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BMF veröffentlicht Schreiben zu den Auswirkungen der Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und Erstattungen

In unserem Blogbeitrag vom 2. September 2021 hatten wir bereits über den wegweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) vom 8. Juli 2021 zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Zinsen für Steuernachforderungen und Steuererstattungen berichtet. Das Gericht hatte den Gesetzgeber darin verpflichtet bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung für Verzinsungszeit-räume ab dem 1. Januar 2019 zu treffen. Mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17. September 2021 setzt sich das BMF nun mit der Umsetzung der Konsequenzen des Beschlusses auseinander.

Endgültige Festsetzung für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018, Aussetzung und vorläufige Festsetzung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 eine Fortgeltungsanordnung erlassen, sodass das bisherige Recht insoweit trotz Verfassungswidrigkeit weiter anzuwenden ist. Lediglich für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 gab es insoweit für die Finanzverwaltung Handlungsbedarf. Entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unterteilt das BMF seine Behandlungshinweise jeweils in Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 und ab dem 1. Januar 2019.

Erstmalige Zinsfestsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO werden entsprechend für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 zunächst ausgesetzt und damit nicht festgesetzt. Sobald der Gesetzgeber eine rückwirkende Gesetzesänderung erlassen hat, wird die Festsetzung zu diesem Zeitpunkt nachgeholt. Eine endgültige Festsetzung erfolgt hingegen für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018, insoweit bleibt es bei dem für verfassungswidrig erklärten Zinssatz.

Entsprechend verhält es sich grundsätzlich auch bei Änderungen und Berichtigungen von Zinsfestsetzungen. Unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 werden zunächst ausgesetzt und vorläufig vorgenommen. Auch in diesem Fall werden nun die Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeit-räume bis zum 31. Dezember 2018 für endgültig erklärt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass für unanfechtbar festgesetzte Zinsen die Zinsfestsetzung ebenfalls endgültig erfolgt, selbst wenn diese Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 betreffen und es damit auch hier bei dem alten Zinssatz bleibt. Eine Vollstreckung der Zinsen für Zeiträume nach dem 1 Januar 2019 erfolgt hingegen allerdings nicht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass stets auf den Verzinsungszeitraum abzustellen ist und nicht auf den Veranlagungszeitraum, für den die Steuer entsteht.

Auch in Einspruchsfällen ist die Vorgehensweise entsprechend. Für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 sind Einsprüche, die sich gegen die Höhe des Zinssatzes richten, als unbegründet zurückzuweisen. Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 ist das Einspruchsverfahren und die Vollziehung der Zinsfestsetzungen bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber auszusetzen. Den Verzinsungszeiträumen entsprechend ist auch die Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzungen zu beenden bzw. bleibt bestehen.

Bedeutung für die Praxis

Wie zu erwarten hat das BMF den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entsprechend dessen Maßgaben umgesetzt. Für die meisten Steuerpflichtigen bedeutet dies, dass sie für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 von der Verfassungswidrigkeit nicht profitieren, da die Nachzahlungszinsen bestehen bleiben. Andererseits sind Erstattungszinsen für diesen Zeitraum auch nicht zurückzuzahlen. Weiterhin spannend bleibt, für welche Lösung sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Zinssatzes entscheidet. Bis zur Neuregelung bleibt die Unsicherheit für Steuerpflichtige jedenfalls auch nach dem BMF-Schreiben bestehen.

Dr. Marion Frotscher
Simon Bauer

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Steuerrecht Verzinsung Steuererstattung

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