Landesarbeitsgericht Hessen vom 10. November 2017 – 10 Sa 964/17 (nicht rechtskräftig)
Der Arbeitgeber muss nach rechtswidriger Versetzung für Zweitwohnung und Heimfahrten zahlen.
Ein Arbeitnehmer war in eine ca. 480 km entfernte Betriebsstätte versetzt worden. Er klagte erfolgreich dagegen und verlangte dann vom Arbeitgeber Ersatz für die ihm infolge der Versetzung entstandenen Kosten.
Das LAG Hessen verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz, weil das Unternehmen mit der rechtswidrigen Versetzung den Arbeitsvertrag verletzt habe. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Kosten der erforderlichen Zweitwohnung erstatten, für Heimfahrten alle zwei Wochen zahlen und Tagegeld leisten. Die Höhe der Ansprüche orientiert sich laut LAG Hessen am Leitbild des Reisekostenrechts des öffentlichen Dienstes. Für die für Heimfahrten aufgewendete Zeit erhält der Arbeitnehmer hingegen weder Vergütung noch Schadensersatz. Die Reisezeit diene privaten Interessen und sei daher keine Arbeitszeit. Ein finanzieller Schaden sei nicht entstanden, da der Freizeit kein Vermögenswert zukomme. Gegen die Entscheidung wurde von beiden Seiten Revision eingelegt.
Versetzungen sind für Arbeitgeber zuletzt schon deshalb riskantergeworden, weil unbillige Weisungen nach der neuen Rechtsprechung des BAG vom Arbeitnehmer nicht befolgt werden müssen (Urteil vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16, vgl. BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht, Ausgabe Dezember 2017, S. 8). Leistet ein Arbeitnehmer ihnen dennoch Folge, z.B. um keine Kündigung wegen einer falschen Einschätzung der Rechtslage zu riskieren, besteht für den Arbeitgeber aufgrund des Urteils des LAG Hessen ein zusätzliches finanzielles Risiko. Die Frage, ob und in welcher Höhe nach einer rechtswidrigen Versetzung Ersatzansprüche bestehen, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Die Entscheidung des BAG darf daher gespannt erwartet werden.
Arbeitgeber sollten vor Versetzungen genau den Arbeitsvertrag prüfen. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, bei geplanten Ortswechseln das Einvernehmen mit dem betroffenen Arbeitnehmer zu suchen. Ist das nicht möglich, kann eine zusätzliche vorsorgliche Änderungskündigung ratsam sein. Sofern der Ortswechsel nicht ohnehin auf einer Betriebsänderung beruht und ein Sozialplan den Kostenersatz regelt, kann es im Sinne einer Vorwärtsverteidigung sinnvoll sein, dies individuell zu vereinbaren. Andernfalls sollten neben potentiellen Prozesskosten auch mögliche Schadensersatzansprüche einkalkuliert werden.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Corinne Klapper.