Öffentliche Auftraggeber müssen zukünftig vor Auftragsvergaben ab einem Schwellenwert von EUR 30.000 in einem bundesweiten Wettbewerbsregister nachprüfen, ob die Teilnehmer schwerwiegende Rechtsverstöße begangen haben. Dazu gehören auch Kartellverstöße. Registereintragungen wegen Kartellverstößen stellen die vergaberechtliche Zuverlässigkeit eines Unternehmens in Frage und können zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen. Angesichts der Auswirkungen, die ein solcher Vergabeausschluss haben kann, stellen sich zwei Fragen: Wann erfolgt ein solcher Registereintrag? Und unter welchen Voraussetzungen wird er wieder gelöscht?
In das vom Bundeskartellamt in elektronischer Form geführte Wettbewerbsregister werden Bußgeldentscheidungen eingetragen. Die Eintragung erfolgt demnach nicht bereits mit Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Eintragungszeitpunkt ist vielmehr der Erlass der kartellbehördlichen Bußgeldentscheidung. Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid haben insoweit keine aufschiebende Wirkung. Sie verhindern weder den Registereintrag noch das Risiko eines darauf gestützten Ausschlusses vom Vergabeverfahren. Lediglich Bußgeldentscheidungen wegen Submissionsabsprachen werden erst eingetragen, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Bußgeldentscheidungen sind nur dann eintragungsfähig, wenn sie wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB ergangen sind. Dies betrifft die klassischen horizontalen Hardcore-Kartelle, etwa Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern, aber auch bußgeldbewehrte vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, wie die kartellrechtlich unzulässige Einflussnahme auf den Wiederverkaufspreis von Händlern. Im Gegensatz dazu sind Bußgeldentscheidungen wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nicht eintragungsfähig. Bußgeldentscheidungen wegen eines Kartellverstoßes werden zudem nur dann eingetragen, „wenn eine Geldbuße von wenigstens fünfzigtausend Euro festgesetzt worden ist.“ Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs sollen damit Bagatellfälle ausgeschlossen werden. Praktisch bedeutsamer dürfte allerdings sein, dass aufgrund dieser Regelung Kartellverstöße eines Kronzeugen zu keiner Eintragung ins Wettbewerbsregister führen. Dies gilt unabhängig von der Schwere eines solchen Kartellverstoßes. Denn gegen den Kronzeugen, der einen vollständigen Bußgelderlass erlangt, ist keine Geldbuße festgesetzt worden. Nicht eingetragen werden kartellbehördliche Bußgeldentscheidungen, die nach § 81 Abs. 3a bis Abs. 3c GWB ergangen sind. Dies betrifft Bußgeldentscheidungen gegen nicht kartellbeteiligte Konzernobergesellschaften, die einen bestimmenden Einfluss auf Konzerngesellschaften ausgeübt haben, deren Leitungsorgane am Kartellverstoß beteiligt waren. Es betrifft aber auch Bußgeldentscheidungen gegen Gesamtrechtsnachfolger und wirtschaftliche Nachfolger des kartellbeteiligten Unternehmens. Insoweit existiert die „Wurstlücke“ weiter. Schließlich werden in das Wettbewerbsregister nur Bußgeldentscheidungen deutscher Kartellbehörden eingetragen. Setzen andere mitgliedstaatliche Kartellbehörden oder die Europäische Kommission eine Geldbuße fest, erfolgt keine Eintragung. Dies kann zu einem Standortnachteil für deutsche Unternehmen führen.
