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    17.01.2019

    § 41 VgV verlangt nicht die Bereitstellung sämtlicher Vergabeunterlagen im Teilnahmewettbewerb


    Seit Inkrafttreten des neuen Vergaberechts im April 2016 ist umstritten, in welchem Umfang die Pflicht des § 41 VgV, die Vergabeunterlagen vollständig elektronisch zur Verfügung zu stellen, in einem zweistufigen Verfahren gilt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2018 (VII-Verg 26/18) die bisher eher strenge Rechtsprechung hierzu weiter abgemildert. Danach ist es zulässig, jedenfalls diejenigen Vergabeunterlagen erst in der Angebotsphase zu veröffentlichen, die für die Entscheidung über eine Teilnahme am Verfahren nicht erforderlich sind.

     

    In der Vergabepraxis kann dies zu einer Erleichterung führen, wenngleich damit aber auch neue Unsicherheiten verbunden sind.

     

    Der Sachverhalt

     

    Bei einem EU-weiten Verfahren zur Vergabe von Reinigungsdienstleistungen in Gestalt eines nicht offenen Verfahrens hatte der Auftraggeber mit Einleitung des Verfahrens über einen in der EU-Bekanntmachung angegebenen Internetlink die Unterlagen für den Teilnahmewettbewerb zum uneingeschränkten, direkten und gebührenfreien Download bereitgestellt. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die vollständigen Vergabeunterlagen nur den im Teilnahmewettbewerb ausgewählten Bietern zur Verfügung gestellt werden, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden. Auf Rüge eines Bieters wurden zusätzlich die Leistungsbeschreibung und die Bewerbungsbedingungen für die Angebotsphase zur Verfügung gestellt, nicht aber der Vertragsentwurf.

     

    Der Bieter machte in dem eingeleiteten Nachprüfungsverfahren u. a. einen Verstoß gegen §§ 41 Abs. 1, 29 VgV geltend, da die Vergabeunterlagen nicht, wie dort gefordert, vollständig zugänglich gemacht wurden.

     

    Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück, wogegen sich die sofortige Beschwerde richtete.

     

    Die Entscheidung

     

    Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf schloss sich der Auffassung der Vergabekammer Westfalen an und wies die Beschwerde zurück: Es sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber den Vertragsentwurf nicht vor Ablauf der Teilnahmefrist zur Verfügung gestellt habe. Ein Verstoß gegen §§ 41 Abs. 1 i.V.m. 29 VgV liege nicht vor.

     

    Aus § 41 VgV ergäben sich lediglich die Anforderungen an die Art und Weise der Bereitstellung und der elektronischen Verfügbarkeit von Vergabeunterlagen, nicht aber an deren Umfang. Welche 2019Unterlagen und Angaben zu den nach § 41 VgV bereit zu stellenden Vergabeunterlagen gehören, sei vielmehr in § 29 VgV geregelt. Nach dessen Satz 1 umfassen diese alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Verfahren zu ermöglichen. Obwohl in Satz 2 der Vorschrift auch die Vertragsbedingungen als Regelbeispiel genannt sind, ist es nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht zu beanstanden, dass der Reinigungsvertrag nicht während des Teilnahmewettbewerbs zur Verfügung gestellt wurde. Denn dessen Inhalt sei nicht erforderlich gewesen, um die Teilnahme am Verfahren durch Abgabe eines Teilnahmeantrags zu ermöglichen. Die Erforderlichkeit richte sich nach dem jeweiligen Einzelfall und hänge u. a. von der Verfahrensart ab. In einem zweistufigen Verfahren finde zunächst ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb statt. Dessen Sinn und Zweck sei es, die Eignungsvoraussetzungen der Bewerber zu ermitteln und entsprechende Nachweise zu erlangen. Erforderlich, aber auch ausreichend, seien hierfür sämtliche Angaben, die dem Verfahrensteilnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob die ausgeschriebene Leistung nach Art und Umfang in sein Portfolio fallen und es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll ist, in den Teilnahmewettbewerb mit der Aussicht einzutreten, zur Angebotsabgabe aufgefordert zu werden.

     

    Die Argumentation des Antragstellers, der Vertragsentwurf habe zu den erforderlichen Vergabeunterlagen gehört, da er Informationen über die mit der Leistungsausführung verbundenen kaufmännischen und unternehmerischen Risiken enthalten habe und daher für die Entscheidung maßgeblich gewesen wäre, ob diese Risiken alleine oder nur zusammen mit anderen getragen werden könnten, überzeugte das Gericht nicht. Denn dem Antragsteller habe die umfangreiche Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestanden, aus der sich eine Vielzahl für diese Fragestellung relevanter Informationen ergeben habe. Zudem sei der Antragsteller bereits viele Jahre für die Auftraggeberin tätig gewesen. Aus diesem Auftragsverhältnis seien ihm weitere maßgebliche Aspekte für das jetzige Verfahren bekannt gewesen.

