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Der grenzüberschreitende Herausformwechsel einer deutschen GmbH ins EU-Ausland - aktuelle Praxiserfahrungen und Reformvorschläge durch das Company Law Package

Unter einem grenzüberschreitenden Formwechsel versteht man den Formwechsel einer nach dem Recht des Wegzugsstaats bestehenden Gesellschaft in eine neue Rechtsform des Zuzugsstaates unter gleichzeitiger Verlegung ihres Satzungssitzes in den Zuzugsstaat. Die Gesellschaft wahrt trotz der Sitzverlegung ins Ausland ihre Identität, d.h. eine Vermögensübertragung erfolgt nicht. Dieser Beitrag befasst sich insbesondere mit dem grenzüberschreitenden Formwechsel einer deutschen GmbH ins EU-Ausland („Herausformwechsel“).

Beweggründe für einen Herausformwechsel sind zumeist ein besseres Marktumfeld für das Unternehmen, günstigere rechtliche Rahmenbedingungen, Steuerersparnisse, günstigere Regelungen zur Arbeitnehmer-Mitbestimmung, vereinfachte Abwicklungen von Insolvenzen und Liquidationen sowie im Gegensatz zu anderen Umwandlungsformen (z.B. grenzüberschreitende Verschmelzung) aufgrund der Identitätswahrung i.d.R. keine Auslösung von Grunderwerbsteuer, kein Verstoß gegen Haltefristen und Bestehenbleiben von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen.

Derzeitige Rechtslage

Obwohl das Umwandlungsgesetz („UmwG“) im Gegensatz zur grenzüberschreitenden Verschmelzung („Übernahme“ einer Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedsstatt, die zu deren Auflösung führt) keine Regelung zum Herausformwechsel enthält, ist dessen Zulässigkeit mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur unstreitig.

Nichtdestrotz ist der Weg in der Praxis derzeit noch steinig. Es fehlt an nationalen Vorschriften, die das Verfahren des Herausformwechsels verbindlich regeln. In der Praxis wird daher zum Teil auf die Vorschriften zum nationalen Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) analog zurückgegriffen, teilweise ergänzt durch die analoge Anwendung von Regelungen über die grenzüberschreitende Verschmelzung (§§ 122a ff. UmwG) bzw. von Regelungen zur Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft gemäß Art. 8 SE-VO.

Hinzu kommt, dass die mit dem Herausformwechsel verbundene grenzüberschreitende Sitzverlegung zu einem Statutenwechsel der Gesellschaft (z.B. von der deutschen GmbH in eine luxemburgische S.à r.l.) führt, an dessen Schnittstelle die Rechtsordnungen sowohl des Wegzugsstaates als auch des Zuzugsstaates zu beachten sind.

Verfahrensablauf des Herausformwechsels

Mangels verbindlicher gesetzlicher Verfahrensvorgaben und mangels Rückgriffsmöglichkeit auf erprobte Muster oder Praxisanleitungen besteht bei den Registergerichten in Deutschland im Moment eine nicht unerhebliche Unsicherheit über das genaue Prozedere des Herausformwechsels. Neben vereinzelten Gerichtsentscheidungen zu Herausformwechseln bietet lediglich die bereits im August 2014 von den Richtern des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg erstellte Checkliste Anhaltspunkte zu den Erfordernissen im Rahmen des Herausformwechsels.

Derzeit durchgeführte Herausformwechsel werden daher – je nach zuständigem Handelsregister – jeweils anderen Anforderungen unterstellt und sollten im Zweifel vorher mit dem zuständigen Handelsregister abgestimmt werden.

Vor diesem Hintergrund lassen sich zwar derzeit keine eindeutigen Empfehlungen für die praktische Umsetzung des Herausformwechsels geben, dennoch können aber nachfolgende Verfahrensschritte skizziert werden, die nach dem Verständnis des Verfassers nach derzeitiger Rechtslage zu beachten sind.

1. Umwandlungsplan

Da beim Herausformwechsel in besonderer Weise Gläubiger- und Arbeitnehmerrechte beeinträchtigt sein können, ist für dessen Umsetzung ein notariell zu beurkundender Umwandlungsplan erforderlich, den das Vertretungsorgan der Gesellschaft zu erstellen hat. Inhalt des Umwandlungsplans sind insbesondere die neue Rechtsform, Folgen für die Arbeitnehmer und die Angaben zu den zukünftigen Beteiligungsverhältnissen der Gesellschafter. Dieser Umwandlungsplan ist vor der zustimmenden Beschlussfassung der Gesellschafter über den Herausformwechsel beim Handelsregister einzureichen und offenzulegen. Die Frist, die zwischen der Offenlegung und der Beschlussfassung einzuhalten ist, beträgt je nach vom jeweiligen Registergericht herangezogenen Rechtsgrundlagen ein oder zwei Monate.