Registereinträge wegen eines Kartellverstoßes werden spätestens drei Jahre nach Erlass der kartellbehördlichen Bußgeldentscheidung gelöscht. Im Falle von Submissionsabsprachen erfolgt die Löschung spätestens drei Jahre nach Bestands- oder Rechtskraft der Bußgeldentscheidung. Unternehmen können bei der registerführenden Behörde, dem Bundeskartellamt, eine vorzeitige Löschung ihrer Eintragung beantragen. Voraussetzung einer vorzeitigen Löschung ist der Nachweis einer vergaberechtlichen Selbstreinigung. Dies setzt die Verpflichtung zur Zahlung eines Schadensausgleichs, die aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber zur Aufklärung des Kartellverstoßes sowie konkrete Compliance-Maßnahmen voraus, um weitere Kartellverstöße zukünftig zu vermeiden. Anträge auf vorzeitige Löschung sind gebührenpflichtig. Der Gebührenrahmen beträgt maximal EUR 25.000. Das Bundeskartellamt entscheidet über eine vorzeitige Löschung nach pflichtgemäßem Ermessen. Es bewertet die ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen und berücksichtigt dabei insbesondere die Schwere des Kartellverstoßes. Lehnt das Bundeskartellamt eine vorzeitige Löschung des Registereintrags wegen unzureichender Selbstreinigungsmaßnahmen ab, kann das betroffene Unternehmen Beschwerde beim OLG Düsseldorf einlegen. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob eine gerichtliche Entscheidung deutlich vor Ablauf der regulären dreijährigen Löschungsfrist zu erreichen ist. Praxistipp Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann ein Antrag auf vorzeitige Löschung erst nach Eintragung ins Wettbewerbsregister gestellt werden. Kooperieren Unternehmen mit der Kartellbehörde, kann es sich dennoch anbieten, den Antrag nach erfolgter Selbstreinigung (ggf. aufschiebend bedingt auf den Eintragungszeitpunkt) bereits während des kartellbehördlichen Bußgeldverfahrens zu stellen. Im Idealfall erfolgt die vorzeitige Löschung dann unmittelbar nach der Eintragung – mit Bindungswirkung für alle späteren Auftragsvergaben.
Kartellverstöße bilden lediglich einen fakultativen Ausschlussgrund. Öffentliche Auftraggeber entscheiden über einen Ausschluss nach pflichtgemäßem Ermessen. Dies gilt unabhängig von der Registereintragung: Liegt eine solche Eintragung vor, hindert sie den öffentlichen Auftraggeber nicht, das betroffene Unternehmen innerhalb der Ermessensgrenzen weiterhin zur Auftragsvergabe zuzulassen. Umgekehrt hindert aber auch das bloße Fehlen eines Registereintrags den öffentlichen Auftraggeber nicht, den Bieter dennoch wegen vergaberechtlicher Unzuverlässigkeit von der Auftragsvergabe auszuschließen. Das betrifft vor allem noch nicht rechtskräftige Entscheidungen zu Submissionsabsprachen sowie all jene Kartellverstöße, die gar nicht eingetragen werden, wie z. B. bei Entscheidungen der EU-Kommission oder bei festgestellten, aber nicht mit einem (oder nur mit einem geringen) Bußgeld geahndeten Kartellverstößen. Vergleichbares gilt für die Entscheidung des Bundeskartellamts, mit der ein Antrag auf vorzeitige Löschung abgelehnt wurde. In diesem Fall entscheidet der öffentliche Auftraggeber nach pflichtgemäßem Ermessen, ob er die Selbstreinigungsmaßnahmen entgegen der Bewertung des Bundeskartellamts für ausreichend erachtet. Praktisch bedeutsam: Die vorzeitige Löschung einer Registereintragung bindet den öffentlichen Auftraggeber. Hat das Bundeskartellamt eine Eintragung vorzeitig gelöscht, darf der zugrunde liegende Kartellverstoß im Vergabeverfahren nicht mehr zum Nachteil des betroffenen Unternehmens verwertet werden. Diese Bindung wirkt auch im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren fort. Daher können die vorzeitige Löschung und die ihr zugrunde liegende Selbstreinigung nicht im Nachprüfungsverfahren vor einer Vergabekammer in Zweifel gezogen werden. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. Christian Heinichen.