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Mit Preisverlagerungen riskieren Bieter einen Angebotsausschluss

Das Oberlandesgericht München hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit einem Thema beschäftigt, dass schon für viel vergaberechtliche Rechtsprechung gesorgt hat: Es geht um die Verlagerung von Preisangaben zwischen verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses im Angebot. Dabei bepreist ein Bieter eine LV-Position niedriger, als es seiner eigentlichen Kostenkalkulation entspricht, eine andere jedoch höher. Oft kommen solche Preisverlagerungen dadurch zustande, dass der Bieter eine Mengenverschiebung zwischen den betreffenden Positionen im Rahmen der Auftragsausführung voraussieht. Er hat dann einen kommerziellen Anreiz, Positionen mit (nach seiner Schätzung) zu hohem LV-Mengenansatz geringer zu bepreisen, Positionen mit (nach seiner Schätzung) zu geringem LV-Mengenansatz hingegen höher zu bepreisen (Beschluss vom 17.04.2019 – Verg 13/18).

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber hatte Abbruch- und Entsorgungsleistungen unter anderem für schadstoffbelasteten Beton ausgeschrieben. Eine Position des Leistungsverzeichnisses bestand in der Entsorgung von leicht belastetem Beton. Eine andere Position des Leistungsverzeichnisses bestand in der Entsorgung von etwas stärker belastetem Beton. Die Mengenansätze, die dem LV zugrunde lagen, waren stark unterschiedlich: Für die Entsorgung von leicht belastetem Beton hatte der Auftraggeber einen zwölffach höheren Mengenansatz hinterlegt als für die Entsorgung von stärker belastetem Beton. Ein Bieter bot einen besonders günstigen Einheitspreis für die Entsorgung von leicht belastetem Beton und einen sehr hohen Einheitspreis für die Entsorgung von stärker belastetem Beton an.

Hinter diesen Preisangaben vermutete der Auftraggeber eine Absicht des Bieters, im Fall einer Mengenverschiebung hin zur Entsorgung von stärker belastetem Beton eine höhere Gesamtvergütung zu erzielen. Der Auftraggeber ging daher seinem Verdacht nach, der Bieter habe in den jeweiligen LV-Positionen nicht die tatsächlich geforderten Preise angeboten, sondern den für die Entsorgung von leicht belastetem Beton geforderten Preis teilweise auf die LV-Position für die Entsorgung von stärker belastetem Beton verlagert. Er bat den Bieter daher um Aufklärung über seine Angebotskalkulation.

Auf die Aufklärungsfrage legte der Bieter seine Kalkulation teilweise offen und erläuterte das Zustandekommen seines Angebots im Übrigen in recht allgemeiner Form. Der Bieter gab unter anderem an, er habe eine Weiterveräußerungsmöglichkeit für leicht belasteten Beton zu Marktpreisen einkalkuliert, er verfolge eine Expansionsstrategie und er habe sämtliches Rationalisierungspotential gehoben. Eine Kostenverlagerung zwischen den einzelnen LV-Positionen verneinte der Bieter. Daraufhin schloss der Auftraggeber das Angebot von der Wertung aus, weil der Verdacht einer zulässigen Preisverlagerung zwischen den einzelnen LV-Positionen nicht ausgeräumt sei. Hiergegen wandte sich der Bieter mit seiner Rüge und seinem Nachprüfungsantrag.

Entscheidung

Während die Vergabekammer Nordbayern den Nachprüfungsantrag in erster Instanz noch für begründet hielt, bestätigte das Oberlandesgericht den Ausschluss des Angebots durch den Auftraggeber.

Das Gericht betont zunächst den vergaberechtlichen Grundsatz, wonach ein Angebot grundsätzlich auszuschließen ist, wenn ein Bieter die für einzelne LV-Positionen eigentlich vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere LV-Positionen verlagert. Eine solche Preisverlagerung liege nahe, wenn im Angebot die deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Preise einzelner LV-Positionen auffällig hohen Preisen bei anderen LV-Positionen entsprechen. Es obliege dann dem Bieter, diesen Anschein einer Preisverlagerung zu erschüttern. Gelinge ihm dies nicht, sei das Angebot auszuschließen. Auf die Gründe für die Preisverlagerung kommt es dabei nicht an.

Um den Eindruck einer unzulässigen Preisverlagerung zu entkräften, reichten allgemeine Erklärungen des Bieters nicht aus. Zumindest müsse der Bieter bestätigen, dass seine Preise seiner tatsächlichen Kalkulation entsprechen. Wenn dem Auftraggeber konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies nicht der Fall ist, könne der Bieter mit dieser Erklärung allein den Angebotsausschluss jedoch noch nicht abwenden – dann müsse er seine Kalkulation vielmehr näher belegen. Den Eindruck einer Preisverlagerung könne der Bieter unter anderem entkräften, indem er belegt, die von seinem Nachunternehmer geforderten Preise lediglich übernommen und weitergegeben zu haben (sodass diese im Angebot zu seinen eigenen Preisen werden), oder indem er seine vollständige Kalkulation vorlegt, aus der sich die im Angebot angegebenen Preise plausibel ergeben. Wenn der Bieter sich hierbei auf Erfahrungswerte oder Marktpreise beruft, müsse er auch diese konkret benennen und im Einzelfall belegen.

Bewertung und Praxistipp

Unzulässige Preisverlagerungen zwischen einzelnen LV-Positionen (häufig auch als „Mischkalkulation“ bezeichnet) sind an sich kein neues vergaberechtliches Thema. In der letzten Zeit haben sich jedoch Entscheidungen gehäuft, die sich mit den Anforderungen an eine Entkräftung eines „Preisverlagerungsanscheins“ durch den Bieter befassen. Bereits mit Beschluss vom 4. Januar 2018 (Verg 3/17) hatte das Oberlandesgericht Koblenz festgestellt, der Auftraggeber müsse sich bei der Untersuchung einer möglichen Preisverlagerung nicht mit jeder beliebigen Erklärung des Bieters begnügen, und den Ausschluss eines Angebots bestätigt, nachdem der Bieter eine angemessene Aufklärung über seine Angebotskalkulation verweigert hatte. Auf dieser Linie liegt auch die aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts München. Die Entscheidung stellt verhältnismäßig strenge Anforderungen an den Bieter, wenn dieser den Anschein einer unzulässigen Preisverlagerung erschüttern muss. Allgemeine Ausführungen derart, dass das Angebot keine Preisverlagerung enthalte, der tatsächlichen Kalkulation entspreche, auf Erfahrungswerten beruhe oder insgesamt auskömmlich sei, werden in der Regel nicht genügen. Der Bieter muss seine Kalkulationsgrundlagen vielmehr konkret darlegen und belegen. Auftraggebern gibt diese Rechtsprechung Rückenwind bei der Aufklärung von Angeboten, die eine Preisverlagerung nahelegen und deren Bezuschlagung dem Auftraggeber im Fall einer Mengenverschiebung zwischen den LV-Positionen das Risiko erheblicher Mehrkosten bescheren kann. Auftraggeber sind daher gut beraten, Indizien für eine Preisverlagerung nachzugehen und von den Bietern belastbare Belege für die Angebotskalkulation einzufordern. Bieter sollten umgekehrt ihre Angebote belastbar kalkulieren und ihre Kalkulation für den Fall einer entsprechenden Aufklärung durch den Auftraggeber in gut dokumentierter Form und mit Belegen vorhalten, solange das Vergabeverfahren nicht abgeschlossen ist.

Fragen dazu beantwortet Ihnen Jan Christian Eggers gerne.

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