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Wer ist hier der Künstler? Zum urheberrechtlichen Schutz mittels künstlicher Intelligenz geschaffener Kunst

I. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kunst

Künstlicher Intelligenz („KI“) wird die Fähigkeit zugeschrieben, menschliche Kreativität zu imitieren. Es verwundert daher nicht, dass KI immer öfters auch bei der Schaffung von Kunst zum Einsatz kommt. Insbesondere folgende Arten mittels KI geschaffener Kunst lassen sich gegenwärtig unterscheiden:

Zum einen gibt es Kunstwerke, die zwar ein eigenständiges Motiv haben, dabei aber den typischen Stil eines bestimmten Künstlers oder ein bestimmtes Genre imitieren. So sorgte bereits 2016 das Projekt „The Next Rembrandt“ für große Aufmerksamkeit. Bei diesem Vorhaben wurden 346 Originale des niederländischen Meisters mithilfe von 3D-Scannern erfasst und von einer KI analysiert. Die entstandene Datenmenge wurde anschließend von der KI genutzt, um ein dem einzigartigen Stil Rembrandts nachempfundenes Bild zu schaffen. Ähnlich schlagzeilenträchtig war die Versteigerung des durch KI geschaffenen Portraits von „Edmond de Belamy“ im Oktober 2018 durch das Auktionshaus Christie's für einen Erlös von 432.500 USD. In diesem Fall wurde die KI nicht nur mit den Bilddaten eines Künstlers, sondern mit den Daten von über 15.000 Portraits des 14. bis 20. Jahrhunderts trainiert. Auf Grundlage dieser Datenbasis hat die KI anschließend ein neues eigenständiges Portrait geschaffen.

Zum anderen setzen zahlreiche Künstler KI auch zur Schaffung originärer Kunstwerke ein, die keinem vorgegebenen Stil folgen. So zum Beispiel der türkisch-amerikanische Künstler Refik Anadol, dessen Datenskulpturen in den letzten Jahren große Popularität erlangt haben. Bei Anadols Medienkunst werden häufig bestimmte Daten (z. B. Wetterdaten oder Fotos) mittels KI so bearbeitet, dass ihre ursprünglichen Erscheinungen selbst unkenntlich werden, aber ihre Bestandteile zu neuen Verbindungen mutieren. Hierdurch entstehen in einem zufälligen Rhythmus ständig neue Anordnungen mit immer wieder neuen dreidimensionalen Farbkonstellationen und Mustern, die Anadol über große Screens oder Projektionen für sein Publikum wahrnehmbar macht.

Wie diese Bespiele zeigen, wird KI auf mannigfaltige Art und Weise zur Schaffung von Kunst eingesetzt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich die juristische Literatur in letzter Zeit vermehrt mit der Frage der Schutzfähigkeit gemäß § 2 UrhG von mittels KI geschaffener Kunst befasst hat1. Dieser Beitrag soll einen Überblick über den Meinungsstand geben.

II. Urheberrechtlicher Schutz mittels KI geschaffener Kunst

1. Keine Urheberschaft der KI

Nach § 2 Abs. 2 UrhG sind nur persönliche geistige Schöpfungen urheberrechtlich schutzfähige Werke. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Individualität des Schöpfers im geschaffenen Werk widerspiegelt. Nach einhelliger Ansicht sind daher nur Menschen zu einer solchen Schöpfung fähig. KI kann folglich kein urheberrechtlich schutzfähiges Werk schaffen und daher auch nicht Träger von Urheberrechten sein. Ausschließlich von KI geschaffene Kunst ist daher nie schutzfähig.

2. Urheberschaft des Künstlers?

Das bedeutet allerdings nicht, dass Kunst, die von einem Künstler unter Zuhilfenahme von KI geschaffen wurde, nie schutzfähig ist. Vielmehr wird einvernehmlich vertreten, dass es darauf ankommt, wie prägend der menschliche Anteil des Künstlers für das konkrete, von der KI generierte Ergebnis ist.

Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Künstler KI ausschließlich als Hilfs- und Ausführungsmittel einsetzt und das erzeugte Kunstwerk nach seiner Art und Gestalt gänzlich dem konkreten eigenschöpferischen Beitrag des Künstlers entspricht. Dann nutzt der Künstler KI nur zur Verwirklichung seiner eigenen künstlerischen Vorstellungen. Deswegen liegt die für den Schöpfungsbegriff des § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Unmittelbarkeit zwischen dem geistigen Schaffensvorgang des Künstlers und dem von der KI generierten Ergebnis vor. Ein solcher Einsatz von KI kann durchaus mit der Verwendung eines Pinsels beim Malen eines Gemäldes oder auch mit der Nutzung einer Kamera durch einen Fotografen verglichen werden.

