Bundesarbeitsgericht vom 21. März 2018 – 7 AZR 590/16
Es liegt keine unzulässige Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds vor, wenn vor dem Hintergrund einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird, der im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern deutlich günstigere finanzielle Konditionen vorsieht.
Der Arbeitnehmer war seit dem Jahr 1983 im Unternehmen beschäftigt und wurde im Jahr 2006 zum Vorsitzenden des Betriebsrats gewählt. Im Jahr 2013 wurden Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben. Zudem beschwerten sich Kolleginnen über Stalking durch ihn. Deshalb wollte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen. Da der Betriebsrat die dafür notwendige Zustimmung jedoch nicht erteilte, beantragte das Unternehmen Anfang Juli 2013 die Ersetzung der Zustimmung vor dem Arbeitsgericht. Ende Juli 2013 schlossen Unternehmen und Arbeitnehmer einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag, der neben weiteren finanziellen Bestandteilen eine zweijährige Freistellung bei vollständiger Vergütungsfortzahlung sowie eine Abfindung in Höhe von 120.000 EUR (zahlbar in zwei Raten) vorsah. Nachdem der Arbeitnehmer die erste Rate der Abfindung erhalten hatte, bereute er offensichtlich den Entschluss zum Ausscheiden und klagte vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses. Der Aufhebungsvertrag sei nichtig, da er eine unzulässige Begünstigung des Betriebsrats darstelle. Die vereinbarte Abfindungssumme liege deutlich über den üblichen Abfindungssätzen in vergleichbaren Fällen bei normalen Arbeitnehmern.
Der Arbeitnehmer verlor in allen drei Instanzen. Das BAG entschied, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet hat. Nach Ansicht der Richter ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem Betriebsratsmitglied regelmäßig keine unzulässige Begünstigung im Sinne des § 78 S. 2 des BetrVG. Daran ändere auch eine im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern höher dotierte Abfindung nichts. Die Inhalte eines Aufhebungsvertrags sind stets Folge der konkreten Vertragsverhandlungen, die maßgeblich von den Verhandlungspositionen der Beteiligten abhängen. Der durch § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eingeräumte Sonderkündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds führe daher typischerweise zu einer besseren Verhandlungsposition, die sich auch in einer erhöhten Abfindung niederschlagen kann. Möchte ein Arbeitgeber daher das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied verhaltensbedingt kündigen, kann auch eine höhere Abfindungssumme gerechtfertigt sein.
Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie die Grenzen der zulässigen Vertragsgestaltung beachtet und stärkt. Es stellt sich ohnehin bereits die Frage, ob vorliegend von einer außerordentlich hohen Abfindung auszugehen war. Schließlich war der Arbeitnehmer bereits seit 1983 im Unternehmen beschäftigt. Allein die Betriebszugehörigkeit als wesentlicher Faktor bei Abfindungsverhandlungen hätte zu einer hohen Abfindungssumme geführt. Wichtig für Arbeitgeber ist, dass man durch einen Aufhebungsvertrag mehrere langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden kann. So wäre vorliegend zunächst die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung zu ersetzen gewesen. Erst im Anschluss daran hätte die Kündigung ausgesprochen werden können, was jedoch zwangsläufig zu einem Kündigungsschutzverfahren geführt hätte. Die Verfahren hätten mehrere Jahre gedauert.
Aufhebungsverträge stellen nach wie vor eine effiziente und „geräuschlose“ Möglichkeit zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dar. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass beide Vertragsparteien dadurch zügig eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine damit verbundene umfassende Klärung aller offenen Fragen erreichen können. Gerade im Hinblick auf mögliche sexuelle Belästigungen oder ähnliche Sachverhalte ist auch zu bedenken, dass durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages die Aussage möglicher Opfer vor Gericht vermieden werden kann. Die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ist natürlich völlig isoliert zu betrachten.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, kontakieren Sie bitte Herrn Martin Biebl.