Bundesarbeitsgericht vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16
Der verdeckte Einsatz eines Privatdetektivs kann unter bestimmten Voraussetzungen datenschutzrechtlich zulässig sein. Voraussetzung ist, dass die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers zur Aufdeckung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung durchgeführt wird und diesbezüglich ein konkreter Verdacht besteht.
Ein Arbeitnehmer arbeitete seit über 36 Jahren bei einem Arbeitgeber, der Stanzwerkzeuge herstellt. Ab 2014 war der Arbeitnehmer mehrfach krankgeschrieben. Anfang 2015 war er durchgehend arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber leistete Entgeltfortzahlung. Ende Mai 2015 erhielt der Arbeitgeber durch eine E-Mail eines Geschäftspartners davon Kenntnis, dass sein krankgeschriebener Arbeitnehmer sehr wahrscheinlich eine Konkurrenztätigkeit im Unternehmen seiner eigenen Söhne aufgenommen habe. Daraufhin wandte sich der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer und forderte ihn zu einer Stellungnahme zum Verdacht wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeit und Vortäuschens einer Erkrankung auf. Der Arbeitnehmer äußerte sich nicht. In der Folge setzte der Arbeitgeber einen Privatdetektiv ein, der sich als Spediteur Zugang zum Betriebsgelände verschaffte. Wie sich herausstellte, arbeitete der vermeintlich arbeitsunfähige Arbeitnehmer tatsächlich im Unternehmen seiner Söhne. Der Arbeitgeber kündigte. Gegen diese Kündigung erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.
Dass hier ein Kündigungsgrund in Form einer unzulässigen Konkurrenztätigkeit während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vorlag, ist nicht überraschend und nicht der interessante Aspekt dieser Entscheidung. Auch dass in diesem Fall eine zweite schwere Pflichtverletzung, das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, im Raum stand, ist nur eine Randnotiz. Spannender sind hingegen die Ausführungen des BAG, dass kein „Beweisverwertungsverbot“ vorlag. Das LAG war der Auffassung gewesen, dass die Beweise, die der Privatdetektiv über den Arbeitnehmer zusammengetragen hatte, nicht für die Begründung der Kündigung herangezogen werden könnten. Das BAG hielt dies für unzutreffend und entschied, dass die Observation des Arbeitnehmers mit den datenschutzrechtlichen Grundsätzen in Einklang standen, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sei. Somit sind Beweise, die ein Privatdetektiv sammelt, in einem Kündigungsschutzverfahren nicht per se unverwertbar. Zulässig ist der Einsatz eines Detektivs, wenn ein konkreter Verdacht einer schweren Pflichtverletzung gegen den Arbeitnehmer vorliegt und andere Aufklärungsmaßnahmen nicht zur Verfügung standen.
Arbeitgeber sind bei schwerwiegenden Verdachtsmomenten gegenüber Arbeitnehmern und bei ungünstiger Beweislage nicht zwingend die Hände gebunden. Wesentlich ist, dass ein verdeckter Detektiveinsatz nicht „ins Blaue hinein“ vorgenommen werden darf. Findet eine anlasslose Überwachung statt, dürfen die gefundenen Beweise nicht gegen den Arbeitnehmer verwertet werden. Generell darf also ein Detektiv erst dann beauftragt werden, wenn ein Anfangsverdacht besteht, auf andere Aufklärungsversuche nicht zurückgegriffen werden kann oder diese bereits erfolglos ausgeschöpft worden sind. Für die Rechtmäßigkeit der Überwachung muss sich diese auf eine bestimmte Person sowie einen bestimmten Zeitraum beschränken. Diese Grundsätze gelten auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) am 25. Mai 2018, da die neuen mit den bereits bestehenden Regelungen vergleichbar sind. Allerdings steigen die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Dokumentations- und Rechenschaftspflichten (Art. 5 Abs. 2 DS-GVO). Dies bedeutet eine zentrale Änderung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage.
Kündigungen können allein deshalb unwirksam sein, weil Beweise nicht datenschutzkonform ermittelt worden sind. Die Einbindung des Betriebsrats und des Datenschutzbeauftragten sowie das Ermitteln nach vorab definierten Compliance-Regeln können zur Risikominimierung beitragen, einen Kündigungsschutzrechtsstreit zu verlieren. Zudem sollte frühzeitig ein Rechtsbeistand in den Ermittlungsprozess eingebunden werden, der die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regeln begleiten kann. Denn zentral ist, dass der gesamte Untersuchungsprozess sorgfältig dokumentiert wird, um die Datenschutzkonformität der Beweiserlangung nachweisen zu können. So kann ein weiteres Risiko auf Arbeitgeberseite eingedämmt werden: Die DSGVO sieht bei unzulässigen Datenerhebungen hohe Bußgelder sowie Schadensersatzansprüche vor, sodass allein eine akkurate Dokumentation den Zulässigkeitsnachweis führen kann.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Dominik Sorber.