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Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?

Bundesarbeitsgericht vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A)

Sachverhalt: Ein Versicherungskonzern schrieb ein „Trainee-Programm 2009“ aus, das als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurück liegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte Berufserfahrung nannte. Bei der Fachrichtung Jura waren entweder eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse gewünscht.

Ein Bewerber hatte 2001 seine Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und war seitdem überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig gewesen. In den Bewerbungsunterlagen betonte er, dass er früher als leitender Angestellter in einer Rechtsschutzversicherung tätig gewesen war und über Führungserfahrung verfüge. Aktuell besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht, wegen des Todes seines Vaters betreue er ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat und verfüge daher auch in diesem Bereich über einen weiten Erfahrungsschatz. Außerdem führte der Kläger aus, dass er es als ehemaliger leitender Angestellter gewohnt sei, selbständig zu arbeiten sowie Verantwortung zu übernehmen. Der Konzern lehnte die Bewerbung ab, woraufhin der Bewerber eine Entschädigung in Höhe von EUR 14.000 forderte. Eine anschließende Einladung zum Gespräch lehnte er ab und schlug stattdessen vor, nach Erfüllung des Entschädigungsanspruchs rasch über seine Zukunft im Konzern zu sprechen. Dieser besetzte die Trainee-Stellen im Bereich Recht jedoch mit vier anderen Bewerberinnen.

Die Entscheidung: Das BAG geht aufgrund der Formulierung der Bewerbung sowie des Verhaltens davon aus, dass der Bewerber sich nicht mit dem Ziel der Einstellung beworben habe. Bereits das Bewerbungsschreiben stehe einer Einstellung als Trainee entgegen. Darüber hinaus hat der Kläger die Einladung zu einem Gespräch ausgeschlagen. Aus diesem Grund sei er nicht als „Bewerber“ oder „Beschäftigter“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) anzusehen.

Das BAG verweist allerdings auch darauf, dass das Recht der Europäischen Union in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“ nenne, sondern den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ schütze. Damit sei noch nicht geklärt, ob das Unionsrecht voraussetze, dass auch der tatsächliche Zugang zur Beschäftigung gesucht werde und folglich eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt sei. Es handele sich dabei um eine Auslegungsfrage. Das BAG legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt.

Konsequenzen für die Praxis: Warum das BAG diese Frage dem EuGH vorgelegt hat, erschließt sich für viele nicht – es handelt sich bei dem „Bewerber“ um einen bundesweit bekannten sog. AGG-Hopper, der bereits seit vielen Jahren Entschädigungsansprüche aufgrund angeblicher Diskriminierung geltend macht. Trotzdem ist für Arbeitgeber weiterhin nicht nur bei der Formulierung von Stellenanzeigen Vorsicht geboten. Vielmehr muss auch weiterhin während des gesamten Bewerbungsprozesses sorgfältig gearbeitet werden. Es bleibt zu hoffen, dass auch der EuGH den unionsrechtlichen Schutz lediglich auf formal einschlägige Bewerbungen erstreckt und diesen nicht noch ausweitet.

Bei Fragen zu diesem Thema, kontaktieren Sie bitte: Dr. Kathrin Bürger

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