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Prozesskostensicherheit im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen – BGH sorgt für Rechtssicherheit

Im internationalen Wirtschaftsverkehr haben Schiedsverfahren eine hervorgehobene Bedeutung. Damit einher geht nach Abschluss eines Schiedsverfahrens die Durchsetzung des Schiedsspruchs gegen die unterlegene Partei. Sofern der Schiedsspruch nicht freiwillig erfüllt wird, was immer häufiger der Fall ist, muss ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs eingeleitet werden.

Mit einem solchen Verfahren beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. Januar 2023 (Az. I ZB 33/22). Dabei hatte er die umstrittene Frage zu entscheiden ob und inwieweit ein Antragsteller im Verfahren zu Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs Prozesskostensicherheit nach den allgemeinen Regeln der ZPO zu leisten hat. Diese Frage ist für Antragsteller im Rahmen der finanziellen Vorüberlegung zur Einleitung eines solchen Verfahrens von Bedeutung. Dies gilt ebenfalls für den Antragsgegner hinsichtlich der Erhebung von Widerklagen oder vergleichbaren Anträgen.

In seinem Beschluss vom 12. Januar 2023 gibt der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung auf. Der Bundesgerichtshof erklärt nunmehr alle Vorschriften über Prozesskostensicherheit auf den Antragsteller im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung für anwendbar. Der Antragsgegner ist zudem, wie ein Widerkläger, hinsichtlich der Leistung von Prozesskostensicherheit privilegiert.

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu Grunde. Der für vollstreckbar zu erklärende Schiedsspruch erging 2019 vor einem Ad-hoc-Schiedsgericht in Moskau und verurteilte die vier Schiedsbeklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung an den Schiedskläger, einen deutschen Unternehmer. Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 31. März 2022 (Az. 2 Sch 3/20) den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs abgelehnt. Diesem ging die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch einen Schiedsbeklagten und Widerklage des Schiedsklägers auf Vollstreckbarerklärung voraus. Der Schiedskläger hatte seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt des Antrags auf Vollstreckbarerklärung in Moskau, Russland. Er verlegte diesen im Laufe des Jahres 2022 nach Dubai, Vereinigte Arabische Emirate. Im Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof beantragte der Schiedsbeklagte sodann, dem Schiedskläger die Stellung einer Prozesskostensicherheit aufzugeben. Am 5. Januar 2023 teilte der Schiedskläger mit, er habe seinen Wohnsitz und den räumlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse nach Italien verlegt.

Der Bundesgerichtshof lehnte den Antrag auf Kostensicherheit ab. In seiner Begründung führt der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus, dass die Regeln der §§ 110 ff. ZPO auf das Verfahren der Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen analog anwendbar seien. Von dieser analogen Anwendung sei auch die besondere Privilegierung des Widerklägers nach § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO im Rahmen einer Widerklage auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches erfasst. Der Antrag des Schiedsklägers, dass der Schiedsbeklagte als Antragsgegner und Widerkläger eine Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 1 ZPO stellen solle, war somit unabhängig von dessen gewöhnlichen Aufenthalt ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof ging in seinem Beschluss zweistufig vor. Zunächst erklärte er die Regelungen über die Leistung einer Prozesskostensicherheit §§ 110 ff. ZPO grundsätzlich auf das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung für anwendbar. Weiterhin gilt ebenfalls, dass der Widerklagende privilegiert ist.

Die Regelungen zum Verfahren auf Vollstreckbarerklärung, insbesondere § 1063 ZPO, enthielten eine planwidrige Regelunglücke, in welcher die §§ 110 ff. ZPO analog anwendbar seien. Für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung würden keine Besonderheiten hinsichtlich des Interesses des Antragsgegners vor Vollstreckungsschwierigkeiten im Ausland bezüglich eines Kostenerstattungsanspruchs geschützt zu werden, gelten. Ein Vollstreckbarerklärungsverfahren sei zudem nicht vergleichbar mit beschleunigten Verfahren wie Verfahren über Arrest und einstweilige Verfügung. Für solche beschleunigte Verfahren seien die §§ 110 ff. ZPO nicht anwendbar. Weder die ZPO noch das New Yorker Übereinkommen würden zum Verfahren auf Vollstreckbarerklärung vergleichbare beschleunigende Regelungen vorsehen.