     

    Praxishinweise

     

    Die Frage, welche Vergabeunterlagen in einem zweistufigen Vergabeverfahren, also in einem nicht offenen

    Verfahren, einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, einem wettbewerblichen Dialog oder einer

    Innovationspartnerschaft, den Unternehmen mit Einleitung des Verfahrens zur Verfügung gestellt werden müssen, ist einer der vergaberechtlichen Hot Spots der vergangenen Jahre. Auftraggeber, die bisher aufgrund der früheren Rechtslage zunächst den Teilnahmewettbewerb auf Grundlage der Teilnahmeunterlagen durchgeführt hatten und parallel zur Teilnahmefrist noch die Unterlagen für die Angebotsphase erarbeitet hatten (was nach Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 27.10.2010 – VII Verg 47/10) im Übrigen erlaubt war), sahen sich in der ersten Zeit nach Einführung des § 41 VgV und einer flankierend vertretenen strikten Interpretation durch das BMWi hieran nunmehr gehindert. Neben dem Verlust des „ökonomischen Vorteils“ einer solchen teilparallelen Vorgehensweise fühlen sich viele Auftraggeber bei einer umfassenden Veröffentlichungspflicht gerade in solchen Verfahren unwohl, in denen die Unterlagen für die Angebotsphase, insbesondere die Leistungsbeschreibung, sensitive Informationen enthalten und bisher exklusiv denjenigen Unternehmen vorbehalten werden konnten, die den Teilnahmewettbewerb erfolgreich durchlaufen haben – und die der Auftraggeber hierdurch hinreichend kennt. Schließlich wird in einer vollständigen Veröffentlichungspflicht sämtlicher Vergabeunterlagen zu Beginn des Teilnahmewettbewerbs eine Gefahr für die oftmals nur ansatzweise mit dem Vergaberecht vertrauten Verfahrensbeteiligten gesehen. Können diese nicht präzise genug zwischen dem Teilnahmewettbewerb und der anschließenden Angebotsphase unterscheiden, besteht die Gefahr, dass Bewerber bereits im Teilnahmewettbewerb Angebote einreichen, da sie sich durch die Überlassung der entsprechenden Angebotsunterlagen hierzu veranlasst sehen.

     

    Die Rechtsprechung hat zunächst lediglich auf das Wort „vollständig“ in § 41 VgV abgestellt und ohne weitere Differenzierung daraus geschlossen, dass sämtliche Unterlagen zu Beginn eines zweistufigen Verfahrens zur Verfügung gestellt werden müssen (VK Thüringen, Beschluss vom 09.01.2017 – 250-4004-7985/2016-E-013-SM). Das OLG München relativierte diese Tendenz bereits in einem zur Parallelvorschrift des § 41 SektVO ergangenen Beschluss, in dem es darauf abstellte, dass jedenfalls diejenigen Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden müssen, die in einer finalisierten Form vorliegen können und erforderlich sind, um eine Entscheidung über eine Verfahrensteilnahme zu ermöglichen (Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16).

     

    Die jetzige Entscheidung des OLG Düsseldorf setzt diese Tendenz fort und hält erstmals positiv fest, dass jedenfalls der Vertragsentwurf in der Regel nicht zu den Unterlagen zählt, die die Bewerber für eine Entscheidung benötigen, ob sie einen Teilnahmeantrag einreichen oder nicht. Allerdings muss vor einer Verallgemeinerung gewarnt werden. Denn das Gericht stellt maßgeblich auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Erforderlichkeit in § 29 Abs. 1 VgV ab und weist auch darauf hin, dass die Entscheidung, welche Unterlagen erforderlich sind und welche (noch) nicht, vom jeweiligen Einzelfall abhängt. Im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall können auch die umfassenden Informationen der durch den Auftraggeber vorgelegten Leistungsbeschreibung und die Tatsache eine Rolle gespielt haben, dass der Antragsteller Bestandsauftragnehmer des Auftraggebers war.

     

    Auftraggeber, die aufgrund dieser Entscheidung zukünftig die Veröffentlichung der Vergabeunterlagen im zweistufigen Verfahren eher restriktiv handhaben wollen, sollten jeweils im Einzelfall sehr gründlich an den Maßstäben des § 29 VgV prüfen, welche Unterlagen und Informationen für eine Entscheidung über die Teilnahme an der ersten Phase eines zweistufigen Verfahrens erforderlich sind und welche noch zurückgestellt werden können.

     

    Fragen zu diesem Beitrag beantwortet Stephan Rechten gerne.

     

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