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Strafrechtlich sanktionierbares Verhalten bei zu großzügig bemessener Vergütung von Betriebsratsmitgliedern?

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22

Die Gewährung eines überhöhten Arbeitsentgeltes an Mitglieder des Betriebsrates stellt einen Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot dar. Wird Betriebsräten ein zu hoch bemessenes Entgelt gewährt, kann dies für Führungskräfte strafrechtliche Sanktionen wegen Untreue nach sich ziehen.

Sachverhalt

Angeklagt waren mehrere Manager, die für die Bemessung der Betriebsratsvergütung zuständig waren. Diese hatten freigestellten Betriebsratsmitgliedern hohe Gehälter und Boni entsprechend dem Vergütungsniveau des Managements bewilligt, ohne dass die Betriebsräte nachweisbar die hierfür erforderlichen Qualifikationen aufwiesen. Die Angeklagten rechtfertigten dies unter anderem damit, dass die betreffenden Betriebsräte nach ihrer Amtsübernahme mit Vorständen und Managern „auf Augenhöhe verhandelt“ und als Betriebsrat komplexe Aufgaben wahrgenommen hätten. Das Landgericht Braunschweig sprach die angeklagten Führungskräfte vom Vorwurf der Untreue frei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob sämtliche Freisprüche auf.

Die Entscheidung

Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, üben Betriebsräte ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt aus. Zum Ausgleich für ihre Betriebsratstätigkeit, haben Betriebsratsmitglieder Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Untersagt ist aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Begünstigungsverbots, Betriebsräten aufgrund ihres Ehrenamtes als Betriebsrat einen Vorteil zu gewähren, der keine Berechtigung im Gesetz findet.

Der BGH entschied nun, dass im Interesse der Unabhängigkeit bei der Bemessung des Arbeitsentgelts ein strenger Maßstab zugrunde zu legen sei. Bei der gebotenen hypothetischen Gehaltsentwicklung eines Betriebsratsmitglieds dürfe diesem daher keine „Sonderkarriere“ unterstellt werden. Vielmehr sei eine Beförderung erst dann üblich – und damit bei der Bemessung der Gehaltsentwicklung berücksichtigungsfähig –, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung genommen hat. Vergleichbar sei daher nur derjenige, der im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt habe und dafür in gleicher Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert war. Die Zahlung einer höheren Vergütung setze aus dem Grund voraus, dass das Betriebsratsmitglied nicht nur infolge der Amtsübernahme in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen sei.

Ein Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot führt nach der Entscheidung des BGH automatisch zu einer Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten, was eine Verurteilung wegen Untreue zur Folge haben kann.

Konsequenzen für die Praxis

Entgegen den teilweise in der Literatur vertretenen Auffassungen lässt der BGH keinen weiten Spielraum bei der Höhe der Vergütung von Betriebsräten zu. Um eine Strafbarkeit wegen Untreue sicher zu vermeiden, sind die von dem BGH in seiner Entscheidung aufgestellten Rechtssätze strikt zu beachten.

Praxistipp

Unternehmen sollten aufgrund des erhöhten Strafbarkeitsrisikos kritisch überprüfen, ob die bestehende Vergütungsstruktur von Betriebsratsmitgliedern den durch den BGH aufgestellten Grundsätzen entspricht oder ob Anpassungen der Entgelte, einschließlich der Bonuszahlungen, geboten sind, um einer gegebenenfalls zu wohlwollend bemessenen Vergütung entgegenzuwirken. Bei der Prüfung der angemessenen Betriebsratsvergütung sollte besonderes Augenmerk auf die – im besten Fall frühestmögliche – Bestimmung der Vergleichspersonen gelegt werden.

Caroline Gotzen, LL.M.



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Betriebsrat Entgelt Begünstigungsverbot