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Neuer Emittentenleitfaden der BaFin zur MAR

Zu den Pflichten nach der Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR) liegen nunmehr umfangreiche Erläuterungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in finaler Form vor.

Die MAR ist seit Mitte 2016 unmittelbar geltendes Recht. Im Sommer 2019 hat die BaFin einen Entwurf für das entsprechende Modul C ihres Emittentenleitfadens in der fünften, neu gefassten Auflage veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Nach Auswertung der Stellungnahmen zu dem Konsultationsentwurf hat die BaFin das finale Modul C des Emittentenleitfadens nunmehr am 22. April 2020 auf ihrer Homepage veröffentlicht.

Die BaFin richtet sich mit ihrem Emittentenleitfaden an Emittenten, für die sie zuständige Aufsichtsbehörde in Bezug auf die Überwachung kapitalmarktrechtlicher Pflichten ist. Der Emittentenleitfaden soll nach den Worten der BaFin „praktische Hilfestellungen für den Umgang mit den Vorschriften des Wertpapierhandelsrechts bieten, ohne eine juristische Kommentierung darzustellen“. Er biete einen Einstieg in die Rechtsmaterie und erläutere die Verwaltungspraxis der BaFin (vgl. Einleitung zum Emittentenleitfaden). Eine fachkundige Rechtsberatung im konkreten Einzelfall ersetzt der Emittentenleitfaden der BaFin mithin nicht.

Das neue Modul C ist insbesondere für alle Emittenten von Finanzinstrumenten im Sinne der MAR von Interesse. Dazu gehören nicht nur börsennotierte, sondern auch im Freiverkehr gelistete Unternehmen, ebenso wie auch Anleiheemittenten. Innerhalb der Unternehmen sind die Ausführungen insbesondere für Vorstände und Aufsichtsräte, weitere Führungskräfte bzw. Insider sowie für Compliance-Beauftragte relevant.

Im Modul C beschäftigt sich die BaFin auf 95 Seiten ausführlich mit den folgenden Themen:

I. Ad-hoc Publizität und Insiderhandelsverbote

Die BaFin erläutert hier ausführlich und anhand von Beispielen, unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen einer Insiderinformation auszugehen ist. Die Ausführungen gelten sinngemäß sowohl für die Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 MAR) als auch für das Insiderhandels- und Offenlegungsverbot (Art. 14 MAR). Auf Besonderheiten in den beiden Bereichen weist die BaFin jeweils hin. Insbesondere ist der Emittent gemäß Art. 17 MAR nur zur Veröffentlichung solcher Insiderinformationen verpflichtet, die ihn unmittelbar betreffen. Dem Insiderhandels- und Offenlegungsverbot gemäß Art. 14 MAR unterfallen hingegen auch den Emittenten nur mittelbar betreffende Insiderinformationen.

Besondere Praxisrelevanz kommt den Erläuterungen der BaFin beispielsweise hinsichtlich der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen Zwischenschritte, Prognosen und Geschäftszahlen sowie M&A-Transaktionen als Insiderinformation zu qualifizieren sein können (vgl. Ziff. I.2.1.4.3, I.2.1.5.1, I.2.1.5.2 und I.2.1.5.6). Ebenfalls von hoher praktischer Bedeutung sind die Ausführungen zur Ad-hoc-Publizität und den diesbezüglichen Aufschubregelungen (vgl. Ziff. I.3.2 und I.3.3).

Zu möglichen Ad-hoc-Pflichten in der Corona-Krise enthält das neue Modul C des Emittentenleitfadens keine konkreten Ausführungen; insoweit können lediglich Rückschlüsse aus den abstrakten Ausführungen gezogen werden. Allerdings hat die BaFin als Reaktion auf Covid-19 zahlreiche FAQs auf ihrer Homepage veröffentlicht. U.a. beziehen sich diese FAQs auch auf die Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 MAR. Aktuell gibt die BaFin dort Antworten auf die folgenden konkreten Fragen:

  • Stellt die Verschiebung des Dividendenzahlungsbeschlusses infolge der Verlegung der Hauptversammlung eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation dar?
  • Wie ist mit Prognoseänderungen als Insiderinformationen infolge der gegenwärtigen Entwicklungen rund um das Coronavirus umzugehen?
  • Ergeben sich vor dem Hintergrund des Coronavirus Besonderheiten im Hinblick auf die Beurteilung von Geschäftszahlen als Insiderinformationen?
  • Wie sind vor dem Hintergrund der aktuellen Auswirkungen des Coronavirus Consensusschätzungen zu bewerten, die ggf. nur teilweise bereits die Auswirkungen des Coronavirus berücksichtigen? Wie kann die Markterwartung in diesem Fall angemessen ermittelt werden?

II. Eigengeschäfte von Führungskräften (Directors' Dealings)

Dieser Abschnitt des Moduls C enthält Erläuterungen der BaFin zum Adressatenkreis, zur Meldung und zur Veröffentlichung von Eigengeschäften von Führungskräften sowie zu Sanktionen bei Verletzungen der diesbezüglichen Pflichten aus Art. 19 MAR.

III. Verbot der Marktmanipulation

In diesem Abschnitt des Moduls C äußert sich die BaFin zum Verbot der Marktmanipulation, das in Artt. 12 und 15 MAR geregelt ist und den rechtlichen Rahmen für die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten und die Außendarstellung des Unternehmens bestimmt.

IV. Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen

Des Weiteren erörtert die BaFin die in Art. 5 MAR vorgesehenen Ausnahmen für das Verbot von Insidergeschäften und das Verbot der Marktmanipulation für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen.

V. Insiderlisten

Im Mittelpunkt dieses Abschnitts steht die Pflicht zur Erstellung von Insiderlisten gemäß Art. 18 MAR. Nach Art. 18 MAR haben Emittenten oder alle in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen eine Liste aller Personen aufzustellen, die Zugang zu den jeweiligen Insiderinformationen haben. Diese Insiderlisten sind fortwährend zu aktualisieren und der BaFin auf deren Ersuchen zuzusenden.

VI. Marktsondierungen

Der letzte Abschnitt des Moduls C enthält nähere Ausführungen zur Regelung für Marktsondierungen in Art. 11 MAR. Bei dieser Regelung geht es um die Übermittlung von Informationen im Vorfeld einer Kapitalmarkttransaktion an potenzielle Anleger, um das Interesse des Markts und damit die Erfolgsaussichten abschätzen oder die Attraktivität des eigenen Angebots bewerten zu können. Hierbei kann es erforderlich sein, potenziellen Anlegern gegenüber auch Insiderinformationen offenzulegen.

Dr. Dirk Tuttlies

Dr. Daniel Walden

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