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    18.10.2018

    Recht und Realität – Interdisziplinärer Blick von Praktikern für Praktiker auf den Bitcoin Handel: Aktuelles Urteil ist von der Wirklichkeit bereits überholt


    Bitcoin? War da was? Als vor einigen Monaten ein regelrechter Hype um den Bitcoin losging, musste sich der unbeteiligte Beobachter ja schon fragen, warum dieser Mega-Trend an ihm vorbei ging und er als einziger nicht von dreistelligen Renditen profitieren konnte. Auch deshalb ist ein Zerrbild entstanden. Der Bitcoin ist nur eine von insgesamt ca. 1.900 ernstzunehmenden Crypto-Währungen. Für jeden Use Case existieren spezifische Währungen, z.B Ether für Etherium-Produkte, mIOTA für zukünftige IoT-Transaktionen zwischen Maschinen oder Monero als tatsächlich anonyme Währung, charmant vor allem für nicht nachvollziehbare Transaktionen. Dieser Beitrag geht auf juristische Hintergründe ein und gibt einen Einblick in die Praxis der Crypto-Währungen.

     

    Bitcoin-Handel ist nicht erlaubnispflichtig

     

    Der Bitcoin ist nun zumindest in der juristischen Öffentlichkeit wieder in aller Munde. Durch die Fachportale geistert aktuell nämlich ein Urteil des Kammergerichts Berlin. Das Kammergericht entschied in seinem Urteil vom 25. September 2018 (Az.: 161 Ss 28/18), dass der Handel mit Bitcoin nicht unter die Erlaubnispflicht des Kreditwesengesetzes fällt, weil es sich bei dem Bitcoin nicht um ein Finanzinstrument handelt. Eine allgemeine Anerkennung und entsprechende vorhersehbare Wertbeständigkeit fehle dem Bitcoin gerade. So werde der Bitcoin nicht von einer Zentralbank oder öffentlichen Behörde ausgegeben. Auch werde der Bitcoin nicht von einer übergeordneten Stelle reguliert.

     

    Das Gericht macht deutlich, dass es alleine Aufgabe des Gesetzgebers sei, eine etwaige Strafbarkeit des Handels mit Bitcoins im Gesetz zu verankern. Eine solche Regelung fehle bisher, eine entsprechende Festlegung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht überschreite deren Kompetenzen.

     

    Juristisches Fazit

     

    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht der Handel mit Bitcoins aus der strafrechtlichen Gerichtsperspektive demnach nicht unter Erlaubnispflicht. Ob dies auch in Zukunft so bleiben wird, hängt von der deutschen Gesetzgebung ab. Bis zu einer solchen Klarstellung bleibt abzuwarten, ob die BaFin als Verwaltungsbehörde im Zuge des Urteils ihre Rechtsauslegung ändern wird, oder ob es dazu etwa erst einer Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht oder auf europäischer Ebene bedarf.

     

    Der Blick in die Realität  

     

    Aus der Praxis heraus stellt sich die Frage, wie viele Anwendungsfälle nach der aktuellen Normalisierung des Bitcoin-Index für Bitcoin-Use-Cases überhaupt noch auf dem deutschen Markt existieren. Der allgemeinen Idee dieser Crypto-Währungen liegt die Blockchain-Technologie zu Grunde. Als 2009 „Satoshi Nakamoto“ (bis heute weiß niemand, wer dahinter steckt) die nicht neue Idee einer dezentralen, sich selbst regulierenden Währung mit der Öffentlichkeit im Internet teilte, war er sich mit Sicherheit nicht bewusst, dass so viele Menschen in diese Crypto-Währung investieren würde. Hierzu drei Gedanken:

     