2. Umwandlungsbericht

Hieran schließt der Umwandlungsbericht an, soweit er im Einzelfall vorgesehen ist und nicht in notariell beurkundeter Form von den Gesellschaftern auf ihn verzichtet werden kann. Der Umwandlungsbericht dient dem Schutz von Gläubigern und Arbeitnehmern durch Information und ist durch das Vertretungsorgan der Gesellschaft zu erstellen.

3. Umwandlungsbeschluss

Anschließend ist ein Beschluss der Gesellschafter zur Zustimmung zum Herausformwechsel in notariell beurkundeter Form erforderlich.

4. Handelsregisteranmeldung und Sitzverlegungsbescheinigung

Der Herausformwechsel ist unter Beifügung von Anlagen und der Abgabe von Versicherungen u.a. zum Gläubigerschutz zum zuständigen deutschen Handelsregister am Sitz der Gesellschaft anzumelden.

Sind nach Ansicht des Registergerichts alle formellen Voraussetzungen für den Herausformwechsel eingehalten, erstellt es eine sog. Sitzverlegungsbescheinigung.

5. Verfahren im Zuzugsstaat

Die Eintragung im Zuzugsstaat richtet sich nach den jeweils dort geltenden Vorschriften, insbesondere dem für die Zielrechtsform vorgesehenen Gründungsmodalitäten. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens in Deutschland findet im Zuzugsstaat nicht mehr statt, vielmehr entfaltet hier die vom deutschen Registergericht erteilte Sitzungsverlegungsbescheinigung eine umfassende Bindungswirkung. Nach Eintragung der Gesellschaft im zuständigen Register des Zuzugsstaats erfolgt nach einer entsprechenden Mitteilung über diese Eintragung die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister in Deutschland.

Aktuelle praktische Erfahrungen mit den Handelsregistern

In der Praxis weichen viele Handelsregister derzeit von dem vorgenannten Verfahrensablauf insoweit ab, als sie sich erst nach erfolgter Eintragung der Gesellschaft in der neuen Rechtsform im Zuzugsstaat (z.B. in Luxemburg) mit dem Vorgang befassen. So ist beispielsweise das Handelsregister Frankfurt am Main bereit, sich zwar im Vorfeld über die Verfahrensschritte informell abzustimmen, befasst sich aber erst weiter mit der Anmeldung des Formwechsel und der Beantragung der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister nachdem die Eintragung der Gesellschaft in der neuen Rechtsform im Zuzugsstaat bereits erfolgt und der Herausformwechsel somit bereits wirksam geworden ist.

Um zukünftig solche Konstellationen zu verhindern, bei denen sich das deutsche Handelsregister erst nach Wirksamwerden des Herausformwechsels mit diesem sachlich befasst, ist eine verbindliche gesetzliche Regelung des Verfahrens des Herausformwechsels erforderlich.

Die erst kürzlich am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Änderung des UmwG (4. UmwGÄndG), die anlässlich des drohenden EU-Austritts des Vereinigten Königreichs („Brexit“) erfolgte, enthält keine Regelungen zum Herausformwechsel. Mit den neuen Regelungen des UmwG vom 1. Januar 2019 soll für bestimmte vom Brexit betroffene Gesellschaften englischer Rechtsform, die ihren Sitz in Deutschland haben, der Wechsel in das deutsche Recht erleichtert werden.

Reformvorschläge im EU Company Law Package

Die EU-Kommission hat am 25. April 2018 ein Gesellschaftsrechtspaket (sog. Company Law Package) veröffentlicht. Die darin enthaltenen Vorschläge sollen EU-weit u.a. das Verfahren zum Herausformwechsel regeln und harmonisieren sowie die Umsetzung des Herausformwechsels in einem zeitlich und kostenmäßig überschaubaren Rahmen ermöglichen.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission ist für den Herausformwechsel ein zweistufiges Verfahren vorgesehen, das in seinen wesentlichen Elementen an die schon geltende Praxis des Herausformwechsels angelehnt ist.

