EuGH, Urteil vom 16.07.2014, Rs C-104/14 und C-109/14, Larentia + Minerva sowie Marenave Hintergrund Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung vom 16. Juli 2015 mit der umsatzsteuerlichen Organschaft im deutschen Umsatzsteuerrecht beschäftigt und die geltenden Regelungen zur Eingliederung für unionsrechtswidrig erklärt. Auch zur Frage des Vorsteuerabzugs hat der EuGH wichtige Grundsätze verdeutlicht. Die EuGHEntscheidung wird weitreichende Auswirkungen für die Praxis haben. Siehe zu den zugrunde liegenden Sachverhalten und zu den Vorlagefragen des BFH auch Tax Newsletter April 2014. Urteilssachverhalte des EuGH
In beiden Verfahren legte der BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
Entscheidung des EuGH zum Vorsteuerabzug einer Holding Bezüglich des Vorsteuerabzugs hat der EuGH klargestellt, dass bei einer Führungsholding die Mehrwertsteuer vollständig abgezogen werden kann, wenn die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen. Entgegen der Auffassung des BFH sei dies auch bei Eingangsleistungen im Zusammenhang mit Kapitalbeschaffungsmaßnahmen der Fall. Damit ist – entgegen bisheriger Auffassung insbesondere der Finanzverwaltung – in entsprechenden Fällen ein hundertprozentiger Vorsteuerabzug zu gewähren. Die Aufteilung der Vorsteuer pro-rata kommt danach nur hilfsweise in Betracht, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und entsprechenden Ausgangsumsätzen fehlt. Neu ist dabei, dass in den entsprechenden Fällen sämtliche Eingangsleistungen einer Führungsholding im Zusammenhang mit dem Erwerb, Halten, Verwalten und Veräußern einer Beteiligung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigen. Zusammengefasst beantwortete der EuGH die Vorlagefragen folgendermaßen:
Entscheidung des EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft Zur umsatzsteuerlichen Organschaft stellte der EuGH fest, dass eine nationale Regelung unionrechtswidrig ist, die nur juristische Personen als Organgesellschaften zulässt und damit per se Einheiten, die insbesondere wie Kommanditgesellschaften keine juristischen Personen sind, als Organgesellschaften ausschließt. Ein Ausschluss bestimmter Einheiten sei nur zur Abwehr von Missbräuchen bzw. zur Vermeidung von Steuerhinterziehung zulässig. Diese Entscheidung ist bemerkenswert, denn der EuGH urteilt hier in besonderer Deutlichkeit zur Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Organschaftsregeln. Hier ist jetzt der Gesetzgeber gefordert. Zudem stellt der EuGH fest, dass auch das geforderte Unterordnungsverhältnis im Rahmen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung bzw. Beziehung unionrechtswidrig ist. Denn die EU-Richtlinie stelle insoweit allein auf das Bestehen von engen Beziehungen zwischen den betroffenen Personen ab und fordere hier kein Über- oder Unterordnungsverhältnis. Schließlich setzt sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob bezüglich der Organschaft eine Direktwirkung der Richtlinie in Betracht kommt, sodass sich deutsche Unternehmen entgegen der deutschen Umsatzsteuervorschriften direkt auf die EU-Richtlinie berufen können. Hier stellt der EuGH klar, dass eine Direktwirkung nur bei einer inhaltlich unbedingten und hinreichend genauen Richtlinie möglich sei. Da jedoch die von der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen von finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung einer Präzisierung auf nationaler Ebene bedürften, komme vorliegend keine Direktwirkung der Richtlinie bezüglich der umsatzsteuerlichen Organschaft in Betracht. Der Gesetzgeber ist nach dieser Entscheidung aufgefordert, zügig einen richtlinienkonformen Rechtszustand herzustellen. Auswirkungen auf die Praxis Für Holdinggesellschaften ist es vorteilhaft, dass sämtliche Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb, Halten, Verwalten und Veräußern einer Beteiligung grundsätzlich zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen. Dies ist eine Neuerung für die deutsche Steuerpraxis. Bezüglich der umsatzsteuerlichen Organschaft wird die EuGH-Entscheidung für die Praxis weitreichende Folgen haben. Da der EuGH zwar die Direktwirkung der Richtlinie verneint hat, ändert sich unmittelbar zunächst noch nichts. Da Verwaltung bzw. Gesetzgeber jedoch aufgefordert sind, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, wird es hier voraussichtlich zeitnah Änderungen geben. Die zu erwartende Änderung bei den Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft wird weitreichende Konsequenzen für die Praxis haben. Die Auswirkungen auf Strukturen mit insbesondere KGs als Tochtergesellschaften müssen dann sorgfältig geprüft werden. Vielleicht die größte Auswirkung hat die Feststellung des EuGH, dass für die finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen keine Unterordnung erforderlich ist. Damit wäre die umsatzsteuerliche Organschaft in einem viel größeren Umfang als bisher möglich und könnte auch Schwestergesellschaften und andere gleichgeordnete Unternehmen erfassen. Für die umsatzsteuerliche Praxis wird dies weitreichende Folgen haben. Bei Fragen zum Thema kontaktieren Sie bitte: Dr. Michael Hils