Setzt der Künstler dagegen bereits im Schöpfungsprozess eine KI ein, ist diese Unmittelbarkeit jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn der Künstler keinen Einfluss mehr auf die wesentliche Gestaltung des Erzeugnisses der KI hat und dessen finales Erscheinungsbild für ihn nicht mehr vorhersehbar und kontrollierbar ist. Das entstandene Ergebnis ist dann nur noch mittelbar auf einen menschlichen Schaffensprozess zurückzuführen. Ein urheberrechtlicher Schutz scheidet aus.

Schwierig zu beurteilen sind die Grenzfälle: Nutzt ein Künstler KI im Schöpfungsprozess, soll ein urheberrechtlicher Schutz des generierten Werks grundsätzlich möglich sein, wenn der Künstler weiterhin prägenden Einfluss auf die konkrete Form des Kunstwerkes hat und die formativen Entscheidungen nicht ausschließlich durch die KI getroffen wurden. Streitig ist jedoch, wie prägend der menschliche Einfluss auf das KI-generierte Ergebnis sein muss. Teilweise wird gefordert, dass der Künstler Gestalt und Eigenart des endgültigen Kunstwerks jedenfalls skizzieren und sein Beitrag so weit konkretisiert und ausgestaltet sein muss, dass er seinerseits als persönliche geistige Schöpfung einzustufen ist. Eine bloße Selektionsentscheidung, bei der der Künstler aus mehreren Erzeugnissen einer KI eines auswählt und dieses als Kunstwerk bestimmt, reicht für ein urheberrechtsfähiges Wert jedenfalls nicht aus. Auch bloße Ideen oder Anregungen des Künstlers für das zu schaffende Werk sowie Instruktionen und Weisungen stellen nur dann einen eigenschöpferischen Beitrag des Künstlers dar, wenn sich diese bestimmend auf die konkrete Form des Kunstwerks auswirken. Ob der Einfluss des Künstlers für die konkrete Form des Kunstwerks hinreichend prägend war, muss im Einzelfall unter Heranziehung des Beitrags des Künstlers und der konkreten Gestalt und Eigenart des von der KI generierten Ergebnisses beurteilt werden.

3. Urheberschaft des KI-Entwicklers?

Diskutiert wird auch die Urheberschaft des Entwicklers der KI an dem durch diese geschaffenen Kunstwerk. Auch für den Entwickler müssen jedoch die oben für den Künstler aufgestellten Kriterien gelten: Er kann nur dann Urheber des entstanden Kunstwerks sein, wenn er – durch die Entwicklung der KI – einen konkret formativen Einfluss auf das von der KI erzeugte Ergebnis hatte. Hieran wird es in der Regel fehlen. Die bloße geistige Schöpfung für das ursprüngliche Programm, auf dem die KI basiert, ist für die Urheberschaft an dem durch die KI generierten Werk nicht ausreichend.

III. Fazit

Ausschließlich von KI geschaffene Kunst ist nicht nach § 2 UrhG geschützt. Sofern hingegen ein Künstler ein Kunstwerk mittels KI schafft, muss im Einzelfall untersucht werden, ob er einen hinreichend prägenden Einfluss auf die konkrete Form und Gestalt des durch die KI generierten Ergebnisses hatte. Nur wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem eigenschöpferischen Beitrag des Künstlers und dem KI-Output besteht, kommt der Künstler als Urheber des entstandenen Werkes in Betracht. Nach den gleichen Maßstäben ist eine mögliche Urheberschaft des Entwicklers einer KI an dem durch diese erzeugten Ergebnis zu beurteilen.

Vor diesem Hintergrund wird ein urheberrechtlicher Schutz des eingangs erwähnten Portraits von „Edmond de Belamy“ abgelehnt. Angesichts der aus über 15.000 Portraits bestehenden Datenbasis, auf deren Grundlage die KI das Bild schuf und der sich hieraus ergebenden Varianz, sei es fernliegend, dass die hinter dem Projekt stehenden Entwickler einen formativen Einfluss auf die konkrete Gestalt und Eigenart des generierten Erzeugnisses hatten2. Selbst wenn die Datenbasis, auf deren Grundlage die KI im Fall des Projekts „The Next Rembrandt“ gearbeitet hat und die sich daraus ergebende Varianz deutlich geringer war als im vorgenannten Fall, erscheint ein hinreichend formativ prägender Einfluss der hinter dem Vorhaben stehenden Entwickler hier ebenfalls fernliegend. Auch die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Datenskulpturen des Medienkünstlers Refik Anadol ist angesichts der durch die KI generierten Zufallsergebnisse fraglich. Für einen urheberrechtlichen Schutz müsste im Einzelfall ein hinreichend prägender und formativer Einfluss Anadols auf die jeweils mittels KI generierte Datenskulptur nachgewiesen werden.

Dr. David Moll

1Die ebenfalls diskutierte Frage des Schutzes von mittels KI generierter Kunst durch das Datenbankherstellerrecht gemäß §§ 87a ff. UrhG ist nicht Gegenstand dieses Beitrages.

2So Dornis, GRUR 2021, 784, 789.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Künstliche Intelligenz Kunst Urheberrecht

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