    1. Hätte er/sie/es geahnt, dass die Nachfrage an Bitcoin sich innerhalb weniger Jahre von einem Anfangskurs zu 0,08 Cent (USD) – also $0,0008 - je Bitcoin über $20.000 im Dezember 2017 zu heute ca. $6.500 entwickelt, hätte er dafür gesorgt, dass sein Protokoll technologisch mit dem steigenden Bedarf Schritt hält. Da dezentrale Verifikationen von Transaktionen an das Lösen von komplexen mathematischen Rätseln gebunden sind – das so genannte Mining – dauern Transaktionsbestätigungen im Bitcoin-System bis zu 30 Minuten. Zum Vergleich: Kreditkarten-Anbieter schaffen dies aktuell innerhalb des eigenen Systems in Millisekunden. Ergo: Bitcoin war nie für den Massenmarkt gedacht.
    2. Das Lösen besagter mathematischer Rätsel erschwert sich von Transaktion zu Transaktion. Dies führt zu einem steigenden Bedarf an Rechenleistung und damit verbundener Energiekonsumption. Aktuell wird diese auf ca. 7,67 Gigawatt bei Bitcoin beziffert. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr ca. 8,2 Gigawatt. Tatsächlich führt dies dazu, dass Bitcoin-Mining sich nur dort lohnt, wo Energie kostenfrei bis kostengünstig und benötigte Hardware einfach und kostengünstig zu erwerben ist. Unter anderem deswegen werden 70% aller Bitcoins in Asien, hier speziell China, lokalisiert und werden von ca. 120 Individuen bzw. in deren „Wallets“ gehalten. Dies kommt faktisch einer Privatisierung einer Zentralbank gleich, da sich diese „Crypto Whales“ wiederum über Verkauf und Zukauf digital austauschen. Im Sinne eines dezentralen, sich selbstregulierenden Gedankens eines Nakamoto dürfte dies nicht sein.
    3. Neben vernachlässigbaren Randerscheinungen, wie eher politisch motivierte „Crypto-Cafés“, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren, bietet aktuell einzig die E-Commerce-Plattform Alibaba in China an, mit Bitcoin Waren des alltäglichen Lebens zu kaufen. Da Bitcoins an Tauschbörsen irgendwann von oder in FIAT-Währungen getauscht werden müssen, und diese FIAT-Währungen sowohl mit dem KWG konform und deren Services, z.B. in Form von KYC- & AML-Pflichten seitens Payment Service Provider, international reguliert sind und die einzelnen Transaktionen auf Grund der Bitcoin-Technologie in seinem zugrundeliegenden, dezentralen, nicht löschbaren Grundbuch nachgehalten werden, ist die vermeintliche Anonymität von Bitcoin nicht gegeben.

     

    Überholtes Urteil?

     

    Vor diesem Hintergrund dürfte sich heute, fünf Jahre nach Einreichen oben genannter Strafanzeige durch die BaFin, die Anzahl an tatsächlichen Bitcoin-Anwendungsfällen, z.B. mit Tauschbörsen und Akzeptanzstellen, mit Sitz in Deutschland recht überschaubar halten.

     

    Spannender sind hier andere Crypto-Währungen, sogenannte Alt(ernative) Coins, die von den Erfahrungen durch Bitcoin gelernt haben, und ihre Blockchain-Protokolle angepasst haben: So ist für Ether, IOTA, Monero und viele der anderen 1.900 (!) Crypto-Währungen Energiekonsum, Anonymität und Transaktionsgeschwindigkeit kein Problem mehr. Ebenso hat sich auch die Zweckgebundenheit und die Automatisierung in Form von so genannten „Smart-Contracts“ (nicht zu vergleichen mit juristischen Verträgen, sondern eher als komplexere „Wenn-Dann“-Bedingung zu verstehen) das Crypto-Geld im Vergleich zum FIAT-Geld „smart“ gemacht. Somit ist es fraglich, ob diese Technologie in den Industrienationen ihren tatsächlichen Wirkungsgrad nicht viel mehr im Bereich B2B als B2C zeigen wird: Sicherlich würde ein rechtssicheres, digitales Buchführungssystem auf Crypto-Währungsbasis gekoppelt an ein Lagerbestandssystem mit dem automatischen Ausführen von internationalen Transaktionen bei zeitgleicher Ausweisung und Abfuhr der Umsatzsteuer auf Basis eines nicht an nationale Währungsschwankungen anpassten Währungssystems innerhalb von Sekunden unabhängig von Zeit und Order-Volumen wahrscheinlich dem deutschen Handel – und somit indirekt dem deutschen Fiskus – deutlich mehr Prozessoptimierung und Marktanteile bringen, als dass Privatpersonen sich dem Hochrisikogeschäft von Währungswetten auf Bitcoin-Basis hergeben werden, auf dessen Basis es ja zu oben genannten Urteilsspruch kam.

     

    Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Dr. Maximilian Degenhart und Clemens Pompeÿ.

     

    (Clemens Pompeÿ ist Head of Innovation beim Blockchain-Company-Builder www.amatus.com.)

     

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