BLOG -


Muss eine Gleichstellungsbeauftragte weiblich sein?

LAG Niedersachsen, Urteil vom 24. Februar 2023 – 16 Sa 671/21

Das LAG Niedersachen entschied, dass die Besetzung der Stelle einer Gleichstellungsbeauftragen zulässigerweise auf eine weibliche Person beschränkt werden darf und eine nicht-binäre Person nicht berücksichtigt werden muss. Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht das Gericht darin nicht.

Sachverhalt

Eine Person bewarb sich auf die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten bei der beklagten Hochschule. In der Bewerbung gab die Person an, sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig zu fühlen, jedoch als Mann geboren zu sein.

Das Niedersächsische Hochschulgesetz sieht für die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten eine Frau vor (§ 42 NHG). Die Hochschule ließ die Bewerbung der nicht-binären Person daher unberücksichtigt und stützte ihre Entscheidung darauf, dass sie aufgrund der Regelung des § 42 NHG formell an der Einstellung einer nicht weiblichen Bewerberin gehindert sei.

Die abgelehnte nicht-binäre Person klagte und machte die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG geltend, weil sie sich wegen ihres Geschlechts zu Unrecht benachteiligt sah.

Entscheidung

Die beklagte Hochschule durfte sich auf Personen beschränken, die sich als weiblich identifizieren, da für einen Teil der Tätigkeiten laut Ansicht des Gerichts das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass eine Ungleichbehandlung der klagenden nicht-binären Person gegenüber weiblichen Bewerberinnen vorliege. Die Ablehnung der Bewerbung aufgrund des Geschlechts sei zwar nicht schon deshalb zulässig, weil § 42 NHG die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau fordert.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist dann zulässig, wenn der Grund der unterschiedlichen Behandlung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG kann das Geschlecht nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen, wenn die Tätigkeit ohne das Merkmal nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Abzustellen ist hierbei auf die konkret vom Arbeitnehmer/von der Arbeitnehmerin auszuübende Tätigkeit und das Anforderungsprofil.

Im streitgegenständlichen Fall bildet das weibliche Geschlecht nach Auffassung des Gerichts eine wesentliche und entscheidende Anforderung. Zwar könne auch ein Mann teilweise die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten wahrnehmen. Jedoch sei das weibliche Geschlecht für den Großteil der spezifischen Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten unverzichtbare Voraussetzung.

Entsprechend der Stellenanzeige der Beklagten zähle zum Aufgabenbereich der Gleichstellungsbeauftragten unter anderem die Beratung weiblicher Hochschulangehöriger in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung sowie sexueller Belästigung. Mithin sei die Gleichstellungsbeauftragte insbesondere Ansprechpartnerin für Angelegenheiten, deren Hauptbetroffene Frauen sind.

Daher sei davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, legitime Gründe für die Diskriminierung seien. Ebenso sei die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim, ihr wohne grundsätzlich kein diskriminierender Charakter inne. Gleiches gelte, wenn ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich sei und dieses erfordere, dass die fragliche Person selbst dieser Gruppe angehöre. Insbesondere bei der Beratung und Betreuung von Opfern von Diskriminierung sei dies zu bejahen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Beschränkung des Bewerberkreises für das Amt der Gleichstellungsbeauftragen ist damit laut Ausführungen des Gerichts weiterhin zulässig. Wie festgestellt führt nicht jede Ungleichbehandlung automatisch zu einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es ist jeweils spezifisch auf die konkreten Anforderungen an die zu besetzende Stelle abzustellen und eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen.

Problematisch könnte die Schlussfolgerung des Gerichts aber deshalb sein, weil es schematisch von zwei Geschlechtern auszugehen scheint und dementsprechend darauf schließt, ein Mann könne die spezifischen Probleme wegen seiner Geschlechtszugehörigkeit nicht entsprechend betreuen.

Außen vor blieb dabei scheinbar, dass sich die klagende Person gar nicht als Mann identifizierte. Man hätte in dieser sehr spezifischen Situation sicher auch vertreten können, dass eine nicht-binäre Person durchaus (wenn nicht sogar noch stärker) auch Fälle von Diskriminierung und Gleichstellung kennt und diese Aufgaben genauso wahrnehmen kann wie eine Frau.

Ebenso hätte man überlegen können, die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten auf den Schutz aller solcher Personen auszuweiten, die grundsätzlich von Diskriminierung und Belästigungen betroffen sein können. Solche Diskriminierungen sind nämlich, anders als das Gericht in seiner Urteilsbegründung suggeriert, keineswegs auf Frauen beschränkt, sondern treffen auch benachteiligte Minderheiten wie beispielsweise nicht-binäre Personen. In diesem Sinne wäre es durchaus wünschenswert, diesen Aspekt in die Überlegungen einfließen zu lassen und zu berücksichtigen, ob eine nicht-binäre Person nicht gerade auch solche spezifischen Diskriminierungen besonders gut nachvollziehen und betreuen kann.

Laura Schildberg

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

TAGS

Diskriminierung Bewerbung Gleichbehandlungsgrundsatz Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)