondere zwei Punkte ausdrücklich zu regeln: Zum einen sollte sie erst im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses fällig werden. Zum anderen sollten etwaige gesetzlich, tarifvertraglich, individualvertraglich, gerichtlich oder vergleichsweise festgelegte Abfindungen oder sonstige Entschädigungsleistungen für den Verlust des Arbeitslatzes auf die Sozialplanabfindung anzurechnen sein.

Fragen zu diesem Thema beantwortet Ihnen Dr. Andreas Reuther gerne.

Hinweis: Der Beitrag ist in der NZA, Ausgabe 11/2019 (Fundstelle NZA 2019, 759), in einer ausführlicheren Form erschienen.

TAGS

Arbeitsrecht Sozialplanabfindung Nachteilsausgleich