Der Vergleich zur Rechtslage vor dem 31. Dezember 1997 zeige, dass nun bereits beim „in Betracht kommen“ von Aufhebungsgründen eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei (§ 1063 Abs. 2 Alt. 2 ZPO). § 1042a Abs. 2 ZPO a.F. habe die Anordnung einer mündlichen Verhandlung nur im Falle der Geltendmachung eines Aufhebungsgrundes als zwingend angesehen. Dieser Unterschied sei mit Blick auf die von Amts wegen zu beachtenden Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und der damit nicht notwendigen Geltendmachung dieser durch den Antragsgegner eines Vollstreckbarerklärungsantrags eine maßgebliche Änderung zur Rechtslage bis 31. Dezember 1997. Dadurch entfiele das Argument der nun aufgegebenen Rechtsprechung (BGHZ 52, 321 = NJW 1969, 2089), dass die Partei, welche Aufhebungsgründe geltend macht, als angreifende Partei anzusehen sei. Die antragstellende Partei des Vollstreckbarerklärungsverfahrens sei nach aktueller Rechtslage als „angreifende“ Partei zu verstehen. Der Schutzzweck der §§ 110 ff. ZPO hinsichtlich der „angegriffenen“ Partei sei auf den Antragsgegner im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung anwendbar. Gerade ein Antragsteller wolle einen vollstreckbaren Titel gemäß § 794 Abs.1 Nr. 4a ZPO erlangen. Er verfolge somit das einer klagenden Partei entsprechende Ziel.

Der Bundesgerichtshof wendet konsequenterweise die Privilegierung des § 110 Abs. 2 Nr.4 ZPO auf eine Widerklage auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs im vorliegenden Fall an.

Grundsätzlich werde die Erhebung einer Widerklage durch die vorangegangene Klage veranlasst. Die klagende Partei begäbe sich dabei selbstbestimmt in einen Prozess gegen einen möglicherweise im Ausland ansässigen Beklagten. Eine Widerklage in einem solchen Verfahren unterliege nicht dem grundsätzlichen Schutzzweck des § 110 Abs. 1 ZPO. Die möglichen Kostenerstattungsansprüche und deren erschwerte Geltendmachung im Ausland seien nicht von der im Ausland ansässigen widerklagenden Partei veranlasst. Dieser Gedanke sei auch auf einen erst in einer Widerklage geltend gemachten Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs anwendbar, soweit diese Widerklage durch den Hauptantrag veranlasst war. Selbst ein über das kontradiktorische Gegenteil hinausgehender Antrag sei dabei vom Schutzzweck von § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO erfasst. Der Veranlassungsgedanke gehe insoweit über den konkreten Streitgegenstand einer Klage/eines Antrags hinaus.

Der Entscheidung des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs lag ein solcher Sachverhalt zu Grunde. Die Widerklage des Antraggegners wurde durch die Feststellungsklage und einen Hilfsfeststellungantrag veranlasst. Obwohl das Eintreten der Voraussetzungen von § 110 Abs. 1 ZPO auch im Laufe des Verfahrens ausreichen würde, ist vorliegend aufgrund des Eingreifens der Privilegierung nach § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO in analoger Anwendung keine Kostensicherheit vom Antragsgegner zu leisten.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sorgt mit seinem Beschluss vom 12. Januar 2023 für Rechtssicherheit: Die Frage der Prozesskostensicherheit für Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen ist geklärt. Die Beratungspraxis muss aus Sicht eines Antragstellers mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums beachten, dass auf Antrag Prozesskostensicherheit zu stellen ist. Für einen Antragsgegner ist dagegen neben der häufig sehr komplexen Antragssituation für die Widerklage auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs das Risiko der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit beseitigt.

Tobias Pörnbacher

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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