Auf der ersten Stufe (Verfahren im Wegzugstaat) soll zunächst ein Umwandlungsplan über die vorgesehen Maßnahmen sowie jeweils ein Bericht an die Gesellschafter und an die Arbeitnehmer durch das Vertretungsorgan der Gesellschaft erstellt und bekannt gemacht werden. Anschließend soll die Gesellschafterversammlung über den Herausformwechsel beschließen.

Ein wesentlicher Neuansatz der EU-Kommission ist die Prüfungspflicht durch einen unabhängigen Sachverständigen. Derzeit wird im EU-Gesetzgebungsverfahren diskutiert, ob es den Gesellschaftern der formwechselnden Gesellschaft möglich sein soll, durch Beschluss auf diese Sachverständigenprüfung des Umwandlungsplans und des Umwandlungsberichts verzichten zu können.

Das Registergericht des Wegzugstaates prüft anschließend, ob die nach nationalem Recht bestehenden Voraussetzungen für die Durchführung des Herausformwechsels vorliegen und die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden (= Rechtmäßigkeitsprüfung).

Derzeit wird im EU-Gesetzgebungsverfahren noch intensiv darüber verhandelt, ob das Registergericht des Wegzugsstaates neben dieser Rechtmäßigkeitsprüfung auch eine Missbrauchsprüfung durchzuführen hat.

Durch die Missbrauchsprüfung sollen „künstliche Gestaltungen“ verhindert werden, die das Ziel haben, durch den Herausformwechsel ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen oder Rechte zum Schutz von Arbeitnehmern, Gesellschaftern oder Gläubigern zu umgehen. Welche Kriterien allerdings für eine solche ggf. durchzuführende Missbrauchsprüfung heranzuziehen sind, wird derzeit ebenfalls noch intensiv diskutiert. Aus dem derzeitigen Verhandlungsstand ist jedoch erkennbar, dass die Missbrauchsprüfung insbesondere auf sog. Briefkastenfirmen oder Strohmann als sog. künstliche Gestaltungen abzielen soll.

Das Registergericht im Wegzugsstaat hat, wenn die Rechtmäßigkeits- und ggf. die Missbrauchsprüfung ohne Beanstandung geblieben ist, eine sog. Vorabbescheinigung auszustellen. Diese Vorabbescheinigung ist der zuständigen Behörde des Zuzugsstaates zuzuleiten.

Damit beginnt die zweite Stufe der Herausformwechsels (Verfahren im Zuzugsstaat). Die Vorabbescheinigung dient dabei als schlüssiger Beweis für die ordnungsgemäße Erledigung des Verfahrens und der Formalitäten nach dem Recht des Wegzugsstaates. Ohne das Vorliegen der Vorabbescheinigung darf der Herausformwechsel durch den Zuzugsstaat nicht vollzogen werden.

Nach erfolgter Prüfung der Gründungsvoraussetzungen für die neu gewählte Rechtsform durch die zuständige Behörde des Zuzugsstaates trägt diese die Gesellschaft in das Handelsregister des Zuzugsstaates ein. Damit wird der Herausformwechsel wirksam und anschließend erfolgt die Löschung im Handelsregister des Wegzugsstaates.

Fazit

Durch die vorstehend kurz angerissenen geplanten Neuregelungen zeichnet sich zwar eine wünschenswerte verfahrensrechtliche und somit für Rechtssicherheit sorgende Vereinheitlichung beim Herausformwechsel ab. Allerdings besteht an vielen Stellen noch Optimierungsbedarf. Insbesondere bleibt abzuwarten, ob eine Missbrauchsprüfung durch das Registergericht des Wegzugsstaats festgelegt wird und falls ja, welche Kriterien für eine solche Missbrauchsprüfung heranzuziehen sind.

Derzeit durchläuft das Company Law Package das EU-Gesetzgebungsverfahren. Aus dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen ist zu entnehmen, dass das EU-Gesetzgebungsverfahren forciert wird, um es noch vor der Europawahl im Mai 2019 zum Abschluss zu bringen. Nach Abschluss des EU-Gesetzgebungsverfahrens sollen den EU-Mitgliedstaaten 24 Monate für die Umsetzung in das nationale Recht verbleiben. Erst mit Umsetzung in das nationale Recht treten die Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten in Kraft.

Bis dahin gilt es, die für einen Herausformwechsel erforderlichen Verfahrensschritte sicherheitshalber zuvor mit dem jeweils zuständigen Handelsregister abzustimmen.

Weitere Fragen zu dem Thema beantworten Ihnen Volker Szpak und Petra Bolle gerne.

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EU-Recht GmbH Company Law Package Formwechsel

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