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Sachgrundbefristung – Vertreter kann auch sein, wer nicht den Vertretenen vertritt

Bundesarbeitsgericht vom 21. Februar 2018 – 7 AZR 696/16

Wird die Tätigkeit einer vorübergehend ausfallenden Stammkraft nicht vom Vertreter, sondern von einem oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen („mittelbare Vertretung“), hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Eine schriftliche Dokumentation der Vertretungskette bei Vereinbarung der Befristung ist bei mittelbarer Vertretung zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen dem vorübergehenden Ausfall der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft nicht zwingend erforderlich.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin A wurde aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags an der G-Schule beschäftigt, weil die ebenfalls an der G-Schule tätige Stammkraft R durch ein sog. Sabbatjahr vorübergehend ausfiel. Hierbei übertrug die Arbeitgeberin die Aufgaben der vorübergehend ausfallenden Stammkraft R nicht der Arbeitnehmerin A, die als Vertreterin befristet eingestellt wurde, sondern einer bereits bei ihr beschäftigten Mitarbeiterin M. Der als Vertreterin befristet eingestellten Arbeitnehmerin A wurden wiederum die bisherigen Aufgaben der Mitarbeiterin M übertragen. Eine schriftliche Dokumentation dieser „Vertretungskette“ fand nicht statt.

Die Entscheidung

Das BAG führt aus, die Befristung sei gerechtfertigt. Der Sachgrund der Vertretung setze einen Kausalzusammenhang zwischen dem vorübergehenden Ausfall der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es müsse sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des vorübergehenden Ausfalls der Stammkraft eingestellt worden sei. Der Kausalzusammenhang könne auch bestehen, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die bislang von der vorübergehend ausfallenden Stammkraft ausgeübten Tätigkeiten übernehme (mittelbare Vertretung). Der Arbeitgeber habe in diesem Fall die Vertretungskette zwischen der vorübergehend ausfallenden Stammkraft und dem Vertreter darzulegen, was hier geschehen sei. Einer schriftlichen Dokumentation hingegen bedürfe es nicht. Dies sei nur in den Fällen der sog. „gedanklichen Zuordnung“ erforderlich, in denen der befristet eingestellte Vertreter überhaupt keine Tätigkeiten der vorübergehend ausfallenden Stammkraft übernehme. In diesen Fällen müsse die „gedankliche Zuordnung“ von Tätigkeiten durch schriftliche Fixierung (z. B. im Arbeitsvertrag mit dem Vertreter) äußerlich erkennbar gemacht werden. Andernfalls bestünde in diesen Fällen aufgrund der bloß „gedanklichen Zuordnung“ von Tätigkeiten die Gefahr des Rechtsmissbrauchs. Demgegenüber erfolge bei der mittelbaren Vertretung eine tatsächliche Übertragung von Tätigkeiten, die als solche bereits nachprüfbar sei.

Konsequenzen für die Praxis

Das BAG erteilt damit dem Versuch des Landesarbeitsgerichts Hamburg (Vorinstanz), die mittelbare Vertretung unter die zusätzliche Voraussetzung der sog. „gedanklichen Zuordnung“ von Tätigkeiten und damit deren schriftlicher Fixierung (z. B. im Arbeitsvertrag mit dem Vertreter) zu stellen, zu Recht eine Absage und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. In der Praxis sind daher weiterhin drei Kategorien im Fall der „Vertretung“ als Sachgrund der Befristung zu unterscheiden: Unmittelbare Vertretung, Mittelbare Vertretung, und die Fälle der sog. „gedanklichen Zuordnung“.

Praxistipp

Die mittelbare Vertretung ist die flexibelste Kategorie für den Arbeitgeber. Es bedarf keiner vorherigen schriftlichen Fixierung der Zuordnung von Tätigkeiten. Die Übertragung und die daraus folgende Vertretungskette müssen zwar zur Zeit des Vertragsschlusses mit dem Vertreter erforderlich sein. Diese müssen aber erst in einem etwaigen Gerichtsverfahren schlüssig dargelegt (und gegebenenfalls bewiesen) werden. Die Darlegung einer geschlossenen Vertretungskette erfordert, dass der Arbeitgeber die bisher der vorübergehend ausfallenden Stammkraft zugewiesenen Aufgaben zunächst darstellt. In einem zweiten Schritt hat er die Neuverteilung dieser Aufgaben zu schildern. In einem letzten Schritt ist darzulegen, dass sich die der Vertretungskraft zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben (vgl. BAG vom 6. Oktober 2010 – 7 AZR 397/09). Eine Dokumentation der Tätigkeitszuordnung durch den Arbeitgeber kann alerdings alerdings hilfreich sein, um dem Risiko einer nicht schlüssigen Darlegung einer geschlossenen Vertretungskette in einem etwaigen Gerichtsverfahren zu entgehen.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Florian Denninger.

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Arbeitsrecht Vertretungsbefristung Befristung