Ihre
Suche

    10.06.2018

    Sonderthema Blockchain: Die Anwendung von Smart Contracts


    Die Blockchain-Technologie („Blockchain") als dezentrales Datenbankmanagementsystem wurde vor knapp zehn Jahren im White Paper zu Bitcoin erstmals beschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war die Blockchain lediglich Basistechnologie mit deren Hilfe die vermittlerlose „Peer-to-Peer" Transaktion von Bitcoins möglich wurde. Inzwischen erfährt die Blockchain deutlich mehr Aufmerksamkeit als Kryptowährung selbst. Grund dafür ist, dass die Blockchain zwischenzeitlich von einem dezentralen Buchführungssystem für Kryptowährungen zu einem System weiterentwickelt wurde, in dem auch komplexere dezentrale Anwendungen gespeichert und ausgeführt werden können. In diesen Anwendungen, die nachfolgend als „Smart Contracts" bezeichnet werden, wird ein weiterer Katalysator für die weiter fortschreitende Digitalisierung gesehen. Um den Hype um die Smart Contractsund ihren möglicherweise disruptiven Charakter besser einordnen zu können, stellt dieser Beitrag dar, was Smart Contracts sind, wo diese bereits jetzt zur Anwendung kommen bzw. könnten und welche Kriterien vorliegen sollten, um sich für den Einsatz von Smart Contracts zu entscheiden.

     

    Smart Contracts are neither smart nor contracts

     

    Zunächst sind Smart Contracts keine Verträge im Sinne des deutschen Zivilrechts. Vielmehr handelt es sich um Programmcode, der bestimmte Aktionen auslöst, wenn bestimmte Konditionen erfüllt sind. Ob eine Kondition erfüllt ist, richtet sich u. a. nach den vordefinierten Blockchain-Inputdaten (z. B. Zahlungseingang von Kryptowährung) die vom jeweiligen Smart Contract verarbeitet werden können. Inputdaten außerhalb der Blockchain werden hierbei mit sog. Oracles angebunden. Oracles sind das Bindeglied zwischen Blockchain und der Off-Chain-Welt (z. B. eine Programmierschnittstelle zum Abfragen eines Aktienkurses oder der Ankunftszeit eines Fluges). Vereinfacht dargestellt setzen Smart Contracts lediglich eine Wenn-Dann-Beziehung automatisch und ohne Intermediär um: „Wenn ich das Geld erhalten habe, bekommst du das Fahrzeug". Ein Smart Contract ähnelt insofern in seiner Funktionsweise dem klassischen Cola-Automaten: „Wenn Du die entsprechenden Münzen einwirfst, landet eine Cola-Dose im Ausgabenfach".

     

    Weiter sind Smart Contracts nicht wirklich „Smart". Ein Smart Contract lernt nicht hinzu. Hinter einem Smart Contract steht (zumindest noch) keine Artificial Intelligence, die die Programmfunktion erweitern könnte. Im Gegenteil, es ist gerade ein Wesensmerkmal eines Smart Contract, dass dieser unveränderbar ist.

     

    Anwendungsbeispiele von Smart Contracts

     

    Das Schulbeispiel eines Smart Contract ist der Fall des Leasingunternehmen, das über eine Blockchain-Plattform Autos verleast: Die Anwendung ist so programmiert, dass die Autos nur freigeschaltet werden, wenn der Leasingnehmer die vereinbarte Leasingrate gezahlt hat. Geht die Leasingrate nach entsprechender Mahnung des Leasingnehmers nicht ein, wird das Auto nicht mehr freigeschaltet und der Leasingnehmer kann das Auto nicht mehr nutzen, bis die Leasingrate gezahlt wurde. Gleichzeitig wird der Leasinggeber darüber informiert, dass das Auto aufgrund des fehlenden Zahlungseingangs gesperrt ist. Er kann dann z. B. prüfen, ob das Auto ggf. umgeparkt werden muss oder sonstiges zu veranlassen ist.

     

    Wie Smart Contracts aussehen können, wird auf der Seite EtherScripter.com, dem Smart Contract builder von Ethereum an einfachen Beispielen dargestellt. Nachstehend bspw. ein Smart Contract zum Verkauf einer Website für 5000 Ether:

     

    Quellcocde

     

    Kriterienliste für Anwendungsfälle von Smart Contracts

     

    Ein Unternehmen, das evaluiert, seine Geschäfte ganz oder teilweise über Smart Contracts zu regeln und abzuwickeln, sollte sich darüber im Klaren sein, dass sich Smart Contracts auf Basis des derzeitigen Entwicklungsstands nur für einen relativ kleinen Anwendungsbereich eignen. In diesem Anwendungsbereich haben Smart Contracts aber definitiv das Potential, die bestehenden Systeme grundlegend zu verändern. Mit Verweis auf die Studie der Frauenhofer-Gesellschaft vom November 2017 eignet sich der Einsatz von Smart Contracts insbesondere, wenn ein oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sind:

     

    Intermediäre: Das jeweilige Unternehmen will im konkreten Anwendungsfall Intermediäre umgehen; insbesondere weil:

     

    • der Intermediär Kosten verursacht, die auch über die Funktionen der Blockchain erbracht werden können;
    • der Intermediär einen Prozess verzögert, der durch die Blockchain beschleunigt werden kann;
    • sonstige Gründe dafür sprechen, auf eine dezentrale Prozessführung ohne Intermediär zu wechseln.

     

    Daten- und Prozessintegrität: Das jeweilige Unternehmen sucht eine Lösung für einen Anwendungsfall, in dem eine rückwirkende Unveränderbarkeit der Transaktion sowie eine genau vorgegebene Durchführung erforderlich sind.

     

    Dezentrales Netzwerk: Das Unternehmen sucht eine Lösung, um mit einem Kooperationspartner Geschäfte abzuwickeln, zu dem eine stabile und sichere Transaktions- und Vertrauensbasis fehlt.

     

    Übermittlung von Werten und Wahrung von Rechten: Das Unternehmen sucht nach einer Lösung, bei der Originale, Herkunftsnachweise und/oder Rechte transportiert und/oder übertragen werden müssen.

     

    Fazit

     

    Zwar befinden sich Smart Contracts nach wie vor in den Kinderschuhen, aber schon jetzt ist ihnen eine große Zukunft zu prophezeien. Wichtig ist dabei aber zu erkennen, dass sich Smart Contracts insbesondere aufgrund der Wesensmerkmale der Blockchain nur für bestimmte Anwendungsbereiche eignen. Greifbarster Anwendungsbereich ist derzeit das Internet of Things. Smart Contracts könnten die ideale Sprache darstellen, um z. B. unsere Autos, Sensoren, Ampeln, Parkplätze, Parkuhren, Ladesäulen, Kühlschränke und Rechner miteinander kommunizieren zu lassen. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten von Smart Contracts auch nicht zu überschätzen. Gerade das Prinzip der Unveränderlichkeit, als Wesensmerkmal der Blockchain, wirft zumindest beim Juristen die Frage auf, wie in einem solchen System eine Störung der Leistungsbeziehung berücksichtigt werden kann. Zudem ist klar, dass die Oracles sorgfältig ausgewählt werden müssen, da über diese die Möglichkeit der Manipulation in ein sonst unveränderbares und automatisch ausführendes System eingebracht werden.

     

    Christian Kalusa

    (Rechtsanwalt)